Sonntagsblatt 3/2013 | Page 8

Zuströmen dieser Elemente eine rassistische Auslese verhindere . Einer der Befürworter der Aussiedlung war auch Ministerpräsident Pál Teleki . Der von ihm geleitete Nationalpolitische Dienst fertigte ohne Impressum Flugblätter über die bevorstehende Aussiedlung in den schwäbischen Dörfern an . Den Verwaltungsbeamten war aber schon damals klar , dass die meisten Ungarndeutschen überhaupt nicht aussiedeln wollten . Deshalb empfahl man , dass die Aussiedlung durch bilaterale Abkommen vollzogen werden sollte . Diese interne Diskussion beweist , dass die Aussiedlung der Deutschen als Idee nicht erst im Jahre 1945 und nicht nur auf sowjetischen Druck hin entstand . Bezeichnenderweise schrieb Horthy am 19 . Mai 1945 aus seiner Kriegsgefangenschaft an die englische Königin , dass „ unser heißester Wunsch darin bestünde , unsere deutschen Untertanen loszuwerden , denn sie verhielten sich dem Staat gegenüber am undankbarsten .” Fast zur selben Zeit verlangte die ungarische Regierung die Aussiedlung von 200 000 „ faschistischen Schwaben ”, eine Woche später nannte Ministerpräsident Miklós Béla Dálnoki bereits 340 000 „ Faschisten ” und insgesamt 500 000 „ Schwaben ”, obwohl sich in ganz Ungarn nur 303 000 Personen zur deutschen Minderheit bekannt hatten .
Bald stimmte die ungarische Regierung über die Deportation der Schwaben ab und die Mehrheit bejahte deren Vertreibung . Es muss betont werden , dass zur Zeit der Abstimmung kein sowjetischer Druck vorhanden war . Die Regierung schoss sogar ein Eigentor , denn gerade die ungarischen Vertreibungsaktivitäten machten für die Tschechoslowakei die Vertreibung von Ungarn als „ Bevölkerungsaustausch ” möglich . Die ungarndeutsche Minderheit diente auch dazu , nationale Verantwortung abzuwälzen . Einen Beitrag zu dieser Frage liefert auch die Tätigkeit der kommunistisch beherrschten Polizei und der Volksgerichte . In seinem Schlusswort im Prozess gegen den Führer der Pfeilkreuzler , Ferenc Szálasi , nannte Staatsanwalt László Frank die schwäbischen Siedler Vorfahren der Volksbündler und versuchte seitenlang für seine Behauptung den Nachweis zu erbringen , dass zwischen deutscher Nationalität und Faschismus ein organischer Zusammenhang bestünde . Vince Nagy , politischer Staatsanwalt im Szálasi-Prozess , stellte die rhetorische Frage , ob es nicht sie waren , „ diese barbarischen Germanen , die Urahnen der SS- Schergen von Auschwitz und Katyn ( sic !), denen es gelungen ist , ihnen wilden Sadismus unter der dünnen Decke der deutschen Kultur eines Goethe , Schiller und Thomas Mann an ihre Nachkommen zu vererben ?”
Diese Sicht der Dinge ließ auch die Prozesse gegen Generalstabschef Ferenc Szombathelyi und den Oberbefehlshaber der am Don untergegangenen 2 . Armee , Gusztáv Jány , beim Volksgerichtshof zur Posse geraten . Beide wurden von der kommunistischen Presse und den Volksanwälten mit ihren früheren Familiennamen ( Knausz und Hautzinger ) angeredet , obwohl beide ausgesprochen stolz auf ihr Magyarentum waren und es nie verleugnet hatten . Im Falle Jánys wäre es zwar möglich gewesen , ihn aufgrund stichhaltiger Anschuldigungen zu verurteilen , doch für Volksgerichte waren Recht und Wahrheit keine wichtigen Gesichtspunkte . Die ungehinderte Übernahme der rassistischen Phraseologie nach 1945 führte dazu , dass die Deportation einer Volksgruppe erneut gerechtfertigt werden konnte .
Reaktionen
Es entstand nach dem Vortrag Stelczers Anfang des Jahres eine öffentlich geführte Diskussion um die Bewertung der Vertreibung und die Rolle Ungarns dabei . Die weiteren Reaktionen , unter anderem einen Aufsatz des Junghistorikers Georg Ritter , werden wir in der Ausgabe 4 veröffentlichen .
