Dies ist umso erstaunlicher , weil die Gemeinde in Westungarn liegt und allein durch die Arbeitsmigration der Kontakt zum Nachbarland Österreich rege ist . Wenn auch hier Englisch einen Siegeszug feiert - was oft seltsame Blüten trägt , wenn man dann bei der Berufswahl feststellt , dass der Nachwuchs wie die Eltern doch im Nachbarland sein Glück sucht und es ohne Deutsch gerade in den bei ungarischen Pendlern beliebten Berufen kaum geht - , sprechen sehr viele die Sprache der Schwäger . Man könnte meinen , dass es sich hier um das offizielle Sprachrohr einer ungarischen Kommune handelt und man ja auch solche Bürger über das Innenleben der deutschen Gemeinschaft informieren will , die der deutschen Sprache nicht mächtig sind .
Mag sein , aber warum verfahren die Kroaten anders und geben ihrer Muttersprache den Vortritt ? Eine Erklärung liefert womöglich ein Interview mit der kroatischen Redakteurin , deren Mann ein waschechter Kroate aus dem Mutterland ist . Darin spricht sie von der Bedeutung der bewussten Pflege des Spracherbes der Vorfahren und zitiert dabei einen Bekannten von ihr , der gesagt haben soll : „ Über alles ( berichten ), aber auf Kroatisch !”
Eine Erkenntnis , die auch uns zu denken geben könnte : Das Gesangsbuch der Kroaten soll die identitätsstiftende Rolle des Glaubens und der kroatischen Sprache unterstützen . ( Glaubens ) Praxis und Sprache sollen also Hand in Hand gehen als Ausdruck einer lebendigen Sprachwirklichkeit , wo man auf den Veranstaltungen die Gäste – auch die eigenen Leute unter ihnen – auf Deutsch begrüßt , untereinander deutsch kommuniziert und Deutsch keine lästige Pflichtübung ist . Sprache lässt sich dabei stets erlernen , Sprachkenntnisse lassen sich jederzeit erweitern und vertiefen . Keiner braucht mehr mit der restriktiven Sprachpraxis der Nachkriegszeit zu kommen - langsam 80 Jahre danach .
Dabei haben die Multiplikatoren wie die deutsche Redakteurin des Blattes eine Vorbildfunktion . Diese gilt es wahrzunehmen - ungeachtet sprachlicher Realitäten . Positive Beispiele dafür gibt es zum Glück zuhauf - sogar auf derselben Zeitungsseite .
KLATSCHTANTEN UND BEIFALLHUSAREN
Von Robert Becker
Sein eigenes Leben macht man sich nicht immer selber schwer , wobei man im Rückblick betrachtet , eigene Mitschuld dessen zum Trotz oft ohne Mühe entdecken kann . Hindernisse aller Art können jedoch nur im seltensten Fall einfach den Umständen in die Schuhe geschoben werden , konkreten Menschen aber , die diese Verhältnisse oft unter zu anerkennender Mühe herbeigeführt und mit dem Anspruch , über das Mittelmaß ihrer Horizonte hinaus niemanden vordringen zu lassen , eigens geschaffen haben , schon . Dies ist das wahre und unverfälschte Osteuropafeeling , wo man sich selbst als biegsamen Untertan in den Klub der Diener , sei es durch Schmeicheln mit langer Zunge oder durch Aufmerksamkeiten , Gefälligkeiten aller Art , durch die Rücknahme seiner eigenen , wahren Gesinnung , damit eine Hand wasche die andere , mit Mühe einzukaufen hat .
Dann noch der großartige Neid , der in seiner widerlichsten Ausformung Schadenfreude erzeugt , so jemand , der nicht gerade durch die Gunst der Stunde dabei gewesen ist , voranzukommen , endlich gebracht werden kann zum Fall . Das Bleiben-Müssen in dem Morast des falschesten , unehrlichsten Feudalismus seilstarker Abhängigkeiten , was man nicht selten als „ Konservativismus “ gerne bezeichnet . Dadurch verspottet man aber gerade diesen Begriff , da man ihn bereits durch diese Einordnung durch den Schlamm zieht , weil der Ausdruck hier ja nicht mehr heißen soll , als jene starren Verhältnisse einzufrieren , die seit Jahrhunderten die breiteste Masse in klebriger Abhängigkeit behalten sollen , wobei eine schmale Schicht , die gerne unter Berufung auf Historie und Tradition als unantastbar erscheinen will , und dabei jede Idee verraten , ohne die geringste Bereitschaft zur Verantwortung in Wohlstand und Sünde schwelgt .
SoNNTAGSBLATT
Selbst Kataklysmen aller Art vermochten daran während Jahrhunderte nicht zu ändern , so ist östlich der Elbe Wegelagerei bis heute legitime Sportart , sich selbst gesalbter und eigens als führend deklarierter Schichten geblieben . Als Quintessenz ihrer Erfahrung achtet dabei die Masse die hemmungslosesten unter allen Kontrahenten am meisten , denn was als Lebensweisheit unter den gegebenen Bedingungen sich seit jeher für sie herauskristallisiert hat , ist es , die als Eigenschaft erscheinende , relative Art der Wahrheit dringend und notwendig anzuerkennen , auch wenn sich diese von der eigenen Wahrnehmung oft auf ewig weiter Distanz befindet . Jene Verlogenheit also , die unter allen Umständen anzunehmen , zu widerkauen und im Erwartungsfall in den eigenen Mund aufgestoßen als Treuebeweis ohne zu zögern in aller Regel auch zu wiedergeben ist .
Dieses Beispiel der Akzeptanz jeglicher manipulativer , böswilliger Verlogenheit hat sich von Generation auf Generation vererbt und ist gewissermaßen bereits zum Erbgut kristallisiertes faules Fleisch . Zum Ausweg ist seit eh und jäh jenes Schuhwerk geworden , das die hartnäckig Abweichenden von der Masse selektiert , und oft genug in wohl ehrlichere Verhältnisse davonträgt .
Wer sich an die hier geltenden Sitten nicht hält , ist selber schuld , denn hier wird nach gegebenen Regeln gespielt , bei denen manche , um den Fortbestand bestehender Verhältnisse zu sichern und zu kontrollieren , jenen Vorteil genießen , dass sie in die Karten aller getreuen Beteiligten Einsicht genießen , somit die Bank der Obrigkeit immer gewinnt . Jegliches „ Recht “ hat sich in diesem Sinne zu fügen , was die Paragraphen auch brav und entsprechend
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