Sonntagsblatt 2/2020 | Page 13

100. Was sollen wir tun, wenn in einem deutschen Dorfe der Abgeordnetenkandidat magyarisch spricht? Ihn auffordern deutsch zu sprechen! Und tut er das nicht, so soll er überhaupt nicht reden, man muss ihn dann niederschreien, bis er deutsch spricht oder Fersengeld gibt, das heißt: Schaut, dass er aus dem Ort hinauskommt. 101. Was soll sich der Deutsche in Ungarn also merken? Der höchste Stolz eines Deutschen soll seine Nation sein, denn die tüchtigsten Menschen auf der ganzen Welt sind die Deutschen, die besten Frauen für Haus und Wirtschaft sind die deutschen Frauen, sie besitzen Herz und Gemüt, sie besitzen Sparsamkeit und wirtschaftlichen Sinn; die beste und sorgsamste Mutter ist immer die deutsche Mutter; darum soll ein deutscher Mann nur ein deutsches Mädchen heiraten und nie eine Magyarin oder eine andere. Wer ein guter Deutscher bleibt und seine Kinder zu guten Deutschen erzieht, ist der beste Patriot, denn er ist ein tüchtiger Staatsbürger und seine Kinder werden auch tüchtige Staatsbürger unseres ungarischen Vaterlandes sein. 102. Was soll der Deutschungar antworten, wenn man ihn einen Pangermanen, einen Alldeutschen, einen Vaterlandsverräter nennt, weil er an seiner Muttersprache festhält, weil er sich darum kümmert, wie es seinen Blutverwandten in der ganzen Welt geht? Er soll sagen, dass er seine deutsche Muttersprache und seine Kultur unter keinen Umständen hergeben will, dass er mit seinen Namensgenossen in Österreich, Deutschland und in der ganzen übrigen Welt ebenso eine Gemeinschaft zu halten und sich für sie zu interessieren berechtigt ist, wie die Magyaren sich für ihre Stammesgenossen in der Bukowina, in Rumänien und in Nordamerika interessieren und dass das eine ebenso wenig landesverräterisch ist wie das andere. Er soll sagen, dass die Liebe zum ungarischen Vaterland und die Treue für den angestammten Fürsten nicht von der Sprache abhängt, die man spricht, sondern von der Arbeit, die man leistet, von dem Fleiße, mit dem man den Wohlstand des Landes mehren hilft, von der Pünktlichkeit, mit der man seine Steuern zahlt und dem Rufe des Landesherren zur Fahne folgt. Nicht der Panmagyarismus, nicht die unnatürliche Verschmelzung von Völkern, die der Herrgott jedes für sich geschaffen hat, nicht das große patriotische Maul machen den wahren Patrioten, den guten Staatsbürger, sondern die Erfüllung der patriotischen Pflichten. Darum soll sich der Deutschungar von patriotischen Redensarten nicht betören, imponieren oder schrecken lassen, sondern sich für ebenso gut halten wie jeden anderen im Lande und unbekümmert reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und auch dafür sorgen, dass seine Kinder sprechen und denken, wie ihre Eltern. Soll der Deutschungar seinen magyarischen Mitbürger hassen oder ihm feind sein? Oh nein, er soll gut unterscheiden zwischen dem magyarischen Chauvinisten, der keine Gleichberechtigung kennt und alles magyarisieren will und den, Gott sei Dank, noch zahlreichen gerecht und billig denkenden Magyaren, die auch die Rechte ihrer anderssprachigen Landesgenossen ehren. Nur den unduldsamen Maulpatrioten soll der Deutschungar mit Entschlossenheit entgegentreten, den übrigen Magyaren ein treuer und entgegenkommender Heimatgenosse sein und auch Ihre Sprache gern lernen und sprechen, wo es ohne Schädigung der deutschen Muttersprache und des deutschen Selbstbewusstseins möglich ist. 103. Was sollt ihr mit diesem Büchel machen? Es gut aufheben und wie ein Gebetbuch halten! Lest recht oft drinnen und lest auch eurer Frau, euren Kindern, den Nachbarn und