Sonntagsblatt 3/2013 | Page 19

Anwesenheit eines Menschen , dessen Nähe Verständnis und menschliche Wärme hätte spenden können . Zwar gab es Anlehnung , aber nicht immer in der dem Beruf gemäßen Form . Nur wer die Hölle der Securitate durchgemacht hat , wird den vollen Sinn dieser Worte erkennen .
Der Stress , der damals voll Besitz von mir ergriffen hatte , meldet sich immer wieder zurück . Fast monatlich stellen sich Depression ein . Schlaflosigkeit und die Unfähigkeit etwas Vernünftiges zu tun sind die Folge .
Am 11 . September 1973 kam Herr H ., ein Securitate-Offizier aus Temeswar , spät abends zu mir in die Pfarrei in Uiwar . Er brachte mir einen Reisepass . Wer hatte damals schon einen Pass !? Den zu erhalten war praktisch ein Gnadenakt der Regimes . Der mir vorgelegte Pass war auf mich ausgestellt und war mit einem Foto von mir versehen . Ich sollte meine Schwester in Österreich besuchen . Eine Fahrt in den Westen , welche Gnade !
Ich lehnte ab mit der Begründung , dass ich befürchte , man wird mich nicht mehr zurückkommen lassen . Dann nahm ich den Pass , zerriss ihn in zwei Teile und gab diese dem Genossen Offizier zurück . Zum Glück waren wir im Pfarrhaus , und nicht bei der Securitate . Doch ich wusste , was mir beim nächsten „ Treffen ” blühen wird . Mit Bangen dachte ich daran . Und ich täuschte mich nicht . Im Oktober sollte zu es zu einem ähnlichen „ Gespräch ” kommen wie jenes im Juli .
Es mutete sonderbar an , dass man mich im November nicht rief . Am 12 . Dezember 1973 tauchte Herr H . wieder bei mir auf . Es war am späten Abend . Er packte ein recht ordentliches Bündel Papiere auf meinen Schreibtisch aus , zog mal das eine , mal das andere heraus und las mir daraus vor . Kurzum : Am 16 . Januar 1974 sollte ich vor Gericht gestellt werden wegen Hetze gegen den Staat und Proselytismus ( religiöse Abwerbung ). Alles , was mein Rechtsanwalt , alles was der Staatsanwalt und alles , was sogar ich „ verlesen ” durfte bei diesem Strafprozess , war vorgeschrieben . Es war ein reiner Schauprozess . Ich sagte es Herrn H . auch , dass dies ein stalinistischer Schauprozess sei . Die Antwort war einfach : Genosse Pfarrer , der rumänische Staat hat zurzeit kein Interesse daran , einen römisch-katholischen Pfarrer vor Gericht zu stellen , darum sei er heute hier . Da hörte ich von ihm etwas , wovon ich überhaupt keine Ahnung hatte ! Zur selben Zeit verhandelte der rumänische Staat mit dem Vatikan . Es ginge , so Genosse H ., um die Wiederherstellung der 1950 einseitig abgebrochenen diplomatischen Beziehung . Ceausescu brauchte mal wieder ein neues „ Schaufenster ” für den Westen , um an Devisen zu kommen . Daher , so Herr H ., werden Sie am 16 . Januar um 8 Uhr vor Gericht gestellt , auf 5 bis 7 Jahre verurteilt und am Abend um 6 Uhr leben Sie nicht mehr ! Sagte es , schmiss die Papiere vor mich mit der Aufforderung , doch reinzuschauen , was ich auch tat . Nach 15 Minuten stand er auf , packte alles ein und verschwand . Beim Hinausgehen sagte er noch : Wir sehen uns aber noch einmal vor dem Gerichtstermin . Was in der Tat stattfand , als man mich zur Grenze geleitete .