• MERKWURDIGkeiten •
Warum so einseitig ?
Von Georg Krix
Alles hat zwei Seiten , heißt es , - und man meint damit , alles kann eine gute und auch eine schlechte Seite haben . Doch gar manches hat - ziemlich oft - eben zwei schlechte Seiten und nur viel seltener zwei gute Seiten .
Aber bleiben wir dabei , dass alles zwei Seiten hat . Welche Seite nun gut und welche schlecht ist , bleibe dahingestellt . Jedenfalls muss man beide Seiten kennen um feststellen zu können , was gut oder was schlecht ist . Dabei darf man aber auch nicht vergessen , dass nicht alle Menschen mit gleichem Maßstab messen , mit gleichen Augen , Ohren oder Gefühlen eine Meinung bilden . So ist es leicht möglich , dass was mir gut , dir eben schlecht ist .
Diese Binsenwahrheit kam mir in Sinn , als ich im April über die Ablehnung einer Auszeichnung hörte . Wahrscheinlich können sich unsere Leser noch an die Geschichte erinnern , wonach der Bürgermeister von Gerlingen , Herr Georg Brenner , die ungarischerseits angebotene Auszeichnung , d . h . die Verleihung des Offizierskreuzes des Verdienstordens Ungarns zurückgewiesen und als Begründung sich auf die „ politische Entwicklungen in Ungarn in der jüngeren Vergangenheit ” berufen hat .
Man muss wissen , Herr Brenner ist „ Patenonkel ” der Deutschen aus Ungarn in Baden-Württemberg , gilt als Motor der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft und als Bürgermeister von Gerlingen befreundet mit dem Bürgermeister von Totis / Tata , Herrn Josef Michl , da Gerlingen und Totis Partnerstädte sind und seit Jahren enge und freundschaftliche Beziehungen pflegen .
Herr Brenner hat seine politischen Bedenken bezüglich der Entwicklungen in Ungarn in einem Brief zusammengefasst , welcher in der „ Stuttgarter Zeitung ” vom 11 . April veröffentlicht wurde und gleichzeitig auch an Herrn Michl in Totis ergangen ist . In diesem Brief werden Pressefreiheit , Sinti und Roma , EU-Verträge , Jobbik-Partei , Ungarische Garde , Trianon , Rassismus , Antisemitismus , Obdachlose , Verfassungsänderungen und ... erwähnt und negativ hingestellt , wofür die Orbán-Regierung verantwortlich gemacht werden muss , weshalb er , Brenner , von dieser keine Auszeichnung annehmen kann .
Was nun ? Was kann man zu den von Brenner aufgezählten Anschuldigungen sagen ? Man kann sich natürlich Gedanken darüber machen und ... - vielleicht sogar zustimmen . Jedenfalls muss man den ganzen Briefinhalt kennen , wenn man sich dazu äußern soll . Wir wollen den Brief nicht zitieren , denn das hat ja schon unser amtliches ungamdeutsches Blatt , die „ Neue Zeitung ”, in Nr . 16 / 2013 ( 19 . April 2013 ) getan und so werden wohl unsere Landsleute wissen , wovon die Rede ist .
Josef Michl , Bürgermeister von Totis / Tata war über den Brief bzw . die Entscheidung seines Freundes Brenner unangenehm überrascht und erregt . Er hat in einem Antwortschreiben alle Anklagen Brenners berührt und ausführlich widerlegt . Liest man diesen Brief , so kann man sich auch Gedanken machen und ... - vielleicht sogar zustimmen . Michl zitiert in seinem Brief - als Belehrung oder Mahnung - eine Passage aus der vor einem Jahr von den Partnerstädten Unterzeichneten Erklärung : „ Wir , die Bürger von Tata , Gerlingen , Szőgyén und Szováta , die diese Erklärung unterzeichnen , bekräftigen , dass wir nur durch direkte zwischenmenschliche Kontakte ein wahres Bild voneinander und dem jeweils anderen Land bekommen können , das nicht beeinflusst ist von politischen und nationalen Vorurteilen und globalen ökonomischen Interessen .” Brenners Einladung zum Bundes-
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