Rolle . Sie suchten sich die schönsten schwäbischen Häuser aus , gingen in das Haus und vertrieben den Besitzer . Als einer zurückging , um sich einen besseren Hut aufzusetzen , wurde er sofort mit einem Fußtritt auf die Straße geworfen .
Bei der Vertreibung mussten die männlichen Familienmitglieder aus dem Haus geschleppt werden , aber es gab auch Fälle , in denen man zu einem Haus ging , in dem nur die ältere Frau zu Hause war , sie wurde auf die Straße gerufen , danach wurde das Tor von außen verschlossen und sie durfte nicht mehr zurückgehen ins Haus .
Es gab in der Vergangenheit ähnliche Verbrecher , die schreckliche Dinge getan haben und an den Folgen ihrer Taten erkrankt sind . Sie baten die ruinierten Familien um Vergebung , aber es stellt sich die Frage , ob es möglich ist , solch schreckliche Verbrechen , die man nicht einfach vergessen kann , zu vergeben .
Es gab auch ganz schlimme Fälle : Diese „ kleinen Könige “ haben Menschen um einen Maislaubschober gestellt und sie gefesselt , dann haben sie den Schober in Brand gesteckt . Das ist Mord , denn alle sind gestorben . Die „ kleinen Könige “ durften machen , was sie wollten , sie hatten freie
SONNTAGSBLATT-ERSTVERÖFFENTLICHUNG
ERINNERUNGEN EINES UNGARNDEUTSCHEN
Von San . -Rat Dr . Johannes Angeli
Hand . Als die Partisanen kamen , gab es einige , die einfach den Partisanenmantel anzogen und später stellte es sich heraus , dass es der Nachbar war .
Zur Zeit der Vertreibung haben sich einige Menschen in Almasch zusammengetan und fuhren mit Pferdekutschen durch Polen nach Deutschland , um nach ihren Familienangehörigen , Ehemännern , Frauen und Kindern zu suchen . Es kam oft vor , dass Familien getrennt wurden , Mann von Frau und Kindern . Noch schrecklicher war es , als Kinder im Alter von 4 , 5 und 6 Jahren von ihren Eltern getrennt und in Almasch zurückgelassen werden mussten .
Es ist traurig , dass solche Fälle passieren konnten . Es leben noch immer einige unter uns , die an diesen Ereignissen beteiligt waren , aber wir sollten sie nicht verurteilen , sie müssen mit ihrem schlechten Gewissen zurechtkommen .
Das Sprichwort sagt : Einmal oben , einmal unten . Hoffen wir , dass sich solche kriminellen Handlungen nicht wiederholen werden !
Lasst uns auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung friedlich zusammenleben !
Epilog
Genau wie am Anfang ( siehe Vorwort ) dieses nun doch umfangreich gewordenen Rückblickes auf acht Lebensjahrzehnte eines Ungarndeutschen inspirierte mich eine Frage meines Sohnes - inzwischen im Mannesalter - zu tieferem Nachdenken . Ja , was soll ich ihm denn antworten auf seine Frage : „ Wo und was ist denn nun eigentlich Deine Heimat ?”
Gibt es bei dieser meiner und ähnlicher Vita von Vertriebenen und Geflohenen unserer Zeit eigentlich DIE Heimat ? Für uns gibt es eigentlich nur Orte , die für unseren Lebensweg markant und bestimmend waren : Orte , wo wir geboren wurden und unsere frühe Kindheit verbrachten ; Orte , wo wir aufwuchsen und zur Schule gingen ; Orte , wo wir unseren Beruf ergriffen , Familien gründeten und Freunde fanden oder gar die Orte , in denen wir nach persönlichen und gesellschaftspolitischen Entscheidungen schließlich unser endgültiges Zuhause fanden .
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Dieses Zusammenfließen der Lebensereignisse schaffen eben diese Mehrschichtigkeit und dieses differenzierte Bild , das wir in der heutigen Zeit mit dem Wort „ Heimat ” verbinden müssen .
In unserer globalen , wirtschaftlich immer weiter zusammengewachsenen Welt werden wir wohl unsere Nationalitäten bewahren , aber uns vom klassischen Begriff „ Heimat ” immer weiter entfernen . Wir werden Bewohner sein von Regionen und Ländern , Bewohner von Erdteilen – aber in so mancher Großstadt unseren Wohnungsnachbarn leider nicht mehr kennen .
So wird es auch für mich die klassische Heimat , wie man sie früher verband - „ hier geboren , gelebt und gestorben ” - nicht mehr geben , geschuldet vor allem den politischen , gesellschaftlichen und beruflichen Entwicklungen , die mir teils aufgezwungen wurden , die ich aber teils selbst gewählt habe .
SoNNTAGSBLATT