Es bestand keine Pflicht , die Fragen bezüglich Nationalität und Muttersprache zu beantworten . Verhältnismäßig viele taten es auch nicht . Anders als bei früheren Datenaufnahmen konnte ein jeder den zugestellten Fragebogen selber ausfüllen oder die insgesamt 42 Fragen mit Hilfe des Internets oder des ins Haus kommenden Beauftragten beantworten .
Anspornende Umstände genutzt
Das Thema Volkszählung wäre bestimmt eine gründliche Analyse wert . Ich will mich in diesem Beitrag auf einige Aspekte beschränken . Wie ich es sehe , geht es , was das Bekenntnis betrifft , um einen Prozess , um einen langwierigen Prozess der Genesung . Rasend schnell ging es fürwahr nicht . Die Schweigsamkeit konnte nur mühsam aufgebrochen werden .
Es ist ein langer Weg , den wir beschritten haben . Seit dem Tiefstand nach Verschleppung vieler Ungarndeutschen nach Russland , nach Entrechtung , Enteignung und Vertreibung kamen wir nur allmählich aus der Verborgenheit hervor . Die Zeiten , als man uns als Volksgruppe zerreißen wollte , als wir uns ängstlich ducken mussten oder mindestens kleinlaut beizugeben hatten , schwanden langsam , aber stetig und sind heute vorbei .
Viele Deutsche , die die schweren Zeiten noch erlebten , sind nicht mehr unter uns . Und auch bei der Erlebnisgeneration vernarbten allmählich die Wunden und verminderten sich die Folgen . Die Eiszeit wich stetig auch bei ihnen einem wärmeren Klima . Für die heranwachsenden Generationen sind die damaligen Heimsuchungen Geschichte , die ihr Verhalten , ihr nationales Bekenntnis kaum beeinflussen .
Wir leben heute in einer anderen Welt , sind Bürger der Europäischen Union , in deren Dokumenten auch die Volksgruppenrechte - wenn auch nicht zur Genüge - verankert sind . Wir haben heute als ungarische Staatsbürger die gleichen Rechte und Pflichten . Wenn es um Politik , Wirtschaft , Kultur , um das Fortkommen im Leben geht , sitzen wir heute im gleichen Boot mit unseren ungarischen Mitmenschen . Die deutsche Volksgruppe hat sich wirtschaftlich erholt und genießt bei der Bevölkerung unserem Verhalten , unseren Leistungen angemessenes Ansehen .
Die jeweilige Verfassung , die Nationalitätengesetze und andere einschlägige Rechtsbestimmungen werden zwar kritisch eingeschätzt , aber es liegt auch an den Volksgruppen , wie sie die gebotenen Rechte und Möglichkeiten nutzen .
Im Ergebnis der Volkszählung widerspiegelt sich auch die Tätigkeit der längst nicht zufriedenstellenden Kindergärten und Schulen , der deutschen Selbstverwaltungen auf verschiedener Ebene , der deutschen Vereine , der Kulturgruppen und nicht zuletzt der deutschen Gottesdienste .
Die deutsche Volksgruppe pflegt seit langem durch gegenseitige Verwandtenbesuche , durch Reisen , durch Gemeinde- und Städtepartnerschaften , Schüleraustausche und Stipendien für kürzere und längere Studien vielseitige , ersprießliche Kontakte hauptsächlich zu Deutschland als Mutterland , aber auch zu anderen deutschsprachigen Ländern und zu deutschen Volksgruppen in Europa .
„ Gut gemacht , Deutschland ”
Deutschland hat seit geraumer Zeit Oberwasser , genießt in Europa und in der ganzen Welt zunehmend hohes Ansehen . Nach einer Umfrage der britischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft BBC steht Deutschland als das beliebteste Land der Welt da . Die BBC hat 26 000 Personen in 25 Ländern der Erde nach ihrer Sichtweise auf die EU und auf weitere 16 Länder befragt . In der Studie kam Deutschland mit einer Zustimmung von 59 Prozent auf Platz eins vor Kanada und Großbritannien . Bei der jüngsten Befragung lag Deutschland um drei Prozentpunkte höher als
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2012 . Selbst die deutschlandkritischen Briten gaben Deutschland die beste Note . Kein Wunder , dass jährlich Hunderttausende nach Deutschland ziehen . Besonders aus Ost- , Mittel- und Südeuropa , so auch aus Ungarn .