Bekannten daraus vor und beherzigt, was drinnen steht, macht es so im Leben wie’s drin geschrieben ist. Wenn man das Büchel euch wegnehmen will, gebt es nicht hin Der mehrere solche Bücher bekommt, soll sie in seiner Freundschaft verteilen. Der sie dir schickt oder gibt, ist dein deutscher Bruder, was darinnen steht, ist deutscher Atemzug, bestimmt, unser deutsches SoNNTAGSBLATT Volk in unserm ungarischen Vaterlande zu verbinden und zu verbünden und ihm zur Wahrung, Pflege und Benutzung seines teuersten Schatzes, seiner Sprache behilflich zu sein. Es ist die Wahrheit, die reine Wahrheit, die hier niedergeschrieben ist! Nun deutscher Bruder, nimm sie in dein Herz auf und handle danach! Ottokár Prohászka und die ungarische Politik Von Prof. Dr. Zoltán Tefner Teil 2 Der Kriegsgräuel greift um sich Ende 1916, wie sehr viele, kam auch Prohászka zu der Überzeugung: Der Krieg muss so schnell wie möglich beendigt werden. Die Kriegsverluste vermehrten sich in exponentiellem Tempo, eine nie gesehene Verwesung war eingetreten. Die früheren Konzepte zur Kriegsführung haben versagt. Der Krieg ging nicht so, wie er vor 50 oder 30 Jahren zu gehen pflegte. Schützengräben, Maschinengewehre, Gasangriffe – alle Schrecknisse des technischen Krieges! Der englische Kriegsminister, Herbert Kitchener sagte dem Ministerpräsidenten Edward Grey, nachdem der Schützengräbenkrieg als allgemeine Form der Kriegsführung beständig geworden war: „Ich weiß nicht, was zu tun ist. Dies ist kein Krieg.” Nur in der ersten Flandernschlacht bei Ypern im Herbst 1914 fielen 58 tausend britische und mindestens 50 tausend französische Soldaten. Auch die erfahrensten Offiziere von allen Seiten hat die umschweifende Mörderei überrascht. Sowohl der deutsche Generalstabsführer Moltke junior und später Erich von Falkenhayn wussten nicht, was sie getan haben sollten. Neue Methoden mussten erfunden werden. Ganze Jahrgänge – 1894 bis 1896 – wurden in den Kämpfen liquidiert. Dem Oberquartiermeister der OHL Ost Erich von Ludendorff ist die „einzig” selbstverständliche Methode eingefallen: neue Jahrgänge aus den eroberten polnischen Gebieten sollten einberufen werden: 1 Million frische, gesunde, kräftige Russischpolen, praktisch Kanonenfutterkandidaten. Prohászka in seiner „Soliloquia”: „Es gibt keine grausamere Erfahrung als das Leben in dieser abscheulichen Welt und die Tobsucht der »Menschen« zu sehen. Hunderttausende kommen um, schreckliche Leiden und Invalidität, dunkle Schicksalsschläge, kommen den Menschen auf den Hals und das alles wegen des Geldes, der Wirtschaftsinteressen, des Hasses und wegen ekelhafter Barbarei der Völker. Man könnte vor Entsetzen und den Abscheulichkeiten mausetot sein; selber weiß ich nicht, wie ich am Leben bleiben kann, wie ich nicht fast vor Scham vergehe, wie ich nicht von der Erde verschlungen werde, wie mein Blut nicht erfrieren werde, dieses hässliche, von tausend Dosen vergiftete Blut, das letztendlich immer noch das Blut der Menschheit ist. Das Gotteswort wird an uns verlautet: »… der Teufel grinst uns an. Manchmal umgarnt mich der Himmel, der majestätische, dann eröffnet sich die Hölle«, und: »Wir brauchen keinen Christus, wir haben einen Kant«. Ja wir haben Kategorien und Postulate und einen deutschen Philister mit Sauerkraut und Leberwurst. Wir brauchen nichts mehr.” Der kantianische Idealismus widerspricht allen bisherigen Studien, Universitäten, theologischen Seminaren, weil „der Krieg seinen ekligen Rauch qualmt […]” . „[…] wie lange dauert noch dieser Tartarenzug des Todes und des Hasses, wann wird der (Fortsetzung auf Seite 14) 13