EINE VOLKSGRUPPE , DIE ES EIGENTLICH GAR NICHT GIBT
IM GESPRÄCH MIT VERONIKA HARING , DER OBFRAU DES KULTUR- VEREINS DEUTSCHSPRACHIGER FRAUEN » BRÜCKE « IN MARBURG / DRAU ( SLOWENIEN )
SB : Frau Haring , erzählen Sie bitte ein wenig von der Organisation , die Sie vertreten .
VH : Sitz des Vereins ist in Marburg an der Drau / Maribor in der ehemaligen Untersteiermark , wo 100.000 Menschen leben . Der Kulturverein deutschsprachiger Frauen » Brücken « wurde über die Initiative von in Marburg und Umgebung lebenden deutschsprachigen Einwohnern Sloweniens im Jahre 2000 gegründet . Zielsetzung des Vereines ist die Erhaltung von sprachlichen , ethnischen und kulturellen Merkmalen der deutschsprachigen Einwohner von Slowenien , in erster Linie jedoch die Anerkennung der deutschen Minderheit . In diesem Sinne werden die Kontakte zwischen den Deutschsprachigen in Slowenien und in der Welt und ihren Nachkommen vertieft und erweitert . Der Verein bemüht sich um die Herstellung von Verbindungen auch mit anderen Volksgruppen auf dem Gebiet von Slowenien .
Der Verein bietet im Rahmen seiner Tätigkeit Deutschkurse für Erwachsene und Kinder sowie andere zahlreiche Weiterbildungen wie Malkurse und Computerkurse für Erwachsene an . Jedes Jahr veröffentlichen wir einen zweisprachigen Sammelband mit literarischen Beiträgen der deutschen Minderheit und veranstalten das schon traditionelle Dezemberkonzert , Leseabende und Kunstausstellungen . Im Rahmen des Vereins ist der Kammerchor „ Hugo Wolf “ aktiv . Wir bemühen uns um eine politisch unabhängige Bewertung des Beitrags , den bedeutende Marburger mit deutschen Wurzeln zur slowenischen und deutschen Kultur geleistet haben . Diese waren über Jahrhunderte in Maribor schöpferisch miteinander verflochten und wurden in unglücklichen Momenten der Geschichte leider auch öfter getrennt . Unser Wunsch ist es zu zeigen , dass unsere Stadt im gleichen Maße multikulturell war wie andere bedeutende mitteleuropäische Städte und dass wir uns , indem wir dies vergessen oder manchmal sogar verneinen , einen großen Schaden zufügen .
SB : Sitz der Organisation ist in Marburg an der Drau - wie viele Deutsche leben noch in der Stadt und im Land und über welche Infrastruktur verfügt die deutsche Volksgruppe in Slowenien ( Organisationen , Kulturgruppen , Schulen / Schulunterricht , Glaubensleben )?
VH : In der einst deutsch-slowenischen Stadt Marburg sind nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenige Einwohner geblieben , die sich als Deutsche bekannten . Die Furcht vor Repressalien wegen der » Kollektivschuld « verhinderte ein solches Bekenntnis zur Volkszugehörigkeit , denn es konnte bedeuten , dass man die Beschlagnahmung des Vermögens , den Verlust des Wahlrechtes oder etwas noch viel Schlimmeres riskierte . Die Gründung von Organisationen auf dieser ethnischen Grundlage war unvorstellbar . Es galt , dass es in Marburg keine
SoNNTAGSBLATT
Deutschen mehr gibt . Durch die Entstehung des selbstständigen slowenischen Staates 1991 haben sich die Dinge geändert und auch die engere zwischenstaatliche Zusammenarbeit mit Österreich und Deutschland erleichterte das spontanere Bekenntnis zur deutschen Abstammung und die Gründung von Vereinen auf dieser Grundlage . Trotzdem haben noch viele Furcht sich wegen den oben genannten Gründen bei den Volkszählungen als Deutsche anzugeben . Die neuen Verhältnisse schlugen sich auch im am 30 . April 2001 unterzeichneten Abkommen zwischen der Republik Slowenien und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit in Kultur , Bildung und Wissenschaft nieder . In Marburg entstanden zwei Vereine : der Internationale Verein » Freiheitsbrücke « ( 1990 ) und der Kulturverein deutschsprachiger Frauen » Brücken « ( 2000 ). Letzterer entwickelt eine reiche Kulturtätigkeit , es gibt Sprachkurse , Publikationen , literarische und bildnerische Tätigkeit und den Kammersängerchor „ Hugo Wolf “. Der Verein richtet viel beachtete und hochwertige Kulturveranstaltungen aus - mit dem Ziel , die Tradition der Multikulturalität von Marburg zu stärken . Die bisherigen Veranstaltungen waren solchen wegen deutscher Abstammung aus der slowenischen Kulturgeschichte gestrichenen Künstlern wie Eduard von Lannoy , Franz Liszt , Erzherzog Johann , Robert Stolz , Hugo Wolf , Rudolf Wagner , Valentin Lechner , Emil Hochreiter , Musikfamilie Schönherr , Isolde Klietmann oder Elfie Mayerhofer gewidmet , die die Kulturgeschichte von Marburg mitgeprägt haben . Der Verein pflegt einen Kulturaustausch mit der deutschen Minderheit aus Reschitza / Resița in Rumänien .
SB : Die Ungarndeutschen sind sprachlich im hohen Maße assimiliert und die meisten ( insbesondere jüngeren ) Mitglieder wachsen in Mischehen auf - wie sieht es bei Ihnen aus ?
VH : Die Vertreibung und Ermordung der Deutschen nach dem Zweitem Weltkrieg und die folgende Zwangsassimilierung haben natürlich ihre Spuren hin-
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