Sonntagsblatt 3/2013 | Page 9

schwabenball der Deutschen aus Ungarn in Gerlingen weist er zurück und wünscht guten Erfolg . Was ist aber merkwürdig an dieser Sache ?
Merkwürdig ist , dass der Brief von Bürgermeister Josef Michl in der „ Neuen Zeitung ” nicht erschienen ist . Warum nicht ? Warum dürfen die ungarndeutschen Landsleute nur die eine Seite des Vorfalls kennen ?
Aoch viel merkwürdiger ist aber , dass weder der deutsche Bürgermeister von Gerlingen noch der ungarndeutsche Bürgermeister von Totis / Tata die Lage des Ungarndeutschtums schildert bzw . erwähnt , wobei doch eben auf diesem Gebiet riesengroße Mängel bestehen und die ungarische Regierung zur Rede gestellt ( kritisiert ) werden sollte . Außer einem Schwabenball haben die Großköpfigen keine Sorgen hinsichtlich der Volksgruppe ?
Ein Kuckucksei
Ich staune . Vor mir liegt eine Einladung aus Güns / Koszeg zum Heimattreffen . Schön und gut geschrieben - in zwei Sprachen . Aber warum staune ich ? Weil „ Einladung ” vor „ Meghívó ” steht ! Weil Deutsch vor dem Ungarischen steht !
Gibt es denn so etwas in Ungarn ? Bei den Ungarndeutschen ? Fast unglaublich , aber die Günser Deutsche Selbstverwaltung hat das Wunder zustande gebracht !
Bisher habe ich immer und überall das Gegenteil gesehen und erlebt . Die Ungarndeutschen schreiben und reden zuerst ungarisch und anschließend deutsch . Oder nur ungarisch ! Eigentlich in den meisten Fällen nur ungarisch .
Schaut euch bitte die Briefe der ( deutschen ) Selbstverwaltungen und Vereine an . Oder die Aufschrift beim Eingang , die Texte auf der Wandtafel . Die Erklärungen in den Heimatstuben . Selbstverständlich ungarisch voran und nachher deutsch , wenn überhaupt - meistens einsprachig ungarisch . Ebenso die Webseiten .
Schon oft habe ich mir die Frage gestellt : Muss das so sein ? Gibt es dafür eine Vorschrift ? Es gibt bestimmt keine . Es ist eine schlechte und falsche Gewohnheit unserer Landsleute . Und niemand hat sie bisher aufmerksam gemacht , dass sie sich auf dem Holzweg befinden . Sieht so die Pflege der Muttersprache aus ? Wird dadurch ein Ungarndeutscher ermuntert seine Muttersprache zu verwenden ?
Ich habe mir endlich die Mühe genommen und im Internet nachgesehen , wie ungarische Vereine und Dienststellen in Rumänien und in der Slowakei mit dieser Frage umgehen .
Ganz selbstverständlich schreibt man dort entweder NUR ungarisch oder wenn dennoch zweisprachig , dann zuerst ungarisch und nachher rumänisch bzw . slowakisch , eventuell auch noch englisch .
Merkwürdig ! - wie leichtsinnig ( um keinen stärkeren , beleidigenden Ausdruck zu verwenden ) doch die Ungamdeutschen sind !
Fragwürdiger Erfolg
Über die Volkszählung wird im jetzigen Leitartikel ausführlich berichtet . Géza Hambuch bringt darin nicht nur seine Freude über den Erfolg ( schließlich ist das Ergebnis ja wirklich ein bedeutender Erfolg !) zum Ausdruck , sondern betont wiederholt auch seine Besorgnis hinsichtlich der Muttersprache . Da heißt es : „ Denn nur das eine Auge lacht . Aus dem anderen fallen auch Tränen . Die
Angaben zur deutschen Muttersprache vermitteln ein anderes Bild . Sie ernüchtern und erregen Besorgnis . Nur 38 248 Bürgerinnen und Bürger gaben Deutsch als Muttersprache an . Besonders da besteht großer Aufholbedarf . ”
Allgemein sagt man zu der Zahl 38 248 , dass die nun mehr ist als jene vor zehn Jahren , als es 33 774 Bekenner zur Muttersprache gab . Ja , beim Draufschauen stimmt das auch . Doch beim Dahinterschauen ergibt sich ein Haken : Zur deutschen Minderheit wurden laut Angaben des Statistischen Amtes 11 143 Personen mit fremder Staatsbürgerschaft gezählt und es ist anzunehmen , dass davon die Mehrheit deutscher Muttersprache ist . Dies würde dann bedeuten , dass von den 38 248 Muttersprachlern so 8000-10 000 keine „ Ungarndeutschen ” sind und somit der Vergleich zu früheren Zahlen der Muttersprache-Bekenner hinkt , mit anderen Worten : Es gibt keinen „ geringen Zuwachs ”, sondern einen ernsten und schmerzlichen Rückgang .
Hambuch schreibt im Leitartikel : „ Im Ergebnis der Volkszählung widerspiegelt sich auch die Tätigkeit der längst nicht zufriedenstellenden Kindergärten und Schulen , der deutschen Selbstverwaltungen auf verschiedener Ebene , der deutschen Vereine , der Kulturgruppen und nicht zuletzt der deutschen Gottesdienste ” - und meint dies ( wahrscheinlich ) positiv . Oder doch nicht ? Denn , beim Betrachten des Muttersprache-Ergebnisses kann die Tätigkeit der aufgezählten Organisationen und Institutionen keinesfalls gelobt werden . Wird doch die Muttersprache im Alltag allgemein vernachlässigt , auf dem Gebiet der Bildungseinrichtungen gibt es seit 60 Jahren keinen Fortschritt . Somit geht die Muttersprache verloren . Der Absatz „ Es gibt noch harte Nüsse zu knacken ” im Leitartikel weist eben darauf hin , - bitte da nochmal aufmerksam nachlesen ! Ja , auf schulischem Gebiet muss etwas getan werden , doch die Volksgruppe ist dieser Aufgabe nicht gewachsen . Da kann nur die Hilfe , der Eingriff des Mutterlandes eine Änderung herbeiführen . Denn , Sprache verloren - alles verloren . Ein Volk ohne Sprache ist dem Tode geweiht .
Der folgenden Aussage von Herrn Hambuch kann ich nicht zustimmen : „ Bei der Pflege der Muttersprache beginnt man am besten von klein auf . Und die Funktion der Familie , des Elternhauses kann durch den besten Kindergarten , die beste Schule nicht ersetzt werden . ” Gegenwärtig kann das Elternhaus vielerorts ( insbesondere in den Städten ) für die deutsche Muttersprache nicht mehr infrage kommen . Wir sind soweit , dass der Kindergarten und die Schule , d . h . die Kinder müssten die Muttersprache wieder im Elternhaus einführen . Aber auch das ist nicht unmöglich . Als alter Mann denke ich oft daran : Zu meiner Zeit haben wir Kinder die ungarische Sprache in das Elternhaus eingebracht , weil Kindergarten und Schule haben uns nur diese Sprache vermittelt . So wollte es der Staat damals . Und heute ?
Merkwürdig ! - Auf schulischem Gebiet hat sich in hundert Jahren ( für uns Deutsche in Ungarn ) nichts geändert .
Erfahrung besteht aus Anschauungen , die der Sinnlichkeit angehören , und aus Urteilen , die lediglich ein Geschäft des Verstandes sind . ( Kant )
Die besten Dinge im Leben sind nicht die , die man für Geld bekommt . ( Einstein )
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