Einführung eines Gedenktages durch das ungarische Parlament zur Erinnerung an das Unrecht , das den Ungarndeutschen angetan wurde . Wörtlich heißt es : , J ) er 19 . Januar ist nun der offizielle Gedenktag für die kommunistische Vertreibung der Deutschen aus Ungarn ”.
Man muss es nur oft genug behaupten und in die Köpfe der Menschen einhämmem , irgendwann wird dann eine noch so plumpe Unwahrheit als historische Tatsache angenommen und geht als solche in die Geschichtsschreibung ein . Steter Tropfen höhlt den Stein .
Rechtsnationale Deutsche und rechtsnationale ungarische Protagonisten üben an diesem Punkt den Schulterschluss . Hierzu passt auch , dass die Deutsche Stimme in derselben Nummer wohlwollend verzeichnet , dass am ungarischen Nationalfeiertag am 15 . März der „ bekennende Patriot ” ( DS ), Reichsverweser Miklós Horthy , offiziell von der rechtskonservativen Regierung rehabilitiert und geehrt wurde . Wovon und warum diese Rehabilitierung erfolgte , wird verschwiegen . Kein Wort von Horthys autoritärem Führungsstil , dass in seiner Regierungszeit die ersten antijüdischen Gesetze ( Numerus Clausus ) in Ungarn erlassen und den Juden der Zugang zum Studium erschwert wurden , dass Horthy schon früh den Bund mit Hitler Deutschland suchte und fand , dass er das Land in den Abgrund führte und das Gegenteil eines historischen Vorbildes ist . „ Dieses historische Erbe ist der regierenden Fidesz-Partei und der bei 16 % der Wählerstimmen liegenden Partei Jobbik bewusst ”, schreibt genugtuend und anerkennend die Deutsche Stimme . Nachdenkliche Stimmen ( die es auch noch gibt ) vermelden bei so viel historisch aufgeladener rechtsnationaler Gesinnungsgemeinschaft eher Unbehagen .
Die Abschaffung von Mauern
Von Christine Schweighoffer
Das Budapestér Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete Ende April eine deutsch-ungarische Expertentagung über Perspektiven der Erinnerungskultur in Europa . Der Problemkreis wurde im imaginären Vordergrund eines emblematischen Denkmals , der - praktisch nicht mehr existierenden - Berliner Mauer angeschnitten . Ein Manifest , das für Trennung , Spaltung , „ den Geteilten Himmel ” won Körper und Seele 40 Jahre lang in die leere Luft emporragte , um vor vermutlichen Feinden die Sorgenkinder des Sozialismus zu schützen , wie es grob gesehen hieß . Die Mauer stand allerdings da , wohin sie die Eigenmacht und Intoleranz versetzten .
Wie man beim obigen Anlass aus dem Vortrag des Direktors der Gedenkstätte der Berliner Mauer - kurz Mauermuseum - erfuhr , steht heute ein Teilchen des vorhin beinahe gänzlich abgerissenen Betonwerks nach seiner Wiederherstellung aus Originalmaterial wieder an seinem Platz und dient zur besseren Darstellung bereits historischer Begebenheiten ( jedem sind dabei Bilder von den Anfängen der freieren Zeiten in Erinnerung , als Jugendliche von beiden Seiten und mit puren Händen ans Werk machten ...). Spricht man in Berlin vom Mauermuseum , denkt man nicht allein an die alten-neuen Überreste der Mauer , sondern an eine neulich errichtete Kapelle in seiner unmittelbaren Nachbarschaft . Sie bleibt zwar unter ähnlichen Neubauten der Moderne für religiöse Zwecke als beeindruckendes Gebäudeensemble im Gedächtnis haften , aber nicht die äußere Ausführung ist an ihr das besonders Bemerkenswerte . Die Kapelle im Zentrum Berlins wurde im berüchtigten ehemaligen Todesstreifen an der Mauer , auf der Stelle der früheren und vor der Wende gesprengten Versöhnungskirche errichtet . Die evangelische Kirche im neugotischen Stil wurde 1892 in der Bernauer Straße erbaut und musste 1985 (!), im ersten Jahr der Perestroika und zwei Jahre davor , als Mathias Rust mit seinem berühmt gewordenen Cesna auf dem Roten Platz landete , auf Anordnung der DDR-Regierung gesprengt werden . Eine Kirche im Todesstreifen war ja völlig überflüssig . Nachdem 1961 die deutsche Hauptstadt durch die Mauer geteilt worden war , konnte die Kirche die Gemeinde nicht mehr zusammenführen . Man nannte sie die Heimatlose Gemeinde , die erst 1965 ein neues Gemeindezentrum in der Nähe bekam . Eine Kirche , die in ihrem Namen an die lange Zeit so sehr vermisste Versöhnung erinnerte , durfte nicht mehr lange stehen . Ihre Bauherren hatten im ausgehenden 19 . Jahrhundert keinerlei Ahnung , welchen zusätzlichen semantischen Wert das Wort Versöhnung haben wird , nach zwei Weltkriegen und dem ganzen Ungeheuer des darauf folgenden Jahrhunderts . Selbstverständlich hat die 1999 erbaute Kapelle am Mauermuseum die frühere Benennung geerbt . Die sich umarmenden menschlichen Gestalten vor der neuen Kirche stellen die Geste der Versöhnung dar . Auch die Mauerreste wurden wieder nachgezeichnet , denn Mauerreste seien dazu geeignet - im Gegensatz zur ehemaligen Mauer - , Menschen zu verbinden , nicht aber zu trennen , so der Direktor des Mauermuseums .
