Sonntagsblatt 2/2024 | Page 2

LEITARTIKEL

BRÜCKEN BAUEN IN DIE

ZUKUNFT

LDU-Bundesvorsitzender Joschi Ament im Sonntagsblatt-Gespräch
Das Sonntagablatt war Mitte April in Gerlingen zu Gast beim 67 . Bundesschwabenball der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn ( LDU ). Wir sprachen im Anschluss an die Flaggschiffveranstaltung der LDU mit Joschi Ament , dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft , über das Erbe der Ahnen , die aktuelle Verfassung der LDU und die zukünftige Rolle des Verbandes . ___________________________________
SB : Sie wurden vor sieben Jahren zum Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn ( LDU ) gewählt und gehören einer Generation an , deren Vertreter bereits in Deutschland geboren wurden - nach Klaus Loderer sind Sie der zweite Vorsitzende aus dieser Generation . Inwiefern hat sich die LDU in den letzten zwei Jahrzehnten „ in der Hand “ der Vertriebenen-Nachfolgegeneration verändert ?
JA : Mit der politischen Wende in Osteuropa zu Beginn der 1990er Jahre änderten sich auf einmal viele Denkweisen . Ich bin in diese Umbruchphase - als Jahrgang 1971 - hineingewachsen . Der europäische Leitgedanke eines friedlichen und freiheitlichen Europas stellt deshalb für mich heute immer noch eine der wichtigsten Errungenschaften in meinem Leben dar . Stellen Sie sich vor , auf einmal war für uns junge Menschen ein unbürokratisches Reisen in ganz Europa möglich !
Aber auch die Sichtweise auf unser Vertreibungsschicksal veränderte sich auf einmal . Es war möglich , in Ungarn offen über erlittenes Leid und erfolgtes Unrecht zu sprechen . Ich erinnere mich , als ich zu Beginn der 2000er in Elek eine Ansprache zum Gedenken an die Vertreibung der Ungarndeutschen gehalten habe . Anschließend kam eine Frau auf mich zu und sagte zu mir : „ Joschi , für diese Rede wärst Du noch vor einigen Jahren verhaftet worden !“
Als dritten Punkt möchte ich Altbundeskanzler Helmut Kohl zitieren : „ Die Gnade der späten Geburt “. Gerade wir - die bereits in Deutschland geborenen Ungarndeutschen - kennen Gott sei Dank das Schicksal der Vertreibung nur aus Erzählungen und haben es nicht selbst erleben müssen . Ich glaube deshalb schon , dass die Zeit gewissermaßen die Wunden heilt . Wir haben aber die Aufgabe , immer wieder auf unsere Narben hinzuweisen , um bei diesem Bild zu bleiben .
In Summe sind das meines Erachtens drei ganz wesentliche Elemente im Allgemeinen - und für mich im Besonderen - , die unsere Arbeit innerhalb der LDU in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten mitgeprägt haben .
SB : Beim 67 . Bundesschwabenball in Gerlingen säumten die Reihen überwiegend Vertreter der Erlebnisgeneration und der Generation der Kinder - inwiefern stellt die Gewinnung Jüngerer eine Herausforderung für die Landsmannschaft dar ?
JA : Aus meiner Sicht ist es gerade der Erlebnisgeneration nach dem Krieg nicht ausreichend gelungen , die Folgegenerationen aktiv in die landsmannschaftliche Arbeit mit einzubeziehen . Aus damaliger Sicht ist das für mich aber auch nachvollziehbar , stand doch die Integration in den 1950er und 1960er Jahren im Vordergrund , und deshalb ist das auch gut so . Vielleicht war später aber auch die eine oder andere Heimatortsgemeinschaft nicht mutig genug , neue Wege zu gehen .
Das ermöglicht aber meines Erachtens heute auch Chancen . Viele Städtepartnerschaften sind durch die Initiative heimatvertriebener Ungarndeutscher vor allem in den 1990er Jahren entstanden . Dort
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