Sonntagsblatt 3/2018 | Page 12

Von meiner vermeintlichen Einstufung als Quotenintellektueller innerhalb der Partei weiß ich aber nichts, also selbst den Begriff würde ich ablehnen. Es ist unwürdig solchen Intellektuellen gegenüber, die am Programm von Jobbik hart mitgearbeitet haben. In einer Fraktion soll man nicht nur die Strömungen einer Volkspartei darstellen, sondern genauso die Zusammensetzung der Wählerbasis: Unsere 26-köpfige Fraktion spiegelt laut meiner Einschätzung beide sehr gut wieder. Ich bin stolz darauf, dass Jobbik in meiner Person einen solchen Abgeordneten hat, der beweist: Es war nicht nur eine leere Parole, dass wir ein intellektuelles Hinterland haben, sondern dieses existiert auch in der Realität, und aus ihren Reihen konnte Jobbik einen Politiker als Abgeordneten delegieren.
Und zugleich ihren eigenen Deutschen.
Das habe ich bereits erläutert: Es gibt in jeder Fraktion Angehörige der deutschen Minderheit. Übrigens werden wir uns bald mit einigen Abgeordneten aus jeder Fraktion mit dem deutschen Nationalitätenabgeordneten Emmerich Ritter zusammensetzen. Also lassen wir lieber die Quotenfrage. Genauso würde ich auch den Aspekt der Frauenquote als ziemlich verzerrt und unwürdig beurteilen und dafür halten, da die Fähigkeit für jede Frau gegeben ist, alles zu erreichen, was auch ein Mann erreichen kann. Weder die Nationalität noch die Zugehörigkeit zur jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe sollte als richtungsweisend betrachtet werden.
Die Politik – und die Fraktion – sind dann gut, wenn sie das ganze politische Spektrum aufzeigen und der ganzen ungarischen Gesellschaft Botschaften übermitteln können. Mein intellektueller Hintergrund – das nicht daraus resultiert, dass ich ein Diplom habe, sondern durch meine Laufbahn und meine Publikationen begründet ist – und meine Arbeit im Nationalitätenbereich legitimieren die Aussagen, die ich jetzt als Politiker formuliere. Das ist eine gute Wechselwirkung.
Betrachten Sie sich nicht in erster Linie als Abgeordneter der Ungarndeutschen? Über die Nationalitätenliste ist Emmerich Ritter ins Parlament gelangt – mit Ihrem Hintergrund läge es auf der Hand, dass Sie mit einem ähnlichen Rollenverständnis auftreten.
Natürlich, als ungarndeutscher Abgeordneter behandele ich die Angelegenheit der Ungarndeutschen mit Präferenz, ich halte sie für meine Herzensangelegenheit. Als Mitglied der Außenpolitischen Kommission des Parlaments habe ich ja eine größere Affinität zu den deutschsprachigen Ländern, aber dies bedeutet nicht, dass ich mich konzentriert und eingeengt nur mit diesem Thema beschäftigen werde.
Also würden Sie ohne Weiteres auch mit dem Fidesz-Mitglied Emmerich Ritter für die Deutschen zusammenarbeiten?
Das Recht der parlamentarischen Vertretung der Minderheiten ist ein in der Verfassung verankertes Gut. Meiner Meinung nach ist dieses ein natürliches und wichtiges Recht. Das Minderheitengesetz aus dem Jahr 1993 erhielt bereits die Bestimmung, wonach dies in einem eigenständigem Gesetz festgelegt werden sollte – da nichts unternommen wurde, hat das ungarische Parlament über lange Jahre durch selbstverschuldetes Versäumnis Rechtswidrigkeit begangen. Die Fidesz-Regierung löste das Versäumnis mit dem 25 %-Stimmenanteil-Mandat für Nationalitätenabgeordnete: Diese Möglichkeit erscheint angesichts ihrer zahlenmäßigen Stärke für die Roma- und die deutschen Gemeinschaft als realistisch, in dem Fall, wenn sie für sich selbst die Registration und die Wahl organisieren.