Ungarische Referenten der Tagung sprachen über die gefährliche Kategorisierung der Gesellschaft in Rechte und Linke , die jahrzehntelange offene Feindseligkeit der beiden Lager Ungarns . Die Gefahren einer mental gespaltenen Gesellschaft sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen . Auch wenn keine Mauer , kein Stacheldraht mehr in Ungarn in greifbarer Weise vorhanden , existiert ein imaginäres Mauerwerk immer noch , welches sich dazu eignet , das Vertrauen von Mensch zu Mensch kaputt zu machen .
Zunächst wurde von den Rednern die deutsche und die ungarische Erinnerungskultur verglichen und auf den wunden Punkt gezeigt , wie widersprüchlich es ist , unter Verbrechen der Vergangenheit zu differenzieren . Immerhin hat man in Deutschland zumindest eine Zäsur gesetzt , um frühere Opfer und Verbrecher im sozialistisch eingerichteten östlichen Teil des Landes beim Namen zu nennen und nicht zuletzt voneinander klar zu trennen . Dazu gehörte ein jedem frei gewährter Einblick in die Stasi-Akten . Wir hätten hier noch vieles nachzuholen , wenn es überhaupt noch nachzuholen ist . Eine Realität , ein Tatbestand , wenn man es de jure ausdrücken will , bleibt zwar für immer wahr , doch kann mit dem Fortschreiten der Zeit an Aktualität wesentlich verlieren . Es gibt noch ein Mittel , um Tatsachen der Aufmerksamkeit zu entziehen : Die kontrollierte Wiederholung nämlich , wie es in Ungarn seit der Wende geübt wird ; etliche Konferenzen sind über Aktengeschichten und Mitspieler veranstaltet worden , ohne echte Schlüsse zu ziehen , Zusammenhänge für heute erkennen zu lassen . Und stets ohne jede Folgen für Amtsbekleidung , Person , wie auch immer . Ohne nur eine leise Entschuldigung gehört zu haben . So werden Konferenzen und Tatsachenliteratur allmählich zu Freizeitprogrammen und Lektüren degradiert . Durch eine Relativierung des roten Verbrechens kann vieles heute nicht mehr oder aber ohne eine dem Thema zumutbare Aktualitätsaussage erörtert werden .
In der Konferenz wurde auf eine zeitliche Verschiebung von Ost und West bei der Vergangenheitsbewältigung ebenfalls aufmerksam gemacht . In Berlin hat man die ganze Aktengeschichte mit den entsprechenden Schlussfolgerungen gründlich kennengelernt , bearbeitet , publiziert , gewisse Schlüsse gezogen und man macht sich gerade über die Besucherzahl des Berliner Mauermuseums Gedanken ( es schneidet übrigens nicht schlecht ab mit 700 000 Besuchern pro Jahr ). In Budapest kann man sich oft nicht einmal darauf einigen , wer eine Statue nach Ableben verdient , oder aber werden in Ergebnis eines gewissen Konsenses bereits enthüllte Monumente unterschiedlich bewertet . ( Fortsetzung auf Seite 12 )
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