werden könne , die man am liebsten spricht . Wenn man doch bedenken würde , wie durch solche „ Künsteleien “ der Sinn für Wahrheit und Wahrhaftigkeit im Volke geschwächt und der Wert der viele Millionen verschlingenden Volkszählungen und statistischen Erhebungen beeinträchtigt , ja – fast illusorisch gemacht wird .
Zu welchen Auswüchsen der Chauvinismus führt , das möge sich aus folgender Begebenheit erhellen : Es dürfte zu Anfang des Jahrhunderts gewesen sein , als ein „ dahergelaufener “ Advokat - im Hauptberufe Wucherer - den Antrag im hiesigen Gemeinderate stellte , dass der habsburgische Doppeladler vom Stadtturme [ heute : Feuerturm ; d . Red .], dem charakteristischen Wahrzeichen nicht nur der Stadt , sondern - man kann sagen - des ganzen Burgenlandes entfernt werde , da es doch unmöglich sei , dass eine ungarische Stadt über sich den österreichischen Adler dulde . Der Adler wurde von einem Kaiser Leopold , der auch apostolischer König Ungarns gewesen , als Auszeichnung der Stadt geschenkt . Man sollte nun glauben , dass ein solcher Antrag ( ganz abgesehen von der Person des Antragstellers ) sofort ins Grab der Lächerlichkeit eingescharrt worden sei .
Denn jedermann weiß doch , dass selbst in dem so patriotischen resp . chauvinistischen Italien gerade in den größten Städten und an den schönsten Palästen die fremdländischen Wappen und Wahrzeichen – z . B . die Lilie der Bourbonen und das „ M “ der Hohenstaufen – dutzendweise zu sehen sind . In Ödenburg kam es aber anders . Der Antrag wurde von der madjarischen Partei mit Begeisterung begrüßt . Auf deutscher Seite hüllte man sich in tiefstes Schweigen , denn niemand wollte in den Geruch kommen , vielleicht gar österreichfreundlich zu sein . Dass der Antrag nicht durchgeführt wurde , war nur dem Umstande zu verdanken , dass infolge der Höhe des Turmes die Kosten der Abnahme des Doppeladlers ganz außergewöhnlich groß gewesen wären . Der Antragsteller aber gab bald darauf einen merkwürdigen Beweis seiner patriotischen Begeisterung . Als er nämlich genug zusammengewuchert hatte und den Boden offenbar schon zu heiß fand , verließ er nicht nur Ödenburg , sondern auch Ungarn und verzehrte im Auslande die fetten Renten seiner patriotischen Tätigkeit .
Ende Teil 2 , Fortsetzung folgt
DER DARMSTÄDTER SCHWABENBALL DER 1950ER JAHRE ALS ZANKAPFEL ZWISCHEN DEN GEMÄSSIGTEN UND DEN RADIKALEN „ DEUTSCHBEWUSSTEN “
VON KRISTINA KALTENECKER
Teil 1 Die Etablierung des Schwabenballs in Darmstadt 1951
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In den 1950er Jahren umfasste der Stadtteil Darmstadt- Süd / Heimstättensiedlung mehrere Siedlungen : Die eigentliche Heimstättensiedlung („ Altsiedlung “) der Einheimischen aus den 1930er Jahren , die Buchenlandsiedlung der Bukowinadeutschen und die Donausiedlung der ungarndeutschen Heimatvertriebenen . Alle drei „ Randsiedlungen “ befanden sich damals kontinuierlich im grundsätzlich von verschiedenen Bau- und Siedlungsgenossenschaften vorangetriebenen Aufbau . Zeitgleich mit der Überwindung der schlimmsten wirtschaftlichen Not und des bedrückendsten sozialen Elends der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden hier bestimmte Strukturen für kulturelle und sportliche Aktivitäten von den Siedlergruppen bewusst geschaffen , zum Teil sogar organisatorisch manifestiert und dadurch schlussendlich verfestigt wie Kultur- und Sportvereine oder Kirchweihfeste .
Der erste „ Schwabenball “ der ungarndeutschen Heimatvertriebenen fand 1951 in Hessen , genauer in der „ kleinen Großstadt “ Darmstadt statt , die zu der Zeit insgesamt rund 95.000 Einwohner hatte . Darmstadt als hessischer Veranstaltungsort war eine vortreffliche Wahl , weil damals in der zwischen Griesheim und Darmstadt liegenden Sankt Stephan-Siedlung Schätzungen zufolge bis zu 100 katholische und in der Donausiedlung etwa 40 bis 60 evangelische Zwei- bis Vier-Generationen-Familien aus Ungarn lebten . Somit befand sich in und um Darmstadt- Südwest zweifellos das bedeutsamste Zentrum der heimatvertriebenen Ungarndeutschen in Hessen .
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