Sonntagsblatt 2/2024 | Page 15

artigen Trachten , welche oft die mitgekommenen Großmütter noch trugen . Dank des vererbten Fleißes und unserer Sparsamkeit haben sich viele Parier ein altes Haus gekauft , es modernisiert und jede Möglichkeit genutzt , um sich mit den wichtigsten Lebensmitteln in der schwierigen Nachkriegszeit selbst zu versorgen . Die Nachkommen haben Berufe erlernt , die damals gebraucht wurden und die es ihnen somit ermöglichten , eine eigene Familie zu versorgen . Manche haben studiert , geheiratet und sich gut in der neuen Heimat eingelebt . Deine Tante hat mir sogar erzählt , dass sie Schwierigkeiten mit Deutsch in der Schule hatte , da sie zu Hause die ungarndeutsche Mundart gesprochen haben und Hochdeutsch verstand sie am Anfang nicht . Wir Schwaben sind sehr fleißig und durch unseren Fleiß konnten wir uns auch über Wasser halten . Die Vertriebenen fanden aber bald auch eine Arbeit und verdienten ihr tägliches Brot damit . Es war nicht einfach , denn in vielen Familien fehlte das Oberhaupt , war in Gefangenschaft oder galt als im Krieg verschollen . Folglich mussten die Frauen einer Arbeit nachgehen . Viele fanden eine Stelle in einer Fabrik , arbeiteten als Näherin oder gingen in den Wald Setzlinge zu pflanzen .
“ Und was ist mit den Hiergebliebenen ? Es sind doch nicht alle vertrieben worden ?”
“ Tja … Wir gingen unserem täglichen Leben nach . Das vorherige Gesellschaftsleben in Pari war zerstört , unsere Identität vernichtet , geplagt von Schicksalsschlägen . Viele trauerten um ihre Verstorbenen oder hofften auf das Wiedersehen . Und es geschah auch , dass ehemalige Soldaten noch in den 1950er Jahren zurückkehrten . Mitten in der Bevölkerung war ein gewisses Misstrauen zu spüren . In Pari wurden Ungarn ( Madjaren ) aus Siebenbürgen und dem ehemaligen Oberungarn angesiedelt , denen die Parier am Anfang nicht vertrauen konnten .
Politik mischte sich ins Leben ein und das erschwerte die Zwangsabgabe der landwirtschaftlichen Produkte .
Unsere Muttersprache wurde nicht mehr in der Grundschule unterrichtet . Die Mundart zu sprechen , blieb nur im Familienkreis übrig . Es war auch eine schwierige Entscheidung seitens der Eltern , das Einverständnis zu Mischehen zu geben . Das führte auch in einigen Familien zu Spannungen oder Tragödien . Eins kann ich dir aber sagen . Wir mussten beweisen , dass wir gute Ungarn sind - und das haben wir auch getan .“
“ Uroma , das war tatsächlich eine schwierige Zeit für euch und allen , die das miterleben mussten .”

IRMA STEINSCHS NS-KAMPFDIENST IM VOLKSBUND DER DEUTSCHEN IN

UNGARN 1939 – 1944

( Ausschnitte aus dem Vortrag auf dem Stiftungsfest der „ Suevia Pannonica “ Vereinigung ungarndeutscher Akademiker , Haus der Heimat Stuttgart , am 13 . April 2024 )
Von Krisztina Kaltenecker
Der ehemalige „ Volksgruppenführer “ Franz Anton Basch ( 1901 – 1946 ) führte nach der Niederlage Ungarns im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1945 in seinem Volksgerichtsprozess in Budapest zu Irma Steinschs Person , Anstellung und Tätigkeit im Volksbund der Deutschen in Ungarn grundsätzlich falsch und irreführend aus :
„[…] Dr . Irma Steinsch [ führte K . K .] bei uns die Ahnenforschung der Mitglieder durch […]. Sie war Angehörige des deutschen wissenschaftlichen Instituts , bekam von dort ihre Bezahlung , während sie bei uns halbtags arbeitete . Sie war deutsche Staatsbürgerin . Wir mussten sie , die deutsche Staatsangehörige , engagieren , weil wir für diesen Posten keinen geeigneten ungarischen Bürger gefunden hatten .“
Aufgrund der Überlieferung des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts Budapest ist es nämlich zweifellos festzustellen , dass die gebürtige Schlesierin Irma Steinsch ( 1906 – 1996 ) keine Angestellte dieser Institution war . Vielmehr war sie ( getarnt als „ Universitätshörerin “ und „ Doktorandin “) ab
SoNNTAGSBLATT
1936 / 1937 die von der Reichsjugendleitung über die Volksdeutsche Mittelstelle der SS ( VoMi ) nach Ungarn beorderte Mitarbeiterin der Volksdeutschen Kameradschaft für die organisatorische Erfassung und Beratung der deutschen Mädchen und Frauen . Doch ihre Leitungsambitionen gingen über die „ Frauenarbeit “ ( verstanden als NS-Indoktrinierung und -Mobilisierung ) in den deutschen Gemeinden Ungarns von Anfang an weit hinaus . Als „ Kameradin “ wollte sie die „ Volkswerdung ” der Deutschen in Ungarn unter Beanspruchung und Inanspruchnahme der Hilfestellung des Deutschen Reichs effektiv vorantreiben . Auch wollte sie der Volksdeutschen Kameradschaft reichsdeutsche Wissenschaftshilfe zu deren Autonomiebestrebungen erteilen .
Nach ihrer Promotion bewarb sie sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft Berlin um ein zweijähriges Forschungsstipendium in Wien . Vor dem Hintergrund des von Deutschland am 1 . September 1939 mit dem Polenfeldzug entfesselten Zweiten Weltkrieges war die Deutsche Forschungsgemeinschaft Berlin allerdings nur unter
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