Sonntagsblatt 3/2013 | Page 3

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Das Schicksal des ungarländischen Deutschtums nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
oft vor oder nach dem regelmäßigen täglichen Unterricht , war ein bisschen mehr als nichts . Ein gewisser Aufschwung erfolgte durch die Gründung deutscher Klassenzüge an Gymnasien und Grundschulen und durch die Einführung des zweisprachigen Unterrichts . Kindergärten und Schulen konnten es jedoch mit dem sprachlichen Assimilierungs-Sog nicht aufnehmen .
Es liegt auf der Hand : Das ungamdeutsche Schulwesen spielt unter den heutigen Verhältnissen , der muttersprachlichen Beschaffenheit eine wichtige Rolle . Es muss auf Trab gebracht werden . Es wird seit langem darüber diskutiert und verhandelt , wie es auszusehen hat . Nach den anzuerkennenden vielen Vorlagen und Diskussionen braucht es dringend greifende Maßnahmen , ist es höchste Zeit , wirksame Schritte zu unternehmen , um eine wesentlich bessere Qualität zu erreichen . Beträchtliche Aufgaben fallen dabei dem ungarischen Staat und den deutschen Selbstverwaltungen zu . Auch die Hilfe des Mutterlandes muss sich noch mehr auf die Pflege der deutschen Muttersprache konzentrieren .
Nur wenn alle am Strang mitziehen
Damit ist es aber noch nicht getan . Die eigene selbständige Tat eines jeden Einzelnen darf nicht draußen bleiben . Zum Bekenntnis zur deutschen Nationalität muss die Verantwortung für die deutsche Muttersprache kommen . Dabei hat jeder sein Päckchen zu tragen . Ja , letztlich sind das Wollen , die Bemühungen der ungarndeutschen Bevölkerung ausschlaggebend . Wir alle müssen am Strang mitziehen . Nur so kann und wird es vorwärts , weiter aufwärts gehen .
Die deutsche Muttersprache ist für uns ein zentrales Anliegen . Sie zählt zu unseren höchsten Schätzen . Sie ist ein Vermächtnis unserer Vorfahren , die sie über viele Jahrzehnte treu gepflegt , hochgehalten haben . Jedes Vermächtnis verpflichtet die Nachkommen . Das haben wir , die Heutigen auf dem Kerbholz . Die deutsche Sprache hat nicht nur einen unersetzlichen ideellen Wert für uns . Fundierte Deutschkenntnisse bieten zunehmend eine unentbehrliche Chance für das Fortkommen im Leben , eine unumgängliche Voraussetzung beim Suchen und Finden eines entsprechenden Jobs und immer mehr auch für ein Studium an einer heimischen Hochschule oder Universität und schon ganz und gar für ein Studium in Deutschland , Österreich oder in der Schweiz . Immer mehr ungarländische Jugendliche studieren in diesen Ländern . Es liegt auf der Hand : Ungarndeutsche Jugendliche sollten erst recht von dieser Möglichkeit Gebrauch machen . Selbst in Ungarn wird die Zulassung zu einer höheren Bildung an Sprachkenntnisse geknüpft . Nicht zuletzt ergibt sich das aus der EU-Mitgliedschaft Ungarns .
Der Elan darf nicht erschlaffen
Erfahrungen lehren : Bei der Pflege der Muttersprache beginnt man am besten von klein auf . Und die Funktion der Familie , des Elternhauses kann durch den besten Kindergarten , die beste Schule nicht ersetzt werden . Wenn wir das Anliegen energisch angehen , können wir auch bei der Pflege , im Gebrauch der deutschen Muttersprache ein deutliches Zeichen setzen .
