Sonntagsblatt 2/2024 | Page 17

bund fehlenden volksdeutschen Fachkräfte ersetzt würden – meinen sowohl Loránt Tilkovszky als auch Norbert Spannenberger . Inwiefern die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Modernisierungsschub mit der willfährigen Billigung einer reichsdeutschen nationalsozialistischen Einflussnahme oder gar ( und vielmehr ) mit einer NS-fremdenpolitischen , invasiven Durchdringung verbunden war , wurde allerdings in der Geschichtswissenschaft bis heute noch nicht zufriedenstellend geklärt .
Im April 1941 trat „ Horthy-Ungarn “ auf der Seite des nationalsozialistischen Deutschen Reichs in den Krieg gegen Jugoslawien ein - das heißt hier in den Weltkrieg . Irma Steinsch galt meiner Meinung nach exakt ab diesem Monat offiziell als eine der aus dem Deutschen Reich importierten Volksbund-Fachkräfte zur „ Modernisierung “. Sie wurde nämlich in demselben Monat zur Leitung der neu errichteten sogenannten Statistischen und Wissenschaftlichen Abteilung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft Wien ernannt , welche im Budapester Sitz des Volksbundes der Deutschen in Ungarn untergebracht wurde . Nun betätigte sie sich also grundsätzlich von Budapest aus mit der Erledigung ihres erweiterten VoMi-Auftrages , nämlich der Zuarbeit zur rassenhygienischen Neujustierung des Gemeinwesens im ganzen Donau-Karpatenraum durch Umsiedlungen sowie Umvolkungen .
Es ist meiner Ansicht nach von großer Bedeutung , dass Steinsch ab diesem Zeitpunkt in Budapest eigentlich - aber getarnt - als Abteilungsleiterin „ Statistik , Wissenschaft “ der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und Publikationsstelle arbeitete , offiziell - aber nur nebenbei - als Leiterin der neu gegründeten Abteilung „ Volkswissenschaft “ des Volksbundes der Deutschen in Ungarn . Sie war im von Adam Schlitt ( 1913 – 1990 ) geführten Hauptamt für Volkstumsschutz eingegliedert und formell mit dem Dienst der allgemeinen Volksbildung betraut . Das heißt , Steinsch sollte dort wissenschaftliche und allgemeinbildende Vorträge für die örtlichen Volksbundgruppen organisieren sowie den Wissensstand des Deutschtums in Ungarn zu historischen , geografischen , rassenbiologischen und weltanschaulichen Gegenständen heben – beweisen Barbara Bank und Sándor Őze . Steinschs Position im Volksbund entsprach meiner Überzeugung nach einer Leiterin der rassisch-nationalsozialistischen Bildungsarbeit ( NS-Agitation und -Propaganda ). Meine Gewährspersonen haben mir diesbezüglich unisono zugesichert , dass Steinsch damals unter den Ungarndeutschen außerhalb der Leitungsebenen der zeitgenössischen minderheitenpolitischen Organisationen ( wie des Volksbundes bzw . des vormaligen Volksbildungsvereins und der „ Treuebewegung zu Ungarn “) sowie außer bei Honoratioren der Gemeinden weitestgehend unbekannt geblieben war . Sie verfügte zwar über regionale Volksbund-Verbindungsleute oder -Stützpunktleiter , verkehrte allerdings persönlich und unmittelbar mit „ einfachen “ Ungarndeutschen auf dem Lande kaum - im Einklang mit dem nationalsozialistischen Prinzip der sogenannten Führer-Auslese . Meiner Meinung nach war für sie als Social Engineer und Ethno-Managerin der allumfassende Zugriff auf die ungarndeutschen Gemeinden der Vergangenheit und der Gegenwart
SoNNTAGSBLATT von Bedeutung - ebenso auch auf noch lebende oder bereits verstorbene Einzelpersonen scheinbar oder tatsächlich deutscher Herkunft . Dieser Zugang wurde ihr , der „ ausgebildeten Statistikerin des Volksbundes “, im bzw . durch das Amt für Volkswissenschaft ohne Aufsehen gewährt .
Ich bin von Folgendem überzeugt : Die „ Expertentätigkeit “ von Irma Steinsch und der anderen , vom Volksbund nach Ungarn importierten „ Berater “ bestand im Wesentlichen darin der Volksdeutschen Mittelstelle der SS zuzuarbeiten . Grundlage dieser Arbeit war eine von dem laufenden Eroberungskrieg motivierte reichsdeutsche nationalsozialistische Lebensraumplanung , -gewinnung und -gestaltung . Diese war verbunden mit reichsdeutschem nationalsozialistischem Volksgruppen-Management . Alle Maßnahmen sind auf Kosten der territorialen Integrität aller Staaten und der Souveränität aller Völker des Donau-Karpatenraumes zu verstehen und zu identifizieren .
Der ehemalige Volksgruppenführer wollte vor dem Volksgericht 1945 verständlicherweise verschleiern , dass Steinsch 1941 – 1944 in ihrer Eigenschaft als zweifache Abteilungsleiterin im Wesentlichen ein Bindeglied zwischen der Volksdeutschen Mittelstelle der SS in Berlin ( bzw . der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft und Publikationsstelle Wien ) und dem Volksbund der Deutschen in Ungarn bildete .
Ungarn wurde ( unter anderen wegen dessen Bestrebung nach einem Sonderfrieden ) am 19 . März 1944 vom nationalsozialistischen Deutschen Reich besetzt . Der Volksbund der Deutschen in Ungarn wurde gleichzeitig - sowohl konzeptionell-funktionell als auch personell-organisatorisch-strukturell - umgestaltet . Irma Steinschs „ Amt für Volksforschung “ blieb trotzdem im „ Hauptamt für Volkstumsschutz “ eingegliedert . Sie inszenierte und propagierte ihren NS-Kampfdienst ab März 1944 Reichsdeutschen gegenüber als Teil der wichtigsten Volksbund-Bestrebung : Jede nur verfügbare Kraft war zur Bewältigung der infolge der Okkupation Ungarns „ riesengroß angediehenen “, „ vordringlichen und kriegswichtigen Arbeiten “ einzusetzen . Wie unter anderen Andrea Dunai es betont : Steinsch beteiligte sich zwischen dem 5 . und dem 8 . Mai 1944 mit zwei bis drei ihr zur Verfügung gestellten Volksbundmitarbeiterinnen aktiv an der Plünderung von 22 Budapester jüdischen Antiquariaten und Buchhandlungen . Diese Plünderung wurde von SS-Hauptsturmführer und Gruppenleiter VI G im Reichssicherheitshauptamt ( RSHA ) Wilfried Krallert persönlich geplant und geleitet . Ferner half Steinsch ihrer eigenen Schilderung nach seit April 1944 im Volksbund bei der Durchführung der Aufstellung der ungarndeutschen Männer für die dritte – erzwungene - Waffen-SS-Aktion mit .
Ob Irma Steinsch Ungarn 1944 mit dem Sonderkommando VI G verließ oder es mit anderen tat , muss gegenwärtig - in Ermangelung diesbezüglicher Quellen - offen bleiben . Sie gelangte am Ende des Krieges oder nach dem Krieg in die US- Besatzungszone Deutschlands . Dort gab sie sich als geflüchtete Budapester Universitätsassistentin - sprich als ungarndeutsche Akademikerin - aus .
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