meines Lebens . Ohne Unterbrechung wurde ich Monat für Monat mittels eine Postkarte irgendwohin bestellt : Zum Passamt , zum Amt für Personalausweise , zum regionalen Sanitätsdienst , in irgendein Spital ( zu einem Krankenbesuch ), zur Bank . Und immer saßen dieselben Securitate-Offiziere da und warteten auf mich .
Man tat am Anfang immer sehr freundlich , wurde brutal , drohte und kehrte zur freundlichen Rede zurück . Ich glaube , ich sollte einige Szenen , die sich hier abspielten , als Anhang beschreiben , soweit ich mich noch an diese erinnern kann . Das Schlimme war jedoch , dass ich darüber mit niemand reden konnte bzw . durfte . Ein unverhofft ausgesprochenes „ verräterisches ” Wort hätte den sicheren Tod bedeutet . Das ging so bis September 1973 .
Im Frühjahr 1971 wendete sich das Blatt und mein Tod schien unausweichlich ! Erschwerend kam hinzu , dass die Frau des orthodoxen Pfarrkollegen so etwas wie Parteisekretärin der Gemeinde war - und ich Dummkopf mit naivem Vertrauen vor dem orthodoxen Pfarrkollegen meine Probleme mit der Securitate einmal anschnitt , worauf er durch sein Nicht-Reagieren mir klar machte , dass dies kein Thema für ihn sei . Die ( übrigens schon dritte ) Frau des Kollegen aber brachte dann scheinbar diese Worte an die „ richtige Stelle ”.
Ich beschrieb in meinem Büchlein „ Christen unterm Roten Stern ” ( Herder Verlag 1984 ) einige Szenen , die sich im Pfarrhaus abgespielt haben , als man einen Vorwand zu meiner Verhaftung suchte , indem man mir „ Proselytismus ” ( Taufen von Kindern nichtkatholischer bzw . griechisch-katholischer Eltern ) vorwerfen wollte .
Je mehr Zeit verging - es handelte sich um Monate - umso mehr spürte ich , dass diesen ungleichen Kampf vordergründig nur einer wird gewinnen können : Die Securitate . So fieberte ich schon gute zehn Tage mit angestrengten Nerven dem nächsten „ Treffen ” entgegen und spürte ein inneres Zittern noch bis zu zehn Tage danach . Wie lange werde ich es durchhalten können ? Diese Frage stellte ich mir immer wieder . Denn jedes Treffen lief nach demselben Muster ab : So gegen 15 Uhr kamen sechs „ Zivile ”, setzten sich mit mir an den Tisch . Das Gespräch drehte es sich um das „ Engagement ”, dann warf man mir vor , die Kinder griechischkatholischer Familien zu taufen , was ein Verfassungsbruch sei , und ähnliches . Man drohte , als man mir die Verpflichtungserklärung vorlegte , einige Mal sogar mit der Pistole an meinen Schläfen : Entweder „ Ihr Rom ” - oder „ Ihr Staat ”, in dem Sie leben , der Ihnen das Brot gibt ! Nun ja - ich war jung und während zehn Jahren in Alba-Julia mit Idealismus vollgestopft worden . Meine lakonische Antwort darauf war in den meisten Fällen : Nur los ! Abziehen ! Dann bin ich ein Märtyrer und du ein Mörder ! Einmal haute mir ein Offizier nach einer ähnlichen Aussage so „ mit Links ” und mit der Pistole in der Hand eins an die Wange , dass der Schuss zwar losging , doch hatte der auf der anderen Seite Stehende rechtzeitig die Pistole nach oben drehen können . Schade - ich wäre heute Märtyrer !
Die Kreuzverhöre dauerten in der Regel bis abends gegen 10 Uhr . Dabei ließ man mich zwischendurch in einem völlig verdunkelten Zimmer , mehrmals bis zu einer Stunde ganz alleine . War es vom Tonband oder war es Realität : Öfter hörte ich Menschen qualvoll schreien . Da saß man und zitterte ... und die Zeit verging nicht ! Nach einem Jahr begann ich es schon fast zu bereuen , Widerstand geleistet zu haben , denn ich bemerkte , dass es Kollegen gab , die wahrscheinlich ( ich sage : wahrscheinlich , da ich die Seelenlast niemandem aufbürden möchte , vor diesen Henkern kapituliert zu haben !) das so genannte Engagement unterschrieben hatten und denen es recht gut ging . Nicht zuletzt erhielten sie anscheinend auch die besseren Pfarrstellen , während ich mich in jungen Jahren mit einer 300-Seelen-Pfarrei begnügte .
