einen Nussbaum, eigens gepflanzt. Wenn wir selbst keine guten
Menschen waren, hinterlassen wir ein talentiertes Kind oder Enkelkind
– unauslöschbar. Sinnlos wird keiner geboren. Jeder hat
irgendeine Mission, auch wenn wir uns darüber im Moment unseres
Todes nicht im Klaren sind. Obwohl die Helden meiner Historie
stürmische Zeiten erlebt haben, dürfen wir nicht vergessen:
Jede Zeitepoche ist historisch. Denken wir daran, wenn wir das
Gefühl haben, dass unser Leben keinen Sinn hat. Auch wenn die
Zeit das Andenken an uns hinwegfegt wie die unbarmherzigen
Wellen des Meeres die im Sand hinterlassenen Fußspuren, sind
diese da gewesen und wenn auch nur ein wenig haben sie Welt
verändert. Wir werden geboren, wir lieben, hassen, genießen,
leiden, legen uns schlafen, stehen auf, machen Liebe, streiten
uns, unterhalten uns, arbeiten, verdienen Geld und geben dieses
aus, führen Kriege, schließen Frieden, umarmen uns, stoßen uns
gegenseitig ab, man passt auf uns auf und wirft uns weg, wir ärgern
uns, sind glücklich, weinen, lachen, beeilen uns, ruhen uns
aus, akzeptieren, lehnen ab, bauen, zerstören, fügen Wunden
zu, heilen, sind treu, betrügen, sind gut, böse, schön, hässlich,
leben und sterben, sind Menschen und hinterlassen nach dem
Regen im Matsch unsere Fußspuren.
SoNNTAGSBLATT
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Auszug aus dem neuen Roman „Fußspuren im Matsch”
(Lábnyomok a sárban) von Gábor Pfeiffer, Tscholnok. Deutsche
Übersetzung: Richard Guth
Josef, Rosa, auf ihrem Rücken im Tuch eingewickelt Michael,
Elisabeth, der alte Hoffer und zwei ältere Jungs fanden Platz auf
dem Plateau eines Militärfahrzeugs. Um sie herum ihr Hab und
Gut, was sie schnell zusammentragen konnten. Am Vortag goss
der Frühlingsregen wie aus Eimern, ununterbrochen, ohne ihn
trösten zu können. Erst spätnachts ließ er nach. Frühmorgens
waren Hof und Straße voller Pfützen und Matsch. Rosa verpackte,
auf entschlossene Anweisung ihres Mannes hin, selbst das
von Frau Frida geschenkte Kaffeeservice. Als ob sie auf ihrer
Reise das am nötigsten hätten! Die Jungs verstanden nicht wirklich,
wohin die Reise führt, aber da alle weinten, taten sie dasselbe,
während sie ihr Lieblingsspielzeug an sich pressten. Die
Straße verlor sich allmählich zwischen den Bäumen der Allee,
aber sie sahen noch in der Kurve, wie Gastl, der Hirt, die Herde
auftrieb und wie sich die Gänse in den Pfützen auf der Wiese vor
dem Haus mit gekräuselten Federn wuschen. Josef hatte sich
bemüht, seine Frau zu beruhigen: „Es wird alles gut, Rosa. Glaub
mir! Wir gehen nicht zu Fremden. Wir bekommen ganz sicher
eine schöne Wohnung, wir sind ja doch Deutsche! Einen guten
Schuster braucht man auch dort. Deutsch sprechen wir alle gut.
Über kurz oder lang werden wir die Kurve kriegen, das wirst du
schon sehen. Später, wenn wir ein Stück Land erwerben können,
dann werden wir wieder Wein anbauen. Denk an die, die man zu
den Russen verschleppt hat. Sie müssen Zwangsarbeit leisten.
Uns erging es auf alle Fälle besser. Im Vergleich zu ihnen werden
wir wie Herren leben. Ich verspreche, dass du auch ein Bad haben
wirst! Kormosch lief ausdauernd, hechelnd ihnen hinterher.
Die Jungs wollten dieses arme Viech auf jeden Fall mitnehmen
obwohl ihre Mutter beteuerte, dass dies nicht möglich wäre, weil
die Genehmigung dazu fehle. Johann löste sich mit Gewalt aus
den Armen seiner Mutter und sprang vom Wagen. Seine Patschker
– die er an Weihnachten voller Stolz anzog, wohlwissend,
dass sie von seinem Vater in Handarbeit angefertigt worden waren…
– er sank im Matsch bis zu den Knien ein. Er umarmte
den Hund und hielt ihn verkrampft, weinend und zitternd fest.
