Dokumente ergänzend mit den Statistiken der Volkszählung
2011 können wir es sehr einfach modellieren, was in der Branau
mit den verbliebenen Deutschen passiert ist. Die Zahl - wahrscheinlich
für viele überraschend - sank bzw. sinkt radikal.
Wir haben lediglich aus 121 Gemeinden Daten für 1950, 1980
und 2011, die aber natürlich zu den wichtigsten deutschen Ortschaften
gehören bzw. gehörten. Diese Liste findet man am Ende
des Artikels. 1950, also direkt nach der Vertreibung, gab es noch
50 006 Deutsche in den untersuchten Gemeinden, diese Zahl
war 1980 31 128 und 2011 13 155. Die Zahl ist also auf 26,31%
des Wertes von 1951 gesunken, also fast 3 von 4 Deutschen
sind in 60 Jahren verschwunden! Natürlich kommt das Gegenargument
in Betracht, dass die Abwanderung aus den Dörfern
sehr intensiv war, und wer das behauptet, hat auch Recht. Die
Gesamtbevölkerung dieser Gemeinden ist auf 66% des Wertes
von 1951 gesunken. Wenn aber nur das die Anzahl der Schwaben
in der Branau beeinflusst hätte, sollten es 2011 rund 33 000
Deutsche in den 121 Gemeinden geben - und wie wir sehen, das
war überhaupt nicht der Fall.
Ehrlich gesagt scheint dies zu optimistisch und gleichzeitig unrealistisch
zu sein.
Und was ist die Lösung? Eine schwierige Frage, ich werde aber
in meinen folgenden Artikeln Vorschläge formulieren. Die Vergangenheit
können wir nicht mehr anders gestalten, die Zukunft
hingegen schon! Aber erstmal sollten wirklich alle einsehen, dass
wir uns in der 25. Stunde befinden und mit der Übernahme der
Trägerschaft einzelner Schulen noch nichts getan ist.
Mikrokosmos Ost- und Mitteleuropa
Deutsche Volksgruppen
Der den Bänken predigt…
s
Die Assimilierung dauert seit 60 Jahren ununterbrochen an. Man
könnte sagen, dass die 40 Jahren des sozialistischen Systems
diesen Rückgang verursacht hat. Damit hat man auch Recht,
ich würde mir nie den Mut nehmen, das vergangene System
in Schutz zu nehmen. Zu diesem Zeitraum gehört ohne Zweifel
auch die Nachwendezeit, aber es stimmt nachdenklich, dass
der Rückgang der Zahl der Deutschen in dem demokratischen,
kommunikationstechnisch gesehen auf jeden Fall minderheitenfreundlichen
Land Ungarn nicht gebremst werden konnte. Dafür
tragen sowohl die ungarische Elite als auch die ungarndeutsche
Elite Verantwortung.
Diese zwei Komponenten - die Abwanderung und die Assimilierung
- können sehr schnell das Ende des Kerngebiets der Donauschwaben
in der Branau bedeuten. Wenn wir nur schnell eine
Kalkulation machen und davon ausgehen, dass dieser Prozess
in den folgenden 30 Jahren verlangsamt wird und man statt eines
Rückgangs von 50% (wie von 1980 bis 2011) mit einem von
35% rechnen kann, dann wären in den geprüften Gemeinden
2040 8550 Deutsche bei einer Gesamtbevölkerung von 70 365.
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Eginald Schlattner
Erstmalig erschienen am 18. Juli 2019 in der rumänienmadjarischen
Zeitung „Erdélyi Napló“ - Zweitverwendung nach Übersetzung
mit freundlicher Genehmigung des Autors Ervin Szucher.
Eginald Norbert Schlattner ist der 86 Jahre alte evangelische
Pastor der Gemeinde Rothberg/Roşia. Er hat alles miterlebt, was
den Siebenbürger Sachsen im letzten Jahrhundert widerfahren
ist. Er musste auch miterleben, wie seine 700-Seelen-Gemeinde
nach der Wende binnen kürzester Zeit auf nur vier Personen
schwand.
Ein letztes Mal klingt die Glocke im einsamen Turm. Sie wird immer
leiser, bis sie ganz verstummt und die Umgebung in Stille
hüllt. In eins-zwei Minuten, die wie eine Ewigkeit wirken, öffnet
sich die Flügeltür der nahegelegenen Kirche, durch sie tritt ein
Pastor in langem, schwarzem Gewand herein. Er ist ein hochgewachsener,
grauhaariger alter Mann. Er schreitet mit einer Bibel
in seiner Hand Richtung Altar, während seine Blicke über die
Kirchbänke spähen, obwohl er auch mit einem Blick auf die Bänke
aufreihen könnte, welches Gemeindemitglied wo seinen Platz
hat. Er hält, dreht sich, schaut sich bedächtig um und seufzt.
„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“,
sagt er mit prächtiger Stimme und antwortet sich auch prompt:
„Amen.” Nach dem einführenden Psalm wendet er sich Richtung
Altar und spricht das Bußgebet. Danach blickt er erneut auf die
Kirchbänke und predigt die Gnade Gottes. In seinem in einen
Satz kondensierten Gebet versucht er den wichtigsten Gedanken
der Woche so zu formulieren, dass er währenddessen auf
die Taten Gottes hinweist. Die Predigt beginnt er mit dem exakten
Benennen der Bibelstelle - zu diesem Zeitpunkt und auch
während der Antwort bleibt niemand - nicht mal die Jüngsten
oder die alten Frauen - sitzen. Die Liturgie ist bereits auf ihrem
Höhepunkt: Das lebendige Evangelium ertönt. Die Kirche wird
von Stille erfüllt, nicht mal das Summen einer Fliege ist zu hören,
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