Sonntagsblatt 2/2023 | Page 37

ungarndeutsche Familie , aber seit Generationen schon madjarisiert . Sie siedelten sich im 18 . Jahrhundert an , aber haben sich komplett integriert und leider dadurch auch die Sprache verloren . Bei der Volkszählung 1941 haben sie sich als Madjaren bekannt , so entkamen sie auch der Vertreibung . Was sie aber bewahrt haben , waren die schwäbische Küche und die Arbeitsmoral . Was für mich in meiner Arbeit maßgebend war , war die Art und Weise , wie sich mein Vater während seiner aktiven Jahre für das Ungarndeutschtum engagiert hat . Das habe ich von ihm geerbt . Streng genommen habe ich die deutsche Sprache in der Schule gelernt , aber aus dem Haus meiner Großeltern in Wieselburg-Ungarisch-Altenburg war sie für mich von Anfang an geläufig und ich fühlte mich ihr emotional verbunden .
SB : Kannst du deine Rollen selbst auswählen oder geschieht das in Abstimmung mit dem “ Oberon Társulat ” oder mit “ Theater jetzt Pécs ”?
IF : Je nachdem ! In unserer freien Szene hängt alles stark von der Finanzierung ab . Zum Beispiel beim „ Bündeltanz “ war ich eingeladen , die Rolle zu spielen . Um Finanzen und Organisation musste ich mich überhaupt nicht kümmern . Aber wenn ich mit meinem eigenen Theater ein Projekt habe , dann muss ich alles von A bis Z organisieren , damit es zustande kommt : die finanziellen Mittel besorgen , die Kollegen bezahlen , den Zeitplan machen etc . Dafür kann ich im „ Theater Jetzt Pécs “ aber selber bestimmen , was ich spielen möchte . Es gibt also Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit .
SB : In der Co-Produktion mit dem “ Oberon Ensemble ” wurde der “ Bündeltanz ” aufgeführt , in dem die Vertreibung der Ungarndeutschen dargestellt wurde . Das Thema ist sehr berührend . Die Produktion wurde jedoch auf Ungarisch aufgeführt , obwohl es den Schicksalsschlag der Ungarndeutschen darstellt . Warum ?
IF : Der Regisseur und Projektleiter ( dieselbe Person ) war der Meinung , dass wir dadurch Zugang zu mehr Leuten haben werden . Es gibt viele , die etwas mit dem Ungarndeutschtum zu tun haben oder selber Ungarndeutsche sind , aber trotzdem kein Deutsch sprechen . Außerdem wollten wir die Geschichte auch der Mehrheitsbevölkerung zeigen . Viele wussten ja gar nichts über die Vertreibung der Ungarndeutschen , das Thema wurde ja totgeschwiegen . Nachdem wir das Stück aber schon mehr als 25-mal auf Ungarisch gezeigt haben , planen wir es später auch auf Deutsch zu spielen .
SB : Wenn wir schon mal über das Schicksal der Ungarndeutschen sprechen , welche Verbindung hast du zum Ungarndeutschtum ? Dein Name verrät schon etwas über deine Abstammung .
IF : Ja , aber die Geschichte ist ganz komplex , gerade der Familienteil , woher mein Name kommt , ist weniger ungarndeutsch . Meine Familie väterlicherseits stammt aus Westungarn , aus der Gegend von Wieselburg-Ungarisch-Altenburg - eine typische Mischlingsfamilie mit deutschen , aber auch starken kroatischen Wurzeln . Meine Großmutter väterlicherseits ist in Österreich geboren , hatte aber auch slowenische Wurzeln . Es wurde viel Deutsch im Haus von meinen Großeltern gesprochen , vor allem , als die Verwandten aus Österreich zu Besuch kamen . Die Familie meines Großvaters mütterlicherseits war aber eine echte
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SB : Kannst du auch ein bisschen darüber erzählen , wie du ungarndeutsche Schauspielerin geworden bist ?
IF : Ich bin in Fünfkirchen aufgewachsen und habe mein Abitur am Lajos-Nagy-Gymnasium abgelegt , dann habe ich ein Lehramtsstudium mit den Fächern Ungarisch und Englisch angefangen . Nach zwei Jahren kam die Möglichkeit durch meinen Vater , der als Direktor des Valeria-Koch-Schulzentrums von einem Stipendium an der Schauspielhochschule in Temeswar erfuhr . Da ich schon damals in verschiedenen Theatergruppen tätig war , habe ich mich auf die Möglichkeit gefreut und mein Glück versucht . Ich hatte sowieso keine großen Pläne , als Lehrerin zu arbeiten , und Theater war schon lange meine Leidenschaft . Die Aufnahmeprüfung fand in Seksard bei der Deutschen Bühne statt ( die Bühne schien mir damals riesengroß ) und nach ein paar Tagen habe ich die Zusage von der Uni bekommen . Mein Studium wurde von der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg finanziert . Ich habe in Temeswar Schauspiel in deutscher Sprache studiert und von Anfang an die Möglichkeit gehabt , kleinere und mit der Zeit dann immer größere Rollen am Deutschen Staatstheater Temeswar zu spielen . Die Voraussetzung des Stipendiums war , dass ich mich nach dem Abschluss bei der Deutschen Bühne in Seksard engagiere . Und so kam es , dass ich bisher wesentlich mehr auf Deutsch gespielt habe , obwohl meine Muttersprache Ungarisch ist . Ein totaler Zufall , würde ich sagen , wenn ich an Zufälle glauben würde . Es war halt mein Schicksal .
SB : “ Theater Jetzt Pécs ”, das ist ein Projekt , das von dir ins Leben gerufen wurde . Was können wir als Nächstes sehen ?
IF : Langfristig kann ich leider nicht planen , da alles von den Finanzen abhängt . Ein neues Koffermärchen kann ich jede Zeit vorbereiten , weil das im Prinzip nichts kostet . Viele Ideen , wenig Requisiten sind da mein Motto . Ich spiele da auch allein und brauche weder Technik noch Bühnenbild . Die Idee muss halt kommen . Ob ich mit „ Theater Jetzt Pécs “ ein neues Theaterstück produzieren kann , hängt jedes Jahr von den Finanzierungsmöglichkeiten ab . Es passiert öfters , dass wir im letzten Quartal des Jahres die Möglichkeit bekommen , etwas auf die Beine zu stellen . Das war auch mit dem „ Schleier “ der Fall . Wir haben erst im Oktober die Zusage bekommen , dass unser Projekt durch den Nikolaus-Lenau-Verein vom Institut für Auslandsbeziehungen ( ifa ) finanziert wird . Wir haben auf die Schnelle eine Premiere im Dezember 2022 auf die Beine gestellt , dafür aber auch vor den nächsten Vorstellungen im Januar 2023 proben müssen .
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