Wollte er mich kleinkriegen ? Ich weiß es nicht und ich kann es auch nicht beurteilen , wie es ausgegangen wäre , wenn ich geblieben wäre . Am Abend des 13 . Januar 1973 wurde ich nach Neuarad begleitet , das heißt ich fuhr in meinem eigenen Peugeot 8 und sie begleiteten mich , damit ich gar nicht woanders hinfahren konnte . Die Fahrtroute wurde mir von am Rande stehenden Polizeiwagen , die mich anhielten , mitgeteilt . Am 14 . Januar um 3.30 saß ich mit einem kleinen Koffer und einem auf mich ausgestellten Pass im Zug Richtung Budapest-Wien ! Noch bevor meine Begleiter an der Grenzstation ( Kurtitsch ; Grenze zu Ungarn ) aus dem Zug stiegen , sagten sie mir deutlich und ernst : Es ist zu Ihrem Vorteil , wenn niemand etwas von Ihnen erfährt , denn unsere Hände reichen sehr weit ! Und verdanken Sie es dem Herrn Poggi ,
Sonntagsblatt dass Sie nicht schon morgen ein toter Mann wären . Poggi , das war der damalige Außenminister des Vatikans , der sich zur selben Zeit wegen den erwähnten Verhandlungen in Bukarest aufhielt . Da der Vatikan auf die Wiederherstellung der Rechte der durch den Staat auf Geheiß Stalins aufgelösten griechisch-katholischen Kirche pochte , zogen sich die Verhandlungen in die Länge . Zudem war auch eines meiner Probleme Thema der bilateralen Verhandlungen , eben das der Verletzung der Verfassung , indem ich gerade diese griechisch-katholischen Gläubigen auch mitbetreute , jeden Sonntag ihnen predigte , ihre Kinder taufte usw . Das tat ich , obwohl man von mir erwartete , dass ich diese Menschen aus der Kirche schicken soll .
Ich fuhr also in Richtung Wien und hatte keine Ahnung , wohin ich mich wenden sollte . Ich wollte nie in den Westen und hatte daher auch keinerlei Informationen , an wen ich mich nach meiner Ankunft wenden könnte . Ich blieb ein paar Tage in Wien , fuhr dann zu meiner Schwester in Schärding und meldete mich schon am 25 . Januar beim damaligen Weihbischof Alois Wagner in Linz . Am nächsten Tag war ich schon in Lenzing am Attersee Cooperator . Im August 1974 meldete ich mich dann doch in Nürnberg , um als deutscher Aussiedler anerkannt zu werden . Ab Oktober übernahm ich die erste Pfarrei in Deutschland .
Am 1 . August 1974 begann also mein Leben in Deutschland . Kaum angekommen , begann ich die Landsleute zu sammeln , gründete die HOG Gross-St . Nikolaus und lud zum ersten Treffen , das auch als Gründungstreffen gilt , im Oktober nach Ulm ein . Doch mit der Ankunft in Deutschland begann das schreckliche Spiel der Verdrängung des Erlebten in einer Heimat , die mich nicht wollte . Bereits im Februar 1976 lag ich mit einem Nervenzusammenbruch in Rottweil im Krankenhaus . Weitere Krankheiten stellten sich ein . 1981 siedelte ich über in die Schweiz . Mein physischer und psychischer Leidensweg war damit noch lange nicht zu Ende . Die Ärzte sprachen immer wieder von „ innerer Unruhe ” und „ Ausgebranntsein ”. Meine kirchlichen Arbeitgeber haben mir großzügig 2001 ein halbes Jahr „ Auszeit ” gewährt , aber danach gefragt , woher alles kommt , welches die Gründe sein könnten , hat keine Kirchenleitung , weder in Deutschland noch in der Schweiz . Bis auf den heutigen Tag . Auch schmerzt es heute noch , wenn ich hin und wieder von Banater Landsleuten höre , ich habe die Pfarrei verlassen und sei „ durchgebrannt ”.
„ Den steinigen Weg der Aufarbeitung jener schrecklichen Ereignisse habe ich noch nicht bis zu Ende beschritten . Ich muss weitergehen und das ist nicht leicht . Mit jeden offenen Wort über das , was mir in der Diktatur an Unrecht zugefügt wurde , entferne ich mich ein Stück vom großen Trümmerfeld , das die Securitate in den Menschen angerichtet hat ...” ( Adolf Fugei : „ In die Zeit gesprochen . Ausgewählte Texte und Meinungen . Eine Relecture ” ( Benedetto-Verlag , 2013 . S . 17 ff .)
Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft , und vom 18.10 . 1974 bis 12 . 03.1981 war Fugei als Pfarrverweser in Irslingen ( bei Rottweil ), Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig . Berufsbedingt überdieselte Adolf Fugei in die Schweiz und war zwischen dem 13 . 03 . 1981 und dem 01 . 10 . 1984 als Pfarrverweser Wangen bei Olten , Diözese Basel im Einsatz : Im Oktober 1981 erfolgte die Gründung der „ Gebetsgemeinschaft Lebendiger Rosenkranz ” und am 07.10.1983 per Decretum incardinationis ( Aufnahme ) in die Diözese Basel durch Bischof Dr . Otto Wüst . Es folgten anschließende Studien ( 14.10.1984 - 30 . 09 . 1989 ) an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg / Schweiz . Am 05 . 06 . 1985 erwarb Pfarerr Fugei das Diplom : Licentiatus in Theologia ( Diplomarbeit : „ Brief an eine diakonische Gemeinde ”) und wirk-
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