Natürlich gab ich den Widerstand nicht auf , trotz des „ besseren ” Lebens einiger Kollegen , von denen einige das Priesteramt sehr bald aufgegeben haben .
Im Frühjahr 1973 begann ich eine Reihe von fünf Predigten über „ Das wahre Angesicht des Kommunismus ”. Heute weiß ich , dass dies jugendlich-naiv war . Aber ich konnte nicht anders , denn ich sah , wie alte Menschen vor Hunger dahinstarben . Es waren Menschen , denen man ihr ganzes Hab und Gut einfach verstaatlicht hatte , ohne irgendeine Entschädigung oder Aussicht auf eine Pension im Alter . Wie oft habe ich alte Menschen , ausgehungert bis auf Haut und Knochen , die Krankensalbung gegeben ! Nein , ich musste darüber predigen . Unter anderem sagte ich den Gläubigen , dass sie sich nicht genieren sollten , von der Ernte , die auf ihrem ehemaligen Felde wächst , so viel zu nehmen , wie viel sie zum Leben nötig hätten : „ Kommt mir aber ja nicht beichten : Ich habe gestohlen ! Der Staat hat zuerst euer Hab und Gut gestohlen ...” Ich ging mit gutem Beispiel voran . Am helllichten Tag ging ich mit einem Handwagen in die Kollektivwirtschaft und „ stahl ” mir den nötigen Kunstdünger für meine drei Gärten , die ich bearbeiten musste , um zu überleben - und natürlich auch für die Gläubigen !
Schon nach der zweiten Predigt kamen zwei Männer zu mir und berichteten mir , dass sie ab sofort jede Woche einen Bericht über mich zu schreiben hätten . Jetzt wusste ich , dass ich so richtig alles sagen kann , von dem ich wollte , dass es auch die staatlichen Behörden wissen sollten . Auch die Verhöre wurden von Mal zu Mal härter . Von Februar bis September 1973 gab es kein Verhör mehr ohne Prügel und Demütigungen . Diese Menschen mussten das Handwerk der Demütigung auf einer Uni gelernt haben ! Oft stand man nackt vor ihnen und wurde von allen Seiten angepöbelt , mal mit einem Gelächter gekitzelt und dann erhielt man zwischendurch einen brutalen Hieb mit einer Rute . Sau , Gottesferkel , Verräter waren nur einige Ausdrücke . Die Begleitflüche wiederhole ich natürlich hier nicht . Dann wurden die verschiedenen Foltermöglichkeiten „ vorgestellt ” ( nicht selten mit Fotos an halbtoten und toten Körpern dokumentiert ): Elektroschock , Galgen , im nassen Tuch in einer Zisterne hängend und um Gnade flehend . Jeder wollte den anderen übertreffen in der Schilderung jener Methoden , die auf jene warteten , die gegen die „ fortschrittliche sozialistische Gesellschaftsordnung ” hetzten . Nicht selten musste man seine Kleider auf dem Korridor aufraffen , nackt natürlich .
Das schlimmste Treffen dieser Art war wohl das vom 30 . Juli 1973 . Ich hätte am 28 . Juli in Temeswar sein sollen . Aber genau an diesem Tag wurde 60 Kilometer weiter meine Mutter beerdigt . Sie wohnte vorher fast vier Jahre bei mir im Pfarrhaus . Ich „ vernachlässigte ” somit meine „ staatsbürgerliche ” Pflicht des Kreuzverhörs und ging zur Beerdigung meiner Mutter .
Am 30 . Juli holte man mich mit einem Polizei-Jeep ab . In Temeswar wurde ich direkt ins Hauptquartier der Securitate gebracht . Hier hielt man mir folgendes vor : Nichtbefolgen der Anordnung der Staatsorgane am 28 . Juli 1973 . Der eine Scherge riss mir die Kleider vom Leib und eine Offiziersfrau drosch mit einer Weidenrute von oben nach unten und vorne und hinten mit voller Wucht auf meinen entblößten Körper ein . Ich schrie , aber nicht aus Schmerz , sondern bat darum , mich zu töten . Sonst sagte ich nie etwas , ganz gleich , wie sie mich peinigten . Es ging ja nur um einige Rutenhiebe , die das Ziel der Demütigung hatten . Diesmal aber ging es weiter , viel , viel weiter ! Man war scheinbar gewillt , mein Ende herbeizuführen ! Ich zittere heute noch am ganzen Leib , wenn ich nur daran denke .
In diesen Augenblicken verspürte ich schmerzhaft das Fehlen einer lieben Frau , der man sich anvertrauen hätte können , die
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