Sonntagsblatt 2/2024 | Page 3

sind auch viele Freundschaften zwischen den Menschen der jüngeren Generationen entstanden . Darin liegt für mich die Zukunft . Wenn es uns gelingt , diese jungen Menschen für gemeinsame grenzüberschreitende Projekte zwischen Deutschland , Ungarn und den Ungarndeutschen zu gewinnen , kann das ein Baustein sein , um den Fortbestand unserer Traditionen und unseres Brauchtums zu sichern sowie die Erinnerung an unsere Geschichte lebendig zu halten .
Insofern bleibt für mich die Wahrnehmbarkeit unserer LDU - gewissermaßen auch als Bindeglied - eines unserer wichtigsten Themen . Dieser Herausforderung stelle ich mich von Anfang an als Bundesvorsitzender unserer LDU .
SB : Laut Homepage verfügt die LDU über drei Landesverbände - angesichts der doch größeren Zahl vertriebener Ungarndeutscher und deren Nachkommen insbesondere in Südhessen stellt sich die Frage , warum es in Hessen keinen Landesverband gibt ? Hat die fehlende organisatorische Präsenz in den neuen Ländern wiederum historische Gründe - trotz 50.000 vertriebener Deutscher , die Ende der 1940er in die Sowjetisch Besetzte Zone kamen - ?
JA : Ich weiß , dass es in Hessen eine große Anzahl von Nachkommen heimatvertriebener Ungarndeutscher gibt . Als ich das Amt des Bundesvorsitzenden 2017 angetreten habe , gab es allerdings bereits keine organisierte Dachorganisation einer LDU in Hessen mehr .
Ähnlich verhält es sich mit den Ungarndeutschen in Sachsen . Diese konnten sich erst nach 1990 offiziell organisieren und haben ihren Platz dabei direkt unter dem Dach des Bundes der Vertriebenen ( BdV ) gefunden .
SB : Die Organisation eines Großereignisses wie die des Bundesschwabenballs verlangt einem viel ab - auf wen konnten beziehungsweise können Sie sich dabei stützen ?
JA : Der Bundesschwabenball ist und bleibt für uns das Mega-Event im Veranstaltungskalender der Ungarndeutschen in Deutschland , an dem wir auch weiter festhalten wollen . Alleine mit dem ehrenamtlichen Engagement des LDU-Bundesvorstandes wäre eine Organisation aber heute überhaupt nicht mehr möglich .
Wir können uns deshalb überaus glücklich schätzen , dass die Stadt Gerlingen bereits 1969 mit großem Weitblick eine Patenschaft über den Landesverband der LDU in Baden-Württemberg übernommen hat und über 50 Jahre später immer noch voll und ganz hinter dieser Patenschaft steht .
Ganz konkret bedeutet dies , dass ohne die Unterstützung der Stadt Gerlingen ein solches Großereignis wie der Bundesschwabenball nicht durchführbar wäre . Nur durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Stadt Gerlingen , dem Landesverband der LDU in Baden- Württemberg und dem großen ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder des LDU-Ortsverbandes Gerlingen ist es möglich , den Bundesschwabenball auszurichten .
Ich bin davon überzeugt , dass wir alle davon profi-
SoNNTAGSBLATT tieren . Für uns ist Gerlingen jedenfalls zur inoffiziellen Hauptstadt der Ungarndeutschen geworden .
SB : Unter den Gästen saß auch die Vorsitzende der LdU , Ibolya Englender-Hock - wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem Selbstverwaltungsorgan der Deutschen in Ungarn ?
JA : Ich glaube , wir haben eine sehr enge und sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit auf der höchsten Ebene unserer Organisationen etablieren können . Gerade durch die Erneuerung unserer Vereinbarung zwischen der LDU in Deutschland und der LdU in Ungarn im Oktober 2021 weisen wir ganz konkret auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Teile unserer Volksgruppe hin . So ist es uns gelungen , ein sichtbares Zeichen dafür zu setzen , dass wir immer noch zusammengehören . Wir - die beiden Vorsitzenden Ibolya Hock-Englender und ich - bringen auch immer wieder zum Ausdruck , dass wir die zwei Seiten ein und derselben Medaille symbolisieren . Deshalb ist es uns auch so wichtig , bei unseren größten Veranstaltungen in Deutschland und Ungarn persönlich anwesend zu sein . Hierzu zählen für uns u . a . der Bundesschwabenball der LDU in Gerlingen und die Landesgala der LdU in Budapest oder Fünfkirchen .
SB : Sie sind selbst oft Gast in Ungarn , dem Land , aus dem Ihre Eltern vertrieben wurden - wie betrachten Sie die Lage der Deutschen in Ungarn , wo sehen Sie besondere Herausforderungen , die den Fortbestand bedrohen können ?
JA : Auch in Ungarn gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einen „ großen Knick “ bei den Ungarndeutschen , der mit Identitäts- und Sprachverlust einherging . Im Gegensatz zu uns Ungarndeutschen in Deutschland gibt es in Ungarn heute aber das Alleinstellungsmerkmal der deutschen Muttersprache wieder , die identitätsstiftend wirkt . Wenn wir uns dessen bewusst bleiben , schaue ich zuversichtlich auf die Zukunft der Ungarndeutschen .
Auch hier möchte ich ganz konkret werden . Ich freue mich , wenn ich im Heimatort meiner Vorfahren im Vereinshaus der Deutschen wieder die deutsche Sprache höre - und nicht nur , weil man diese in der Schule gelernt hat , sondern weil man sich zwischenzeitlich wieder damit identifiziert .
SB : Sie sind Sohn vertriebener Deutscher aus Elek , Komitat Bekesch - inwiefern waren Herkunfts- und Vertreibungsgeschichte in Ihrer Familie als Thema familiärer Gespräche Teil des Alltags sowie außerdem die Eleker Mundart und die Traditionen ?
JA : Ich bin mit der Sehnsucht meiner Familie nach der alten Heimat groß geworden . Bei Familienfeiern kam die ganze Großfamilie zusammen . Deshalb ist mir der Klang unserer über Jahrhunderte gewachsenen Mundart - einer Mischung aus dem Fränkischen und dem Hohenlohischen - , die die Alten gesprochen haben , nicht fremd . Das hat natürlich im Lauf der Jahre durch das Wegsterben der Großelterngeneration und durch eine vollständige Integration in der Bundesrepublik abgenommen . Dennoch versuchen meine Frau und ich traditionelle Werte und Bräuche aus dem Leben der Un-
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