Die 1849 von Paul Julius Freiherr von Reuter in Aachen gegründete und 1851 nach London übergesiedelte verlässliche englische Nachrichtenagentur Reuters zitiert den Verfasser eines Kommentars : Gut gemacht , Deutschland . Sehr verdient . Aber deine Grammatik ist grauenvoll . Nun grauenvoll kann beliebig gedeutet werden . Die deutsche Grammatik ist wirklich nicht leicht , aber man kann sie erlernen . Dafür stehen viele Millionen Beispiele . Auch viele Briten eignen sie sich an . Sie ist durchaus geeignet , sich präzise auszudrücken . Und das fällt gegebenenfalls schwer ins Gewicht .
Das angesehene , in vielen Ländern verbreitete amerikanische „ Forbes ” -Magazin kürte Bundeskanzlerin Angela Merkel , die übrigens wegen ihrer Unnachgiebigkeit , ihres rigiden Sparkurses besonders in südeuropäischen Ländern heftig kritisiert wird , zur „ wichtigsten Frau der Welt ”.
Frau Merkel beehrte zusammen mit Bundespräsident Joachim Gauck die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bei ihrem Jubiläumskongress zum 150 . Geburtstag im historischen Leipziger Gewandhaus . Die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU fand anerkennende Worte zur Geschichte und zum Wirken der SPD , schüttelte die Hand ihres Herausforderers Peer Steinbrück und plauderte mit dem früheren SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder . Der jetzige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel begrüßte mit freundlichen Worten die Gäste , zu denen u . a . auch Vertreter des Bundesverfassungsgerichtes gehörten und unterstrich : Auch heute gebe es harten Streit zwischen den Parteien , aber keine Feindschaft mehr .
Ein solches Entgegenkommen der rivalisierenden Parteien und Politiker ist in Ungarn völlig undenkbar . Statt staatsmännischem Verhalten , statt die Gesamtinteressen des Landes und der Bürger vor Augen verfällt Ungarns politische Elite in Uneinigkeit , kleinliche Gehässigkeit und die andere Seite ausschließende Feindschaft . Darunter leidet das Land , das teilt leider auch die Bevölkerung und wirkt nachteilig auf die Stimmung im Lande .
Und jetzt auch noch die europäische Fußball-Dominanz , das weltweit verfolgte Champions-Liga-Finale mit zwei deutschen Meistern : München und Dortmund . Und das ausgesprochen im Londoner Wembley-Stadion .
Alles das und vieles andere mehr , darunter Europas stärkste Wirtschaft , lässt neben Anerkennung auch Neid auf Deutschland aufkommen . Mit Letzterem werden die Bürger Deutschlands wohl fertig werden . Ist es doch immer noch angenehmer und bess- | er , wenn man beneidet als bemitleidet wird .
Noch harte Nüsse zu knacken
Die Besorgnis um die deutsche Muttersprache darf nicht mit schönen Worten zerstreut werden . Da gibt es noch harte Nüsse zu I knacken . Stellt sich die Frage : Was ist zu tun ? Ich denke , bei den meisten richtet sich die Kritik zuallererst auf die Mängel im un- j garndeutschen Schulwesen . Da muss man erst einmal ausholen . Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Deutschunterricht von den Behörden kurzer- | hand , mit einem Federstrich in den meisten deutschbewohnten Orten abgeschafft . Die Folgen wirkten lange nach . Ich kann mich noch gut erinnern : Es wurde uns Schülern krumm genommen , wenn wir in den Pausen , auf dem Weg zur Schule oder auf dem Heimweg miteinander deutsch redeten . Wie hätten wir auch anders sprechen sollen ? Nicht das Ungarische , sondern die fränkische Mundart war uns geläufig , galt als unsere angestammte Muttersprache . Der spätere Deutschunterricht in drei - vier Wochenstunden ,
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