bühne unter den Eichen vorgeführt werden . Dieser Samstag war zweifelsohne ein deutscher Wallfahrtstag . Ein Tag für die Ungarndeutschen des Ofner Berglandes . Ein segensreicher Tag .
Am Ende der Festmesse sang die aus der ganzen Umgebung versammelte Pilgerschar wie iiim Stein peworden zwei althergebrachte , besonders schöne Marienlieder , im Anschluss daran die Päpstliche Hymne „ Wo Sankt Petrus ” mit deutschem Text , und zum Schluss die ungarische wie die ungarndeutsche Volkshymne . Die ungarische Hymne wurde dabei ebenfalls mit dem Originaltext - d . h . ungarisch - gesungen . Das Aufeinanderfolgen der beiden Marienlieder und der drei Hymnen hatte etwas ganz Natürliches . Die Melodien wurden mit demselben Nachdruck und Emotionsgehalt gesungen , ohne dass man den geringsten Unterschied hätte verspüren können , ob die Anwesenden sich mit der einen oder anderen mehr oder weniger identifiziert hätten .
Jedes Lied hatte seinen Platz in den Herzen der Pilger . Man könnte sich fragen : Wieso hätte die ungarische Hymne nicht auf Deutsch gesungen werden können ? Weil sie eben keine entsprechende , von dem dichterischen Niveau her dem Original gleichzustellenden deutschen Übersetzungstext hat . Man könnte als Analogie und historisches Beispiel die Kaiserhymne „ Gott erhalte unsren Kaiser ... ” nehmen : Sie hatte ja noch zu Monarchiezeiten zahlreiche Übersetzungen , etwa der Anzahl der Monarchievölker entsprechend , die alle „ ihren ” Kaiser und König in der Muttersprache preisen durften . Ja , das durften sie zwar , wollten aber in der Vormärzepoche nicht mehr , dann war ihnen die Sprache der Reformer , der späteren Märzjugend - in den Städten der Monarchie neben Deutsch immer mehr auch als Lingua Franca - oft lieber . Kein Wunder , dass der neue , noch in der Reformzeit um 1823 entstandene Text der Hymne aus den stürmischen Jahrhunderten des ungarischen Volkes 1844 mit der preisgekrönten Musik von Franz Erkel ( einem von deutschem Vater und ungarischer Mutter abgestammten Julaer ) gerade in Klausenburg zum ersten Mal spontan von der Öffentlichkeit der dreisprachigen Stadt gesungen wurde . Ein nächstes Mal kam es in Pressburg , ebenfalls einer typischen Dreivölkerstadt der Donaumonarchie , zu einer ähnlich spontanen Aktion . Diese könnten noch als Zufälle angesehen werden , gäbe es keine Statistiken über die Beteiligung unterschiedlichster Volksgruppen in der Märzrevolution - dabei stellten sich besonders viele Deutschstämmige an die Seite der Revolutionäre - , und hätten nicht abertausende
Deutsche in Ungarn , mitunter besonders viele aus kleinen , rein deutschen Ortschaften , 1848^49 als Aufständische für die Unabhängigkeit ihrer gemeinsamen ungarischen Heimat gekämpft . Ein verrostetes Schwert mit einem Trikolor am Griff wurde im Geheimen noch lange auf dem Dachboden aufbewahrt . Und in der Kirche durfte nach der Niederlage 1849 die erst 1903 auf den Rang der amtlichen ungarischen Staatshymne gehobene Dichtung von Kölcsey und Erkel gesungen werden . Bis zum Ausgleich 1867 war jedoch das öffentliche Mitsingen des mit der Zeit zur echten Volkshymne gewordenen Kunstliedes strengst verboten , den Sängern drohte ein Haftaufenthalt in Kufstein . Trotzdem galt fortan die Hymne als Gebet der „ Nation ”. Man kann heute darüber den Kopf schütteln und meinen , es sei kaum nachvollziehbar , bis zu welchem Grad dieses Verständnis für andere Ethnien der Monarchie annehmbar war . Zweifelsohne sangen aber manche - darunter viele Deutschstämmige - schon immer mit , wenn es um gemeinsames Revoltieren gegen fremde Unterdrückung ging . Die Hymne wurde zum Symbol der Freiheit und der Zusammengehörigkeit . Nach wie vor ein guter Grund mitzusingen .
