Sonntagsblatt 3/1998 | Page 8

Vor 65 Jahren

Fortsetzung tier Eebe bonißrof . Br . Jakob Pieper

gehalten im ungarischen parlament am 9 . jflat 1933
Die Schule mit C-Typus aber können wir als Minderheitsschule nicht anerkennen , wie sie auch keine Minderheit der Welt als solche anerkennen würde . Am allerwenigsten würden sie die ungarischen Minderheiten in den abgetrennten Gebieten - und zwar mit vollem Recht - als solche anerkennen . ( C-Typus von damals entspricht unserer heutigen “ Schule mit Muttersprache-Unterricht ”. Bem . d . Red .)
Nun fragt es sich , wie weit die Regierungsverordnung und die diese ergänzende Durchführungsverordnung ins Leben gerufen wurde , daß heißt , wie sich in den elementaren Volksschulen unserer deutschsprachigen Gemeinden der Zustand betreffs des Unterrichtes in der deutschen Muttersprache tatsächlich stellt . Dieser Zustand ist leider alles andere als zufriedenstellend . Laut dem im Herbst 1928 in der Presse veröffentlichten Ausweis des Ministerpräsidiums waren in 390 Gemeinden 463 sogenannte Minderheitschulen eingeführt , wovon 49 , also 10,6 % A-Typen , 98 also 21,2 % B- Typen und 310 , also 68,2 % C-Typen darstellten , und somit der wirkliche Unterricht in der Muttersprache - auch auf dem Papier - bloß zu 30 % vorhanden ist ."
Ministerpräsident Graf Bethlen hatte zur selben Zeit , als dieser Ausweis veröffentlicht wurde , in feierlicher Form versprochen , die Schulen mit C-Typus stufenweise zu B-Typen umzuwandeln , und ter C-Typus sollte nur in solchen kleinen gemischten Gemeinden bleiben , wo wegen der geringen Kinderzahl Schulen mit nur einer Lehrkraft vorhanden sind . Ministerpräsident Graf Bethlen führte dieses Versprechen 1-2 Jahre lang tatsächlich durch , dann aber geriet die Durchführung ins Stocken , und seither hat sich die Lage nicht gebessert , sondern auf der ganzen Linie stark verschlimmert , wie dies aus dem Statistischen Jahrbuch über die Regierungstätigkeit des Jahres 1931 auch datengemäß hervorgeht .
Obwohl Se . Durchlaucht , der Herr Reichsverweser bei Eröffnung des jetzigen Reichstages in Aussicht stellte , die Regierung werde auf die Durchführung der zum Schutz der Minderheiten bestehenden Rechtsnormen und auf die
Forderung des Unterrichtes in der Muttersprache besondere Sorgfalt verwenden , haben die Regierungen , die seither die Geschäfte führten , dennoch diesbezüglich recht wenig , ja gar nichst getan .
In Wirklichkeit bestehen die Schulen mit A-Typus nahezu nur entlang der Westgrenze ; die mit B-Typus sind zahlenmäßig stark zurückgegangen , auch schon deshalb , weil sie an vielen Orten zum C-Typus herabgesunken sind , die Deutschsprachigkeit der Schulen mit C- Typus - im Gegensatz zur Verordnung - an den meisten Orten sich darin erschöpft , daß daselbst nur von der dritten oder vierten Klasse ab und bloß in wöchentlich zwei Stunden notdürftig Deutsch-Lesen und -Schreiben unterrichtet wird .
Es gibt aber außerdem noch zahlreiche Gemeinden , wo die Zahl der Kinder mit deutscher Muttersprache die vorgeschriebene Zahl von 40 übersteigt und Deutsch gar nicht unterrichtet wird . Allerdings gibt die Verordnung neben den Schulstühlen und Gemeinderepräsentanzen auch den Eltern der schulpflichtigen Kinder das Recht , unter den einzelnen Typen zu wählen . Doch besteht dieses Recht eigentlich nur in der Theorie , denn die sogenannten Elternkonferenzen werden , auch wenn sie stattfinden , zumeist von solchen Pfarrern oder Notären geleitet , die jederlei deutschem Unterricht , sogar auch dem C-Typus feindlich gegenüberstehen . Im Endergebnis wird durch eine solche Elternkonferenz entweder der Friede des Dorfes aufgewühlt oder der Wille der Dorfpotentaten diktatorisch zur Geltung gebracht .