Die Lösung ist nicht unbedingt mustergültig, da die Nationalitätenabgeordnetensitze zur Gesamtzahl des Parlaments nicht dazugerechnet werden, sondern von den erworbenen Mandaten der Landesliste der Parteien Plätze wegnehmen. Geschweige denn, dass wenn jemand für die Nationalitätenliste abstimmt, dann kann dieser nur für die Wahlkreiskandidaten der Parteien stimmen und keine Stimme auf die Parteiliste abgeben. Ich hoffe darauf, dass durch die Tätigkeit Emmerich Ritters als Abgeordneter die durch die in der Öffentlichkeit sich verfestigende Überzeugung widerlegt wird, Wärter des Fidesz-Zweidrittels zu sein.
Ist aber nicht auch das Vorzugsmandat eine Art Quote? Sie sind ebenfalls Ungarndeutscher, Ihr Gegenüber auch. Es kann sein, dass Sie ein fanatischer Konservativer sind, und der Sie Interviewpartner ein fanatischer Liberaler. Wieso würde ein Nationalitätenabgeordneter ihn, den liberal Gesinnten, gut vertreten, nur weil er auch Deutscher ist?
Es geht nicht darum. Sondern, dass Rechte auch den Nationalitäten zugesichert werden sollten, die es garantieren, an der Ausübung der politischen Macht teilzuhaben. Dieses Vorzugsmandat birgt für die ungarländischen Nationalitäten die Chance, um sie aus dem Nachteil, die sich aus dem Minderheitendasein ergibt, hinauszubegleiten, da sie ab ovo nicht alle Staatsbürger ansprechen können. Hierfür stehen unterschiedliche rechtstechnische Mittel zur Verfügung. Beispielsweise gilt in Schleswig-Holstein die 5 %-Hürde für die dortige dänisch-friesische Minderheitenpartei nicht.
Für die Abbildung der weltanschaulichen Vielfalt des Ungarndeutschtums ist die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen zuständig, in deren Körperschaft jeder über eine Liste gelangen kann, und bei den Vollversammlungen kann ein jeder seine eigene Weltanschauung vertreten. Ich war zweiundzwanzig Jahre dort Abgeordneter, und denke, dass wir der inneren Bandbreite erwachsen gegenüberstanden. Eine andere Frage ist, dass dies unter dem Aspekt der Nationalitätenrechte nicht immer ein Glücksfall ist – im letzteren Fall ist das einheitliche Auftreten gegenüber der jeweiligen Staatsmacht der Schlüssel zum Erfolg.
Zwei Ungarndeutsche sitzen an diesem Tisch und sprechen in perfektem Ungarisch miteinander. Wie deutsch sind eigentlich die Ungarndeutschen, haben sie eine wahrhaftige Beziehung zu Deutschland?
Ich finde, die Parteimitgliedschaft Emmerich Ritters ist kein Problem. Als unglücklich empfinde ich jedoch, dass, wenn nun die deutsche Minderheit nach langen Jahrzehnten, aus eigener Kraft und mit eigenem Recht einen vollberechtigten Abgeordneten ins Parlament schicken kann, dies in der breiteren Öffentlichkeit so ausgelegt und interpretiert wird, dass es gelungen ist einen zusätzlichen Fidesz-Mann ins Parlament zu wählen.
Halten Sie eigentlich die Idee der Institution des Nationalitätenabgeordneten für richtig?
Meinerseits können wir ohne Weiteres gerne deutsch weitermachen!( auch im Original in deutscher Sprache, Anm. Red.)
Von mir aus!( auch im Original in deutscher Sprache, Anm. Red.)
Ich gehöre zu denen, die mit sechs Jahren ungarisch gelernt haben. Vorwiegend spreche ich deutsch, auch mit meinen ungarndeutschen Kollegen bei Jobbik. Die Sprachverwendung der Ungarndeutschen ist ein bedeutungsvolles wissenschaftliches Thema, die sich im historisch-sozialen Umfeld fortlaufend-beständig herausgebildet hat. Bis 1949 war das Ungarndeutschtum de jure, anschließend auch de facto entrechtet. Die Weitertradierung der klassischen Sprachvermittlung wurde unterbrochen
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