Als die Hymne zur Staatshymne wurde , nahm zwar ihr rebellischer Charakter ab , verlor ihn gänzlich doch nicht . Nach dem Ausgleich war es mit der Rebellion der Ungarn tatsächlich vorbei , aus ihnen wurde das beneidete Partnervolk der Personalunion . Die Österreicher wussten , was sie taten : Hebe das eine unter den Besiegten hervor , und alle anderen werden es hassen , ohne sich gegen den Status Quo zu wenden . Divide et impera , hieß es bei den begabten Vorfahren . Der Kaiser hat sich jedoch grob verrechnet und die ganze
Monarchie musste für diese Politik büßen . Besiegt , geschlagen , geschrumpft - die Zeit des Gebets für die Heimat ist wiedergekommen . Dann kamen die verrückten Jahre , wo nicht einmal Hymnen von drohenden Ideologien verschont geblieben sind , um sie zu Eigenzwecken zu missbrauchen oder aber sie gänzlich abzulehnen , wo sich Pangermanenfahnder und völkische Scharen entgegenstellten , um dann von der hungrigsten Horde hinweggefegt zu werden .
Der Missbrauch von Hymnen und Begriffen rechtfertigt ein heutiges Missverständnis nicht . Wollte man die ungarische Hymne in einem einengenden Bedeutungsfeld nur für echte Ungarn verwenden , rechtfertigt dies ihre heutige Ablehnung nicht , da die wahre Bedeutung der Hymne dann genauso außer Acht gelassen wird . Haben einige unserer Vorfahren Fehlverhalten auf den Tag gelegt , ist es noch kein Grund für die Ablehnung der von ihnen missbrauchten Werte . Kein Grund , einander und sich selber noch mehr zu verletzen . Ablehnung , Missachtung , Abgrenzung sind letztlich Vorwände , hinter denen man sich prächtig verstecken kann , und sagen , es ist nicht zu machen , der ungarische Nationalismus ( und die Vergeltungs- und Gleichschaltungsbestrebungen im Sozialismus ) hat / haben uns ruiniert ( von den Vergeltungs- und Gleichschaltungsbestrebungen des „ Regime ” gar nicht zu sprechen ). Wage man die Vorwände beiseite zu schieben und hervorzutreten , könnte einem auffallen , dass der tatsächlich vorhandene ungarische Nationalismus uns kaum daran hindern könnte , uns gegen den heutigen Status Quo der rechtlichen , verwaltungstechnischen , sprachlich-kulturellen , religiösen und moralischen Misere der Ungarndeutschen zu rebellieren und zumindest das Nötigste selber zu unternehmen , was man doch noch könnte . Es ist unsere Wahl , ob die Symbolik der ungarischen Hymne in einem ausgrenzenden Kontext verstanden wird , oder aber als Symbol für etwas Höheres , Vereinendes . Wobei das Vereinende keine Selbstaufgabe bedeutet . Mit einem eigenen , typischen Charakterschlag , aber vereint im Gebet für die Heimat . Soviel und nichts mehr ... Ohne jeden Argwohn im Begriff , sondern wie die 1956er sie mit einem Willen gesungen haben . Es ist zu hoffen , dass man noch im Stande ist , dabei eine Heimat , wie sie sein müsste , zu visionären . Einfach „ die Heimat in der Höhe ".
Mit Hymnen hatte man in Ungarn in den letzten Jahrzehnten wenig Glück . Schon gar nicht mit mehrsprachigen Gesängen . Die Internationale und die sowjetische
( Fonsetzung auf Seite 30 )
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