Der Verzögerung wurde von einem ungeduldigen Wächter ein
Ende gesetzt. Er entriss dem Kind den Hund, schob Johann beiseite,
zog das Gewehr und schoss auf das Tier. Der Hund fiel mit
einem leisen Wau um. Ungewollt trat er noch zweimal mit seinen
Hinterbeinen, bis er sich bewegungslos ausbreitete. Das Ganze
dauerte weniger als ein paar Sekunden. Der Bewaffnete trat zum
Abschied seine verdreckten Stiefel am Kadaver ab. Das konnte
Josef nicht mehr zulassen. Er sprang vom Wagen und spuckte
dem Wärter ins Gesicht. Er schnappte sich den Jungen und kletterte
auf das Plateau. Rosa zog verschreckt das weinende Kind
zu sich. Die winzigen Fußspuren von Johann blieben im Matsch
zurück. Mehr haben sie nicht hinterlassen, bis auf den Kadaver
von Kormosch, der allmählich auskühlte. Der Hundemörder
drohte weiter mit seiner Waffe und fluchte lange. Josef versuchte
erneut, Rosa zu beruhigen: „Weine nicht, Rosa! Es wird uns gut
gehen in der neuen Heimat! Ich wollte eigentlich schon immer
da hin. Erinnerst du dich, dass wir einmal drüber sprachen, einst
dorthin zu ziehen?! Natürlich war es nicht ganz so geplant. Aber
wenn es so gekommen ist, dann sehen wir die gute Seite der Sache!”
Aber jedes Wort war umsonst. Dieser ruhmlose Tag fiel auf
den 19. März 1946, als sie ihre ungarische Staatsbürgerschaft
verloren haben. Als wir in Kleinturwall ankamen, war der Bahnhof
bereits mit Menschen gefüllt, die das gleiche Schicksal geteilt
haben. Der Nachbar Koller und seine Familie mussten mit der
eigenen Kutsche das innig geliebte Heimatdorf verlassen. Der
Fuhrmann fiel an den Gleisen wie ein Kind weinend ins Gesicht
seiner Pferde, während er mit beiden Händen an deren Haaren
streichelte. Die Soldaten trieben ihn mit Schlägen von den Tieren
fort. Csillag blickte den Schotterstein tretend, seinen Kopf
senkend und dann wieder aufrichtend, mit traurig schimmernden
Augen seinem Besitzer hinterher. Josef sah zum ersten Mal in
seinem Leben ein Pferd, das weinte. Nach Erzählungen der Verbliebenen
haben diese Tage jeden zutiefst erschüttert. Diejenigen,
die - warum auch immer - bleiben konnten, und die im Dorf
verbliebenen Madjaren beobachteten erschüttert, unter welchen
Umständen ihre Verwandten, Bekannten und Familienmitglieder
aufbrachen. Genauso herzzerreißend war der Anblick der verlassenen
Höfe. Es war schwer, in der Atmosphäre von Angst und
Misstrauen das gewohnte Leben fortzuführen. Das Dorf verlor
einen Großteil seiner Bewohner. Die „Mitarbeiter” des Amtes für
Volksfürsorge plünderten die leeren Häuser und viele wurde wieder
bezogen. Später wurden die herrenlosen Höfe und Böden
unter den anstehenden, aus Siebenbürgen und dem ehemaligen
Oberungarn Zwangsumgesiedelten verteilt. Es ist heute schwer
vorstellbar, was für ein Verhältnis zwischen den Alteingesessenen
und den „telepesek” entstand. Sie hatten auch nicht hierherkommen
kommen wollen. Auch ihnen war Haus und Grund
genommen worden. Die traumatisierten Altbewohner sahen jedoch
in ihnen nur Eindringlinge. Es dauerte lange, bis sich die
Situation normalisierte. Viele der nach Deutschland Deportierten
konnten ihre Verwandten nie mehr wiedersehen und das Glockengeläut
von Wudigess nie wieder hören.
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Das Buch ist in ungarischer Sprache erschienen. Zu beziehen
beim Autor über die E-Mail-Adresse [email protected] oder
die Mobilfunknummer +36303601853. Öffentliche Buchvorstellung
am 1. August 2020, 14:30 im Café und Bistro „Dióhéj“ in
Schambek/Zsámbék.
Die Donauschwaben - eine Filmkritik
Von Armin Stein
Die Rubrik „Filmkritik“ des Sonntagsblattes widmet sich der Aufgabe
Aufmerksamkeit auf Filme und Dokus zu lenken, welche
von den Ungarndeutschen oder den deutschen Minderheiten
Ostmitteleuropas handeln.
Als Erstes stelle ich das Dokudrama „Die Donauschwaben“ (Originaltitel
„Podunavske Svabe“) vor. Der Film von Regisseur und
Drehbuchautor Marko Cvejić ist eine serbische Produktion von
2011. Das Thema ist der Niedergang der deutschen Minderheit
in der Wojwodina.
(Fortsetzung auf Seite 30)
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