Sonntagsblatt 2/2024 | Page 6

den durch den evangelischen Glauben , während die Schattendorder katholisch sind . Ursprünglich habe man sich in Agendorf um eine Straßenverbindung mit Grenzübertrittsstelle nach Loipersbach bemüht , aber daraus wurde eine Grenzübertrittstelle in Schattendorf .
Ich verabschiede mich von Schattendorf und laufe zurück zum Wagen auf der ungarischen Seite . Dabei spielt der Poller verrückt und senkt sich und hebt sich sofort wieder , um sich wieder zu senken . „ Der ist wieder beschädigt worden ”, sagt daraufhin ein Schattendorfer , „ der funktioniert gar nicht ”. „ Leben und leben lassen ”, fällt mir darauf ein . Jedenfalls lassen sich Realitäten schwer durch Zäune und Poller verdrängen .

SEIT 75 JAHREN : „ MACH MIT !”

Zu Besuch auf dem Heimattag der Siebenbürger Sachsen
Von Richard Guth
„ Leiw Saksaunnen och leiw Saksen ! Ech fräöe mech , dat mer es weder hae an deser hoeschen Stadt Dinkelsbühl traefen , och dat mer zesummen den Geburtsdäuch vun eaosem Verbond feiren toerfen . Ech woanschen Oech ugenaöm och gloaklech Fairdaich ”, mit diesen Worten auf Siebenbürgisch-Sächsisch begrüßte Rainer Lehni , Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen , die nach Dinkelsbühl angereisten Siebenbürger Sächsinnen und Sachsen , um den 75 . Geburtstag des Verbandes zu feiern , und wünschte allen einen schönen Pfingstsonntagsfeiertag .
Es ist seit Jahrzehnten Tradition , dass sich Siebenbürger Sachsen einmal im Jahr , am langen Pfingstwochenende , zum Heimattag in Dinkelsbühl versammeln , um Freunde und Bekannte zu treffen und den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu demonstrieren . Es gelang dabei eine Demonstration vom Feinsten : Mehr als 100 Kulturgruppen - in Kreisverbänden und Heimatortsgemeinschaften ( HOG ) organisiert - mit 2800 Trachtenträgern zogen im Rahmen des traditionellen Festumzugs durch die mittelalterlichen Gassen der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl ; sie ist seit 75 Jahren Gastgeberin des Treffens . Über eine Stunde lang durfte man die Trachtenvielfalt des Nösner- und Burzenlandes rund um Bistritz beziehungsweise Kronstadt sowie die des Königsbodens rund um Hermannstadt bewundern . Das war eine Demonstration im 75 . Gründungsjahr , die auch ein Oktoberfestumzug beneiden würde . Eindrucksvoll wurde auch die Rolle der Jugend demonstriert , die einen beachtlichen Teil des Umzugsvolkes stellte .
Die Gespräche im Anschluss widerlegten das Vorurteil , es handele sich um eine rein „ bőgatyás ” Demonstration mit folkloristischen Elementen : Såchs zu sein scheint auch in derjenigen Generation Siebenbürger
Sachsen noch ein fester Bestandteil der Identität zu sein , deren Mitglieder bereits in der Bundesrepublik geboren wurden . Und auch die Sprache als identitätsstiftender Faktor darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben : „ Für uns war Rumänisch eine Fremdsprache , bis heute spreche ich nur gebrochen die Sprache ”, erzählte mir ein Mann Ende 60 , der in den 1980ern die „ süße Heimat ” verlassen hat . Bei vielen der Jüngeren macht sich die „ Migrationsgeschichte ” - die viele ganz unsentimental beim Namen nennen - mittlerweile bemerkbar : So verstünden sie noch Sächsisch , sprächen aber im Alltag nur noch Hochdeutsch . Und tatsächlich : Bei der Generation der Über-50-Jährigen , die noch in Siebenbürgen geboren wurden , hört man auf den Dinkelsbühler Gassen vornehmlich Sächsisch – mit ein Ziel der verstreut lebenden Angereisten , wieder Sächsisch zu reden . Bei den Jüngeren offenbart sich – gerade untereinander – ein differenzierteres Bild .
Das Jahr 2024 biete Anlass zum Feiern und Gedenken , und zwar in mehrfacher Hinsicht , hob Bundesvorsitzender Rainer Lehni in seiner Festansprache am Pfingstsonntag hervor : Vor 800 erhielten die Sachsen von König Andreas II . einen Freibrief , den man bis heute als Adreanum bezeichnet . Dadurch erhielt die Volksgruppe eine politische Selbstverwaltung ( sächsische Stühle ), die bis ins 19 . Jahrhundert Bestand hatte . Vor 80 Jahren fand zudem die Evakuierung der Sachsen aus dem Nösnerland statt . Dies stellte ein wahrlich trauriges Ereignis dar und läutete nach Eindruck vieler die Auflösung und den Untergang des Sachsentums in der alten Heimat ein . Lehni wies mehrfach auf das Motto des Verbandes ( Tradition , Netzwerk , Gemeinschaft ) hin und betonte dabei die Bedeutung der Gemeinschaft , denn nur „ gemeinsam können wir uns für die Interessen unserer Gemeinschaft einsetzen ”. Der Bun-
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