rischen Informationsflusses zu monieren . Manchmal mit erfreulich positiven Reaktionen , aber viel zu oft mit Desinteresse und eben keiner Reaktion ! Ich kann verstehen , dass Zweisprachigkeit mühselig ist - man muss ja seine Komfortzone verlassen - und einem Ungarisch mehr liegt ( eigentlich eine bedenkliche Entwicklung ). Aber man ist Zweisprachigkeit der Gemeinschaft schuldig , auch wenn man zu oft den Eindruck gewinnt , dass Bilingualität an den Bedürfnissen der Leit vorbei gehe – dennoch : Sprache unterscheidet uns von der Mehrheit , Sprache verbindet uns , erlernt oder von zu Hause mitgebracht .
Und da sind wir beim meines Erachtens wichtigsten Punkt : der Lethargie oder besser gesagt Passivität weiter Teile der ungarischen und ungarndeutschen Öffentlichkeit . Das beste Beispiel ist dieser Beitrag – diesen sollte ein anderer Ungarndeutscher schreiben , der aber dankend ablehnte , mit der Begründung , das wäre ohnehin sinnlos . Das Ganze wird überlagert von parteipolitisch motivierten Gegensätzen auch unter den Ungarndeutschen . Die Nation - in diesem Falle die Nationalität - zu einen , sei ein mögliches , wenngleich schwieriges Unterfangen , sagte vor kurzem die neue Staatspräsidentin Ungarns , Katalin Novák , die erste Frau in diesem Amt , die die Öffentlichkeit in der Vergangenheit als loyale Parteigängerin kennen gelernt hat . Aber jeder verdient eine ( zweite ) Chance . So könnte diese Aufgabe bei uns Ungarndeutschen Emmerich Ritter zufallen , der sich nun der Parteineutralität verschrieben hat . Austausch statt Entscheidungen durch Einzelne sorgen für mehr Legitimität , gerade in einer zerbrechlichen Gemeinschaft . Wie schwierig es ist , dies in Zeiten einer Übermacht eines einzigen Machtblocks umzusetzen , haben wir in letzter Zeit mehrfach beschrieben . Aber die Erkenntnis , dass Ritter nicht nur der Abgeordnete der Ungarndeutschen ist , die Fidesz unterstützen , sondern der von allen ungarndeutschen Wählerinnen und Wählern , ist die Grundvoraussetzung dafür , dass sich jedes Mitglied der Gemeinschaft vertreten fühlt - einer Gemeinschaft , die gerade in der Aufbruchszeit der 1990er Jahre ein viel diskussionsfreudigeres und vielfach aktiveres Bild abgegeben hat als heute .
Denn Autonomie und bürgerlich-kritisches Selbstbewusstsein sind kein Teufelszeug liberaler Demokratien . Sie müssten die Grundlagen einer Gemeinschaft sein , um jedem Mitglied die Möglichkeit zu gewähren , sich zu entfalten und für die Gemeinschaft einzusetzen . Denn Nachwuchssorgen plagen nicht nur die Schulen und Kindergärten , sondern auch die Vereine und Nationalitätenselbstverwaltungen . Dem Gefühl der vielfach beschriebenen Politikverdrossenheit kann dabei nur durch mehr Freiräume entgegengewirkt werden anstelle von mehr Zentralisierung . Dies schließt mehr Präsenz der LdU vor Ort und Handlungsempfehlungen nicht aus , den Wunsch danach hört man hin und wieder von Vertretern der Gemeinschaft an der Basis .
Denn unsere Gemeinschaft steht aufgrund der Assimilation , negativer demografischer Prozesse und der Auswanderung – letztere betreffen die ganze ungarische Gesellschaft - weiterhin vor großen Herausforderungen . Der Erosionsprozess der letzten Jahre kann allein durch mehr Geld nicht aufgehalten werden . Es bedarf der Kraftanstrengung einer Gemeinschaft , deren Kraft sich gerade aus der Vielfalt und nicht aus dem Uniformismus speist .
MÜSSEN WIR NOCH VERTRETEN WERDEN ?
Von Robert Becker
Gleich am Anfang eine grundsätzliche Aussage : Ja , die parlamentarische Vertretung des Ungarndeutschtums ist – wie auch immer betrachtet – eine positive Errungenschaft , die hoffentlich wenigstens mittelfristig Bestand haben kann . Sie kann nicht nur dazu beitragen , dass Gelder für diverse Ideen , Programme , Anlässe , Ereignisse und Projekte flüssiger fließen , sondern - wenigstens halt theoretisch - auch dazu führen , dass man sich als Minderheit in diesem Land artikulieren kann – und man es überhaupt lernt , wie eine Selbstbehauptung aus der ungarndeutschen Basis in der Richtung der Gesetzgebung und des Spielfelds der politischen Macht möglich ist .
Denn das auf der gesellschaftlichen Palette Sichtbar- Werden wäre nicht alleine in dem Sinne wesentlich , um über sich nicht nur als „ Minderheit ” reden zu lassen , sondern überhaupt um als Gruppe , ja als eine Volks- Gruppe , in diesem Land noch einmal sich zu behaupten und wahrgenommen zu werden . Dazu wird es nicht ausreichen , wenn wir noch tiefere Wurzeln in Richtung unserer alten , oft nicht einmal näher definierten Traditionen und unseres einstigen historischen Glanzes schlagen , als wir alleine an unserer Tracht schon wenigstens auf den Märkten der Nachbarstädte aufgefallen und
SoNNTAGSBLATT erkannt worden sind , sondern es wäre von einem besonderen Vorteil , wenn wir nicht alleine nur noch unter der Lupe fachkundiger Beobachter , aktualpolitischer Akteure oder verspäteter Ethnologen erscheinen .
Wenn über unsere Existenz gesellschaftlich gesehen nur so viel rüberkommt wie „ Ach so , die , die da so komisch herumsingen und an Festtagen auf Kulturhaus- Bühnen tanzen !” – dann haben wir nicht nur Chancen verspielt , sondern den Sprung in ein noch immer nicht ganz unmögliches , sichtbares Dasein in unserem Heimatland verfehlt , denn es ist gar nicht egal , wodurch wir nach den vergangenen Jahrhunderten mit diesem neuen Jahrtausend noch in Zusammenhang gebracht werden und auffallen .
Wir stellen nämlich nicht mehr ein in sich geschlossenes Milieu dar . Wie weit sind wir doch schon von einem Zustand entfernt , wo ganze Landstriche unter unserem tunlichen Mitwirken aufgeblüht sind und als wir gesellschaftlich und wirtschaftlich dadurch sichtbar und bekannt gewesen sind ? Kein Wunder , dass die Politik von damals bald auf die Idee gekommen ist , uns einzuverleiben und durch erhöhten Druck zu versuchen , uns zu magyarisieren , damit wir viel weniger als eigenstän-
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