Die 2011 und früher so oder so die deutsche Volksgruppe stärkten , haben klargemacht , wo sie hingehören . Sie zählen zu den Wollenden und verdienen Anerkennung . Der Elan darf nicht erschlaffen . Dafür gibt es heute keine Gründe . Nur nicht locker lassen . Eher gilt es , aufs Tempo zu drücken . Wir alle können uns noch stärker für die Sache des ungarländischen Deutschtums einsetzen . Tun wir ’ s . Das steckt durchaus drin in uns .
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Das Schicksal des ungarländischen Deutschtums nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
Erschienen in der Festschrift „ 60 Jahre St . Gerhards-Werk ”, 2012 . Veröffentlichung durch freundliche Genehmigung von Rudolf Fath , GerhardswerklLandsmannschaft der Deutschen aus Ungarn Stuttgart .
Von Studiendirektorin a . D . Gerda M . Weidlein f
Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Ungarn zu dem einzigen Staat , der es trotz seines bis 1944 bestehenden Bündnisses mit dem Deutschen Reich unternahm , seine deutschstämmige Minderheit als Volksgruppe zu zerstören . Keine der zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen ist aus sich selbst heraus verständlich , denn alle waren vor dem Krieg schon gedanklich vorbereitet , teilweise sogar auch eingeleitet .
Die Leiden der ungarndeutschen Bevölkerung begannen sich zu verdichten , als die Deportationen nach Russland zur Zwangsarbeit anfingen . Am 22 . Dezember 1944 erging der sowjetische Militärbefehl Nr . 0060 über die Mobilisierung sämtlicher arbeitsfähigen Personen deutscher Abstammung für „ Wiedergutmachungsarbeiten ” im „ rückwärtigen Frontgebiet ”, die sich als jahrelange Zwangsarbeit in Russland entpuppen sollten . Ein Abkommen der ungarischen Regierung mit den russischen Militärbehörden schützte diejenigen Deutschen vor dem Arbeitsdienst , von denen die Beauftragten der ungarischen Regierung festgestellt und bestätigt hatten , dass sie trotz deutscher Namen
Sonntagsblatt als Ungarn zu betrachten seien . Die Gefangennahme der Deutschen durch örtliche ungarische Behörden begann schon vor dem
Waffenstillstandsabkommen vom 20 . 01 . 1945 und traf eine An-
2 3 zahl von Deutschen , die mit 44 000 " bis 80 000 angegeben wird . Die Verschleppung blieb bis in die späten 1980er Jahre hinein ein Tabu-Thema der ungarischen Geschichtsschreibung und deshalb ist noch nicht geklärt , welche Rolle die ungarische Seite bei den Verhandlungen über die Konzentration der Dienstverpflichtung auf Ungamdeutsche gespielt hat . Etwa 25 % der Verschleppten kamen nicht mehr zurück , die übrigen waren geschwächt , krank und fürs Leben gezeichnet .
Die Deportation von Ungarndeutschen in die Sowjetunion war die letzte schikanöse Großaktion , die nicht der alleinigen Verantwortung Ungarns zugerechnet werden kann , sondern u . a . verursacht war durch die Besetzung Ungarns durch die Rote Armee . Alle weiteren Repressalien gegen die Ungarndeutschen aber gingen von den ungarischen Parteien und Regierungen aus und können nicht den Alliierten angelastet werden , obwohl die ungarische Geschichts-Propaganda bei manchen davon in genau diese Richtung tendiert .
Als erstes suchte man die nationale Bodenpolitik zum Abschluss zu bringen . Die nach dem Ersten Weltkrieg gegen die Großgrundbesitzer geplante Bodenreform war in den feudalen Strukturen Ungarns stecken geblieben . Statt dessen hatte ein Kronratsbeschluss auf Vorschlag von Reichsverweser Horthy im Februar / März 1931 ein anderes innenpolitisches Ziel gesetzt , nämlich , die meist deutsch besiedelten Gebiete entlang der Grenzen und die Nationalitätengebiete in „ zuverlässige madjarische Hände zu geben ”.
( Fortsetzung auf Seite 4 )
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