Sonntagsblatt 3/1998 | Page 4

Bundestagsbeschluß vom 29 . Mai 1998 Dokumentation

Auf Antrag der Fraktion der CDU / CSU und F . D . P . faßte der Bundestag am 29 . Mai 1998 folgende Entschließung :
Vertriebene , Aussiedler und deutsche Minderheiten sind eine Brücke zwischen den Deutschen und ihren östlichen Nachbarn .
Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten stellt für die Bundesrepublik Deutschland und für ganz Europa eine große Chance dar . Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Mittel- und Osteuropa werden durch den Beitritt unserer Nachbarn zur Europäischen Union und zum Atlantischen Bündnis dauerhaft gefestigt . Wir nähern uns damit Schritt für Schritt dem gemeinsamen Ziel einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung für ganz Europa .
Die deutschen Heimatvertriebenen , die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Aussiedler , aber auch die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa haben sich von Anfang an zu der Politik der Öffnung für die Staaten in Mittel- und Osteuropa bekannt und diesen Prozeß aktiv mitgestaltet . Heute erleben wir , daß die Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5 . August 1950 Wirklichkeit wird , in der sich die Vertriebenen bereits wenige Jahre nach Krieg , Flucht und Vertreibung für ein Europa ausgesprochen haben , " in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können ".
Der deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf , ihre beständige Politik gegenüber der deutschen Heimatvertriebenen , Spätaussiedlern und deutschen Minderheiten im Osten aktiv fortzusetzen und die berechtigten Anliegen dieser Gruppen auch weiterhin wirksam zu vertreten .
1 . Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein , die deutschen Heimatvertriebenen , Aussiedler und die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa beim Zusammenwirken Deutschlands mit seinen östlichen Nachbarn möglichst umfassend einzubeziehen . Der Deutsche Bundestag begrüßt die Einbeziehung der Repräsentanten der Sudetendeutschen in die durch die deutsch-tschechische Erklärung vom 21 . Januar 1997 geschaffenen Einrichtungen . Die Mitwirkung maßgeblicher Vertreter der Sudetendeutschen im Verwaltungsrat des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds und im Koordinierungsrat des deutschtschechischen Gesprächsforums sind ein wichtiger Beitrag zur Aussöhnung und Verständigung sowie für einen fruchtbaren Dialog zwischen Deutschen und Tschechen .
2 . Schon während der politischen Wende in Ostmittel- , Ost- und Südosteuropa , besonders jedoch nach dem Fall von Mauer und Stacheldraht haben sich die deutschen Heimatvertriebenen nachhaltig um Kontakte in ihre angestammte Heimat und zu den dort lebenden Menschen bemüht und vielfältige Unterstützung geleistet . Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine einmütige Entschließung vom 28 . Februar 1997 zum " Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Wiederaufbau in Deutschland und zum Frieden in Europa ". Das Zusammenwachsen Europas erleichtert schon heute die Pflege deutschen Kulturgutes in den Heimatgebieten der Vertriebenen . Der Deutsche Bundestag begrüßt , daß sich immer mehr staatliche und private Einrichtungen in Mittel- und Osteuropa , vor allem auf dem Gebiet der Wissenschaft , Kunst und Kultur mit dem dort erhaltenen deutschen Kultur- und Geschichtserbe beschäftigen und engagiert mit Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland , darunter besonders denen der Heimatvertriebenen , Zusammenarbeiten . Er erwartet , daß Bund , Länder und Kommunen dies auch künftig fördern .
3 . Der Deutsche Bundestag hat im Zusammenhang mit den vertraglichen Vereinbarungen mit den Staaten Mittelund Osteuropas , zuletzt bei der Ratifizierung des deutsch-polnischen bzw . deutsch-tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrages , bekräftigt , daß im Zuge der Aufnahme unserer östlichen Nachbarstaaten in die Europäischen Union und in die NATO europäische Grundfreiheiten selbstverständlich und unabdingbar für alle Bürger in den alten und neuen Mitgliedstaaten , also auch für die deutschen Heimatvertriebenen Geltung haben müssen .
Der Deutsche Bundestag hegt dir Hoffnung , daß die mit einem Beitritt Tschechiens und Polens zur Europäischen Union einhergehende Übernahme des gemeischaftlichen Besitzstandes durch die neuen Mitglieder die Lösung noch offener , bilateraler Fragen erleichtern wird . Dies schließt das Recht auf Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit ein . Sie sind wesentliche Elemente , um das Ziel eines einigen Europas der Vielfalt zu verwirklichen , in dem Völker und Volksgruppen mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Traditionen einträchtig Zusammenleben können , unter Berücksichtigung der historischen Gemeinsamkeiten und bei wechselseitiger Achtung und Förderung der jeweiligen Identität . Sie sind damit auch Elemente , die geeignet sind , die Folgen von Krieg und Vertreibung überwinden zu helfen .
4 . Vertreibung darf kein Mittel der Politik sein . Der Deutsche Bundestag teilt deshalb die Auffassung der Bundesregierung -wie auch aller früheren Bundesregierungen- , die die im Zusammenhang mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte Vertreibung von Deutschen aus ihrer angestammten Heimat stets als großes Unrecht und als völkerrechtswidrig angesehen und auch so bezeichnet hat . Er fordert die Bundesregierung auf , sich auch weiterhin im Dialog mit den Regierungen unserer östlichen Nachbarstaaten für die legitimen Interessen der Heimatvertriebenen einzusetzen .
5 . Für eine dauerhafte europäische Friedensordnung ist die Lage von Minderheiten von entscheidender Bedeutung . Diese können eine wichtige Brücke zwischen den europäischen Staaten und Völkern sein . Die in Europa beheimateten Minderheiten und Volksgruppen können ihrer Brückenfunktion um so eher gerecht werden , je mehr sie in ihrer kulturellen , sprachlichen , religiösen und ethnischen Identität respektiert und geschätzt werden . Der Deutsche Bundestag begrüßt , daß das Rahmenübereinkommen des Europarates vom 1 . Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten , das im Jahr 1997 auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde , am 1 . Februar 1998 in Kraft getreten ist . Dabei gibt der Deutsche Bundestag seiner Hoffnung Ausdruck , daß auch unsere östlichen Nachbarn , wie z . B . Polen , Lettland und Litauen , dieses Dokument alsbald ratifizieren werden . Ebenso wie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates vom 5 . November 1992 , die sich gegenwärtig in Deutschland im Ratifizierungsverfahren befindet , wird die Rahmenkonvention dazu beitragen , die rechtliche Lage auch der deutschen Volksgruppen und Minderheiten in Mittel- und Osteuropa weiter zu verbessern und abzusichern , sowohl im Hinblick auf ihre Rechtsstellung und politische Vertretung wie auch im Hinblick auf die Pflege ihrer Kultur und Sprache . In diesem Zusammenhang fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf , ihre Politik zur Unterstützung der deutschen Minderheiten in Mittel-
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