SCHULE , SPRACHE , VIELFALT IN- NERHALB DER GEMEINSCHAFT
LdU entsendet erneut eigenen Abgeordneten ins ungarische Parlament – Herausforderungen bleiben trotz deutlich gestiegener Zuwendungen bestehen
Von Richard Guth
Die meisten haben ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Parlamentswahlen erwartet – wie wir wissen , kam es anders und die Regierungspartei Fidesz konnte ihre Mehrheit sogar ausbauen , während das Oppositionsbündnis im Vergleich zu 2018 , als die sechs Parteien zwar koordiniert , aber eigenständig antraten , deutlich an Stimmen eingebüßt hat . Viele haben auch bei der Wahl des deutschen Abgeordneten mit einem knappen Ergebnis gerechnet , bedenkt man die auch in der Öffentlichkeit deutlich wahrnehmbaren Verwerfungen zwischen der LdU und Emmerich Ritter sowie seine auch in der Presse thematisierte Vergangenheit als Fidesz-Lokalpolitiker . Auch hier kam es anders und so zieht der aus Wudersch stammende Ritter erneut ins Parlament ein : Dreiviertel der registrierten Wählerinnen und Wähler stimmten für die Deutsche Liste , die vom Wuderscher angeführt wurde , die Zahl derer , die von der Liste streichen ließen , blieb überschaubar .
Aber nun beginnt die zweite Legislaturperiode des deutschen Abgeordneten , dabei werden die Rahmenbedingungen womöglich anders sein als in den vergangenen vier beziehungsweise acht Jahren mit einem günstigen makroökonomischen Umfeld und außenpolitischer Stabilität . Die letzte Legislaturperiode von Emmerich Ritter brachte nachweislich eine deutliche Steigerung der Zuwendungen an die Minderheiten in Ungarn , sei es im Bereich Gebäudemanagement , in der Förderung von gemeinschaftlichen Aktivitäten oder auch bei den Zulagen für angehende und bereits aktive Lehrerinnen und Lehrer . Auch die Zahl der Schulen und Kindergärten in der Trägerschaft von Nationalitätenselbstverwaltungen ist deutlich gestiegen , also man vollzog einen deutlich wahrnehmbaren Schritt in Richtung kultureller Autonomie . Ob sich diese Politik großzügiger Förderung angesichts des gegenwärtigen Zustandes des Staatshaushaltes fortsetzen lässt , wird sich in den nächsten Monaten zeigen . Gut möglich , dass das Volumen der Zuwendungen sogar noch steigen wird , sprechen wir doch im Vergleich zu anderen Haushaltsposten und Regierungsprojekten um Kleingeld – an dem Abgeordneten mit Managerqualitäten wird es sicherlich nicht scheitern . In eigener Angelegenheit sehe ich mich gezwungen dennoch , auf ein Phänomen hinzuweisen , was wiederum auch andere betrifft : Nach langen Jahren finanziellen Überflusses versiegten dieses Jahr die Geldquellen in Richtung JBG und Sonntagsblatt . Vor allem die Finanzierung der Zeitschrift stand plötzlich auf sehr wackligen Füßen , hätte es nicht eine Zuwendung von der LdU gegeben ( Dank dafür !). Dies beleuchtet aber die grundsätzliche Problematik des Systems der Bewerbungen : Dieses mag bei einzelnen Projekten einen Sinn ergeben , nicht aber beispielsweise bei der Unterstützung der Arbeit von etablierten Vereinen und Presseorganen : Sie brauchen feste Rahmen , um ihre Tätigkeit verlässlich zu planen und durchzuführen . Vor kurzem sprach ich mit einem Vertreter des Südtiroler Tagblattes „ Dolomiten ”, der erzählte , dass sie jährlich sechs Millionen Euro aus Rom erhalten würden , ohne sich jedes Jahr bewerben zu müssen .
Entscheidender als die Höhe der Zuwendungen sind aber die inhaltlichen Fragen . Übernahme von Bildungseinrichtungen ist die eine Sache , diese im Sinne der LdU-Strategie ( Stärkung des zwei- und einsprachigen Profils und entsprechender Angebote ) die andere . Da hat sich in den letzten Jahren einfach zu wenig getan . Fairerweise muss man sagen , dass die Schulen und Bildungsverantwortlichen Erwartungen von unterschiedlichen Seiten entsprechen müssen und auch die Rahmenbedingungen schränken deren Handlungsspielraum ein . Konkret : Vielfach wird beklagt , dass vielen Eltern der Sinn für Zweisprachigkeit fehle . Darüber hinaus wünschen sich Eltern - darunter auch viele mit ungarndeutschem Hintergrund - Englisch ab der ersten Klasse , was gerade in kleineren Gemeinden mit nur einer Schule für zusätzlichen Druck sorgt . Die Nachwuchssorgen an Schulen und das Phänomen der Aufgabe des Lehrerberufs nach kurzer Zeit - Phänomene der gesamten Bildungslandschaft in Ungarn - werden durch ein Stipendienprogramm für angehende Lehrkräfte , die Erhöhung der Nationalitätenzulage und durch unter Umständen mehr Freiheiten durch die nichtstaatliche Trägerschaft kaum aufgewogen . Dennoch bin ich davon überzeugt , dass nur authentische Angebote ( zwei- und einsprachig ) an Schwerpunktschulen ( von denen sich bereits viele in eigener Trägerschaft befinden ) eine Zukunft haben werden , denn wir wissen : Sprachkompetenz in der ( vielfach verlorenen ) ( Groß- ) Muttersprache hat einen entscheidenden Einfluss auf die Identität der Angehörigen einer Minderheit . Und wo es nicht von unten kommt , muss von oben angestoßen werden , wie es einst Fritzi Batschi auch angeregt hat , leider mit wenig Erfolg .
Apropos Sprachgebrauch : Ich schreibe bzw . tippe meine Finger wund , um die Fatalität einsprachig unga-
14 SoNNTAGSBLATT