Sonntagsblatt 2/2024 | Page 5

gerne wissen und bekomme eine prompte Antwort : „ Die Eltern des Bürgermeisters leben an der Straße unweit der Grenze und sie wollten den Lärm und den vielen Verkehr nicht weiter hinnehmen .” Dass es auch Glücklichere gibt , zeigt das Beispiel einer älteren Frau aus Agendorf , die in Schattendorf arbeitet . Sie besitzt eine Bewilligung für 160 Euro für zwei Jahre ( 63.000 Forint , wovon sie 140 Euro in Schattendorfer Geschäften einlösen kann ) und siehe da , der Poller senkt sich und macht den Weg frei in das zwei Kilometer entfernte Agendorf . Die Frau ist heilfroh , nicht über Klingenbach einen Umweg fahren zu müssen , denn gerade freitagnachmittags sei der Weg zurück aus Österreich besonders beschwerlich – und tatsächlich : Autokolonnen schlängeln sich durch das Nadelöhr Anschlussstelle A3 bei Eisenstadt bis Ödenburg , als ich nach meinem Besuch in Schattendorf in die Gegenrichtung fahre .
Wir befinden uns im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet , lange Sperrzone , das aber seit der Wende zusammengewachsen ist . Ungarische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pendeln nach Österreich zur Arbeit - so auch ein Großteil der Agendorfer - , in die andere Richtung fahren Österreicher um einzukaufen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen . Der Einkaufstourismus habe nach Eindruck der Schattendorfer aber nachgelassen , nachdem die Preise in Ungarn das österreichische Preisniveau erreicht oder gar überflügelt hätten , so zwei Renternerinnen auf dem Weg in den Friedhof . Einkaufstourismus erfolge nicht nur in eine Richtung : Die örtliche Billa-Filiale erfreue sich großer Beliebtheit bei den Ödenburgern und Agendorfern - jedenfalls bis zur Errichtung der Poller an der Grenze , bewacht von einem Polizeicontainer , der heute aber verwaist ist .
„ Es ist ruhiger geworden , seitdem die Poller stehen , der Verkehr war schon enorm ”, berichtet ein Rentner , den ich an einem der Einfamilienhäuser in der Ortsmitte treffe . Eine junge Ungarin , die in Schattendorf arbeitet und schönstes Österreichisch spricht , sieht zwar die Problematik mit den Pollern , aber scheint sich mit der Situation zu arrangieren . Genauso wie die ungarischen Arbeitnehmer ,
SoNNTAGSBLATT die auf ihre Weise versuchen sich mit der Sperre zu arrangieren . Dabei haben sich beide Seiten der Grenze zu einem Parkplatz verwandelt : private Pkws auf der ungarischen Seite und oft Firmenwagen auf der österreichischen . Das Auto auf der ungarischen Seite abstellen , die paar Meter zu Fuß auf die österreichische Seite ( die Straße wurde zur Fußgängerzone erklärt ) und rein ins andere Auto - auch wenn die Schattendorfer Gemeindeverwaltung durch die Errichtung von 180-Minuten-Kurzparkzonen und Parkverbotszonen der legendären Kreativität der Schwäger eine Riegel vorschieben will ! Das Ergebnis sei ein Katz- und Maus-Spiel , so der Eindruck der Schattendorfer , die mit stoischer Ruhe das Geschehen beobachten . Am Ende des Arbeitstages dann in die andere Richtung oder man wird auf der österreichischen Seite abgeholt , wie eine junge Ungarndeutsche aus Agendorf , die ihren Weg mit dem Schwager fortsetzt . Sie ärgert am meisten , dass durch den Poller auch das zarte Pflänzchen partnerschaftlicher Beziehungen zerstört werde - und dann fällt ganz schnell der Name des früh verstorbenen Agendorfer Lokalpatrioten Andreas Böhm . „ Typisch Politiker , obwohl ich immer sage , leben und leben lassen ”, verabschiedet sich die junge Frau .
Politiker , die , so der Eindruck der bereits erwähnten jungen Ungarin , eigene Präferenzen hätten : Diese liege bei dem jetzigen Bürgermeister , Vater zweier Kinder , eindeutig bei den Kindern . Und tatsächlich handelt sich bei der Gemeindestraße an der Grenze um keine breite Hauptstraße – zumal liegen direkt an dieser Straße Kindergarten , Friedhof , Kirche und Pflegeheim eng beieinander . „ Welches Kindergartenkind läuft alleine über die Straße ?”, fragt sich wiederum schmunzelnd die junge Frau und deutet die wahre Stoßrichtung der Maßnahme an . Sie könne den Unmut der Agendorfer verstehen , schaut man sich die Zahlen an : Etwa 250 Schattendorfer besäßen eine Durchfahrtsberechtigung , während unter den Agendorfern nur an die 35 ; die beiden Gemeinden sind zahlenmäßig etwa gleich groß . Auch das eine Beobachtung der jungen Frau : Die Beziehungen zwischen Agen- und Schattendorfern seien nie so eng gewesen , wie unter den Agendorfern und Loipersbachern - wohl verbun-
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