Diese Elternkonferenzen sind die gewissen Hintertüren , die in der Minderheitenpolitik eine so große und so traurige Rolle spielen . Ehrliche und aufrichtige Absicht betreffs des Volksschulunterrichts hatte bloß der Gesetzartikel 38 v . J . 1868 , wo im § 58 angeordnet wird : " Jeder Zögling solle den Unterricht in der Muttersprache erhalten , sofern diese Sprache zu den in der Gemeinde üblichen Sprachen gehört ".
Zu diesem traurigen Zustand der elementaren Volksschulen unserer deutschsprachigen Gemeinden kommt als erschwerender Umstand noch hinzu , daß aus den Kindergärten - wieder die Gemeinden Westungarns ausgenommen - die Muttersprache der Kinder meistens ganz ausgeschaltet ist ; ebenso ist sie auch aus den Wiederholungsschulen ausgeschaltet . Wir halten es für ganz natürlich , daß die Kommandosprache der Levente- Institution ungarisch ist , aber es widerläuft dem Interesse der heiligen Sache , daß aus dem Levente-Unterricht , sogar aus dem Verkehr die deutsche Sprache - mit wenigen Ausnahmen - geradezu verpönt ist . ( Bajcsy Zs . E .: Warum wollen Sie nicht gleich auch für die Soldaten deutsches Kommando ?) Besonders schmerzlich ist die Tatsache , daß man in vielen katholischen Schulen nicht einmal die Religion in der Muttersprache unterrichtet , ( Bajcsy Zs . E .: Vielleicht deutsche Regimenter ?) in der das Kind zuerst beten und Gott kennengelernt hat ; ferner auch der Umstand , daß in der Schule das deutsche Gebet und der Kirchengesang nicht gepflegt werden . Dadurch ist das Kind in religiöser Hinsicht vom Elternhaus , von der Mutter losgetrennt , und die Jugend wird aus der uralten Gemeinschaft des Seelenlebens ausgeschlossen . Dieser Ausschluß wird hauptsächlich auch dadurch herbeigeführt , daß man für die Schulkinder und Lcventes an vielen Orten besondere Messen abhält , in denen weder dem deutschen Gebet , noch dem deutschen Kirchengesang , noch der deutschen Predigt Raum gegeben wird .
So wird eine tausendjährige heilige religiöse Überlieferung vernichtet , die von Geschlecht zu Geschlecht überging und die sicherste Grundlage des sittlichreligiösen Lebens eines Volkes bildet . Dies kann nur einen tiefen religiösen Niedergang zur Folge haben , der sich an vielen Orten leider schon handgreiflich zeigt . ( Lärm . - Peyer-Karl : Gelt , schwer zu schlucken !) Die angeführte Regierungsverordnung Bethlens , die Gesetzeskraft hat , verspricht , die Regierung werde dafür Sorge tragen , daß in den von ihr zu bezeichnenden Bürger- und Mittelschulen für die zu einer Minderheit gehörenden Schüler der Unterricht ganz oder zum Teil in hierzu aufgestellten Parallelklassen in ihrer Muttersprache erfolgen soll . Auch dafür verspricht die Regierungsverordnung zu sorgen , daß die zur Durchführung dieser Anordnungen notwendigen Lehrkräfte in genügender Zahl ausgebildet werden . Demgegenüber verhält es sich tatsächlich so , daß es keine einzige derartige Bürger- oder Mittelschule und keine einzige Lehrerbildungsanstalt gibt , wo für die deutschen
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