Sonntagsblatt 2/2019 | Page 5

Und jetzt kommt die schwarze Suppe (schön aus dem Ungari- schen spiegelübersetzt), die bittere Seite. 1. Bisher nie da gewesene Auswanderungswelle Obwohl aus der Europäischen Union so viel Geld nach Ungarn geflossen ist wie im Rahmen des Marshallplans in das in Trüm- mern liegende Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, konnte das Land davon in den vergangenen 15 Jahren aus verschiede- nen Gründen nicht viel profitieren. Wie auch im Sonntagsblatt berichtet wurde, ist die Branau ein großer Verlierer dieses Pro- zesses. Wegen der schlimmen wirtschaftlichen Situation oder nach einer anderen Interpretation aus Abenteuerlust sind viele Ungarndeutsche nach Österreich und Deutschland gegangen oder zumindest macht ihr Leben das wöchentliche oder monat- liche Pendeln aus. Natürlich ist dies für das private Leben der Betroffenen von Vorteil (mehr Einkommen pro Monat). Aber für unsere gesamte Volksgruppe ist es eine sehr negative Entwick- lung. 2. Ein echtes Feindbild Obwohl ich damit nicht einverstanden bin, dass man ständig ge- gen “BRÜSSEL” kämpft (ohne in Anspruch zu nehmen, dass wir Teil dieses “BRÜSSELS” sind) kann man das Thema nicht über- springen oder unkommentiert lassen. Viele unserer Landsleute rufen Brüssel “STOP!” zu, da sie mit der vermeintlichen oder wahren Leistung der EU nicht zufrieden sind. 3. Keine Behandlung von Minderheitenthemen auf EU-Ebene Nicht aus Versehen unterstützt die JBG als erste Zivilorganisa- tion des Landes die Initiative “Minority SafePack”. Die Rechte der autochthonen Minderheiten werden auf europäischer Ebene nicht berücksichtigt, obwohl ein europäisches Minimum wün- schenswert wäre. Ein wichtiger Punkt der Initiative war, dass die von Minderheiten bewohnten Regionen auch wirtschaftlich mehr unterstützt werden, um die Fähigkeit der jeweiligen Region zu fördern, ihre Bevölkerung zu halten. Am besten wäre es, wenn es einen EU-Kommissar nur für die autochthonen Minderheiten gäbe. Beide Seiten der Liste könnten noch erweitert werden, das Ziel war nicht, dass man damit eine vollständige Meinung über die EU vermittelt bekommt. Ganz im Gegenteil: Am 26. Mai wurde womöglich entschieden, in was für einem Europa wir und unsere Kinder und Enkelkinder leben werden. Was sicher ist, dass ohne Zusammenarbeit und Kooperation die europäischen Länder auf der Weltbühne nicht überleben werden. und ähnliche Fragen tauchen regelmäßig auf. Es wäre sehr inte- ressant, eine Maßeinheit dafür zu entwickeln, dies scheint aber unrealistisch zu sein. Wozu man aber greifen kann, sind die Sta- tistiken, die aber nur als Ausgangspunkt dienen können. Laut dem Mikrozensus 2016 leben etwa 20% der Angehörigen der deutschen Nationalität in der ungarischen Hauptstadt Buda- pest. 2001 lag dieser Anteil erst bei 11,32%, 2011 bei 15,56%. Obwohl wir wissen, dass diese Zahlen wegen der falschen Fra- gestellung nicht genau sind (in einigen Fällen stehen sie ganz fern von der Realität), von Tendenzen können wir dennoch spre- chen. Innerhalb von 15 Jahren wurde Budapest zum Zentrum der Ungarndeutschen - statistisch gesehen zumindest. Die Bra- nau, wo 2001 noch 23% der deutschen Bevölkerung des Landes lebten (damit belegte die Branau damals den ersten Platz unter den Komitaten), steht nun auf dem zweiten Platz; dort leben nur noch etwa 15% der Deutschen. Auf den dritten Platz kommt das Komitat Pesth mit 13,35%. Die weiteren Komitate der typischen ungarndeutschen Sied- lungsgebiete stecken in einer Abwärtsspirale, außer Raab-Wie- selburg-Ödenburg (dazu eine Erklärung in einem späteren Arti- kel). Das Beispiel der Tolnau ist am bittersten. 2001 gehörte die Tolnau zu den wichtigsten Komitaten aus ungarndeutscher Sicht, jeder 10. Deutsche lebte dort. Dank der veränderten Methodik ist die Zahl der Angehörigen der deutschen Nationalität in den “an- deren” Komitaten überdurchschnittlich gestiegen, während der Anteil in der Tolnau um 4% gesunken ist, dies bedeutet, dass die neue Methodik eine geringere Steigerung für die Tolnau bedeu- tete als auf Landesebene. Dem Mikrozensus nach ist die Situa- tion noch schlimmer geworden; nur 4,4% der gesamtdeutschen Bevölkerung leben dort. Mit Zahlen ausgedrückt: 2001: 6660, 2011: 11983, 2016: 7870; fast die gleiche Zahl wie 2001! Dies kann nichts anders bedeuten, als dass das Tolnauer Schwaben- tum jedes Jahr weniger wird; dies gilt für alle traditionell deutsch bewohnten Komitate außer der Branau. Dieser Prozess wurde auch im ersten Artikel dargestellt, aber man muss es nochmal betonen: (Auch) Statistisch gesehen befindet sich das ungarlän- dische Deutschtum in einer Talfahrt. „Innenansichten Ungarns“: Vortrag von Georg Habsburg-Lothringen im Kulturzentrum „Haus der Heimat“ Pressedienst des Verbandes der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich (VLÖ), 09. 05. 2019 Mikrozenzus 2016: Fast ein Fünftel der Deutschen in Ungarn lebt in der Hauptstadt Von Patrik Schwarcz-Kiefer Um die im Artikel verwendeten Begriffe richtig verstehen zu kön- nen, empfehlen wir unseren ersten Artikel über den Mikrozensus zu lesen (Sonntagsblatt 1/2019). Die geographische Verteilung der deutschen Bevölkerung in Un- garn ist seit langem Gegenstand interregionaler Diskussionen. Welche Region ist “stärker”, wo leben die “besseren” Schwaben SoNNTAGSBLATT Auf prominenten Besuch konnten sich die VLÖ-Vorstandsmit- glieder, Funktionäre und weitere Gäste am Montagabend, den 6. Mai 2019, freuen, denn niemand Geringerer als Georg von Habsburg-Lothringen war in das Kulturzentrum „Haus der Hei- mat“ gekommen. VLÖ-Präsident Dipl.-Ing. Rudolf Reimann und VLÖ-Generalse- kretär Ing. Norbert Kapeller freuten sich dabei, nebst weiteren Ehrengästen die Stv. Kabinettschefin Mag. Dr. Claudia Holzer vom Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport sowie Gesandten a.D. Dr. Hans-Martin Windisch-Graetz begrüßen zu dürfen. Georg von Habsburg-Lothringen, der seit knapp 30 Jahren in Ungarn lebt, gab in seinem knapp 40-minütigen Vortrag mit dem Titel „Innenansichten Ungarns“ einen sehr detaillierten Einblick (Fortsetzung auf Seite 6) 5