Sonntagsblatt 2/2023 | Page 22

Minderheitensprache gewährleistet werden , aber laut jüngster Volkszählung ( 2022 ) bekannten sich lediglich 6,3 % der Bevölkerung des Judeţul Arad , 25.731 Menschen , zur madjarischen Volkszugehörigkeit . Das sind 11.173 weniger als vor zehn Jahren . „ Das Minderheitenschicksal kann nur derjenige verstehen , der schon einmal in der Minderheit war ”, ergänzt der ehemalige Erste Stadtrat .
Der Kampf ums Überleben vermag jedoch , die Gemeinschaft zu aktivieren . Die Sisyphusarbeit des ungarischsprachigen Schulunterrichtes erledigen einige herausragende Persönlichkeiten federführend . „ Wenn wir nicht mit Herz und Seele herangehen würden , dann könnten wir so gut wie nichts mehr erreichen . Es ist vielmehr eine Berufung als ein Beruf ”, sagt ein Lehrer in der Diaspora . Wenn die Führung einer Gemeinde eng mit der ungarischen Bildungseinrichtung zusammenarbeitet , dann kann man noch Erfolge erzielen . Dazu gehört die einzige ungarischsprachige weiterführende Schule des Komitats Arad , die Gergely-Csiky-Oberschule ( Gymnasium ) mit 600 Schülerinnen und Schülern , die nicht nur eine Bastion des muttersprachlichen Unterrichts , sondern auch der hiesigen madjarischen Gemeinschaft ist .
„ Die „ Csiky ” ist mehr als eine Schule . Wir stehen im Kontakt mit den madjarischen Eltern des Komitats Arad , aber auch mit den Kindergärten und Grundschulen , denn nur bei uns können die madjarischen Schüler ihre schulische Laufbahn fortsetzen ”, sagt Schulleiterin Tünde Spier . „ In Arad hört man mehr rumänisches als ungarisches Wort , es ist nicht so wie im Seklerland , wo in den Geschäften auch die Verkäufer Ungarisch sprechen . Wenn ich hier ungarisches Wort höre , dann drehe ich mich um , um zu überprüfen , ob ich mit dem Sprecher nicht bekannt bin ”, so Spier weiter . Die „ Csiky ” stellt eine Einrichtung für die madjarischen Schülerinnen und Schüler der Umgebung von der Kinderkrippe bis zum Abitur dar und steht ohne Beispiel da . Denn wenn ein madjarischer Schüler bereits als Grundschulkind - auch wenn nur für wenige Monate - die rumänische Schule besucht und die Eltern zu Hause nicht genug Wert darauf legen , ihn mit dem Ungarischen vertraut zu machen , dann geht er für die Gemeinschaft praktisch verloren .
Der Abbauprozess ist nicht immer so spektakulär wie im Falle der Grundschule Nr . 10 in Arad . Das Andenken an die Einrichtung bewahrt ein Gebäude , das an Tschernobyl erinnert . In der Vorfrühlingssonne liegen auf dem vermüllten Schulhof alte PCS und Tastaturen , unter dem abgefallenen Putz der Turnhalle liegt ein Plastikskelett , das man im Biologieunterricht benutzt , und im kniehohen Gras findet der Besucher auch 20 Jahre alte Zeugnisse - vom Regen durchnässt .
In den verlassenen Klassenräumen kann man noch die an die Wände geklebten trigonometrischen Gleichungen erkennen , auf dem Parkettboden stellenweise Spuren von gelegtem Feuer . Alles deutet darauf hin , dass die Räume , die früher von madjarischen Schülern bevölkert wurden , nur noch von Obdachlosen genutzt werden . Einige Meter von der einstigen ungarischen Schule entfernt sorgt heute Kinderlärm für Abwechslung . Damals trennte nicht einmal ein Zaun die blühende rumänische Schule
22 von der Geisterschule . Bei unserem Besuch laufen die Schüler auf dem Sportplatz herum . Das Bild zeigt naturalistisch das Janusgesicht des Schulwesens der Stadt : Der Minderheitenunterricht ist - gelinde gesagt- keine Priorität dort , wo es neben der geschlossene ungarischen Schule auch eine „ einheimische ” - d . h . rumänische - gibt .
Die Diasporagemeinden des Komitats befinden sich in einer noch schwierigeren Situation : Nur noch als ungarische Abteilungen von rumänischen Schulen halten den muttersprachlichen Unterricht am Leben . In zahlreichen Dörfern existieren nur noch der Kindergarten und die Primarstufe . So auch in Iratoșu / Nagyiratos , das der Legende nach beim Vertragsabschluss von Trianon sogar Teil Ungarns hätte bleiben können - zum Gegenwert einer Kuh ! Die damalige Geizhalserei muss das Dorf heute teuer bezahlen . „ Es schmerzt , dass wir immer weniger werden ”, sagt Bürgermeister Attila Papp . In der einst madjarischen Gemeinde beträgt der Anteil der Madjaren nicht einmal 40 %. Die Abnahme der Kinderzahl , die Abwanderung und die Anziehungskraft der Stadt lassen als unumkehrbarer Prozess den Schülernachwuchs versiegen . In der einstigen ungarischen Schule der Gemeinde wird seit einiger Zeit auf Rumänisch unterrichtet .
Die Kinder , die in rumänisch-madjarischen Mischehen geboren werden , erlernen das Ungarische oft nicht mehr . Viele Lehrer berichten darüber , dass obwohl die Großeltern noch madjarisch sind , sie mit ihren Enkeln nur noch auf Rumänisch kommunizieren können . „ In der Familie wird die Wahl der Schule vornehmlich von der Nationalität der Mutter beeinflusst . So ist die effektivste Methode die Überzeugungsarbeit bei den Eltern : sich für eine ungarische Einrichtung zu entscheiden und vor Ort zu bleiben ”, fasst Erika Balog , Lehrerin an der Ferenc-Móra-Grundschule und Kindergarten Zimandu Nou / Zimándújfalu ihre Erfahrungen zusammen .
Letzteres wird auch ein wenig aus Budapest gefördert : Im Rahmen des Programms für Erziehung und Unterricht „ Szülőföldön magyarul ” ( In der Heimat auf Ungarisch ) erhält jede madjarische Familie außerhalb der Landesgrenzen , die ihr Kind in einer dortigen ungarischen Kindertagesstätte oder Schule unterbringt , pro Kind und Schulhalbjahr 22.000 Forint ( 58 Euro ). Das Förderprogramm wird gegenwärtig von 100.000 siebenbürgischen und 42.000 madjarischen Familien in der Slowakei genutzt – die Förderung soll 2024 um 400 % erhöht werden ( auf dann über 80.000 Forint oder 215 Euro ).
Wenn eine madjarische Familie ihr Kind nicht auf eine städtische Schule schickt , sondern vor Ort beschulen lässt , ist das ein wichtiger Beitrag zum Überleben der Schule . Dies kann aber vielfach nur dank der Tätigkeit von Aktiven erfolgen wie Erika Balog , die als Gemeinderätin , Kindergärtnerin und Grundschullehrerin arbeitet . Die Schule von Zimandu Nou wird von vielen als beispielgebend betrachtet . Dort hat man eine solche mittelfristige Strategie entwickelt und umgesetzt , die durch die Erhebung der Ansprüche und Erwartungen der Ortsansässigen auf einen qualitativ anspruchsvollen Unterricht abzielt . So kann man dann nicht nur das Überleben der Schule sichern , sondern auch Erfolge beim Unterricht aufzeigen . Das wird von vielen anerkannt .
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