Sonntagsblatt 2/2019 | Page 22

ten des Geschäftsführers aber Subunternehmen, die sich darauf spezialisiert haben. Dabei sei es immer schwieriger, genügend Personal zu finden. Dies gilt nicht nur für die Subunternehmen, wo die Jüngsten zur Mittfünfziger-Generation gehörten, sondern auch für das eigene Unternehmen: Die GmbH sucht händeringend nach deutsch- sprachigen Bürokräften, ungarischsprachigen Fach- und Hilfs- kräften, Schlosser zu finden sei dabei so gut wie hoffnungslos, so der 36-jährige gebürtige Montenegriner, der seit 19 Jahren in Ungarn lebt. Das liege nach Eindruck des Geschäftsführers weniger am Geld, denn man zahle mittlerweile europäische Durchschnittslöhne, vielmehr daran, dass in den Berufsschulen zu wenig ausgebildet würde. Früher hat man nach Erinnerun- gen von Kraljevic Berufspraktika angeboten, aber seit geraumer Zeit komme keiner, obwohl die Zaunherstellung keine Schwerst-, sondern vielmehr eine kreative Arbeit darstelle. Ein weiteres Pro- blem sei, dass große Firmen aus der Metallbranche wie Audi und Mercedes den mittelständischen Firmen die Fachkräfte entzie- hen würden. Dies hätte Konsequenzen für Umsatz und Wachstumsmöglich- keiten: „Wir könnten ohne Weiteres die Produktion verdoppeln, wenn wir genügend Nachwuchs hätten. So müssen wir viele Auf- träge ablehnen. Aber wir sind auf der anderen Seite ein Nischen- produkt, Masse könnte auf Kosten der Qualität gehen.” Die Firma erwirtschaftet 300 – 400.000 Euro (100 – 130 Millionen Forint) Umsatz im Jahr und beschäftigt 8-10 Mitarbeiter. Mit den Sub- unternehmen sichert Zaunsystem nach Worten des Geschäfts- führers 25 – 30 Menschen teilweise den Lebensunterhalt. Die Zahl der Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz beläuft sich mittleweile auf über 1200, dabei gäbe es große re- gionale Unterschiede. Der stärkste Markt ist der österreichische, gefolgt von der schweizerischen, der kleinste ist der deutsche. Hier gäbe es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle: „Unter den 1200 Kunden seit 2011, als das Auslandsgeschäft aufgemacht wur- de, gab es lediglich fünf nord- und ostdeutsche.” Dieser Teil des deutschen Markts würde nach Eindruck von Kraljevic von pol- nischen Firmen dominiert, die aber qualitativ nicht so hochwer- tige Produkte anbieten würden. Auch die deutsche Konkurrenz schlafe nicht, punkten könnte man da preislich: Die Preise der deutschen Firmen lägen um 50 - 60 % über die von Zaunsys- tem, die der schweizerischen noch deutlich drüber. Das bewe- ge die Firmen dazu, mit der ungarischen Firma aus Wudigess zu kooperieren, so der Mittdreißiger. Das bedeutet je nach Land eine unterschiedliche Vorgehensweise: In Österreich setze man auf eigene Konsultation, Bemessung und Montage, auch dank der geografischen Nähe Österreichs zum Produktionsstandort in der Nähe der Westautobahn M1. In der Schweiz arbeite man mit Partnerfirmen zusammen, die die Montage übernehmen wür- den. Dies liege daran, dass die Schweizer den eigenen Leuten eher vertrauen würden. Im Falle Deutschlands würden die Zaun- elemente entweder örtliche Handwerker zusammenbauen oder die Kunden selbst: „In Deutschland hat jeder Hilti-Geräte in der Garage stehen”, schmunzelt Stevan Kraljevic. Kooperation hin und her, der Kunde erfahre so oder so viel Aufmerksamkeit: „Der Kunde bekommt zuerst Referenzadressen, die sich nicht weiter als 10-15 Kilometer befinden, in Deutschland mit einem dichten Autobahnnetz 30 Fahrminuten. Vor der Bestellung bekommt der Kunde auch eine aufwendige Dokumentation mit Schaubildern. Bei der Herstellung spielen dann Norm und Design eine gleich große Bedeutung”, erklärt der Geschäftsführer. Nach dem Besuch bei der Firma fällt mir etwas ins Auge: Die akkurat aufgereihten Zäune, die vor der Fertigungshalle zum Ab- transport bereit stehen, und damit auch ein Stück unseres Erbes, auch wenn in etwas ungewöhnlicher Konstellation. 22 Ansichten - Einsichten s Europa – quo vadis? Wirtschaft und Politik aus sozialethischer Sicht Sectio Theologica der Bayerischen Beneditkinerakademie 16. 4. 2018, Wien von Prof. Dr. Ingeborg Gabriel Herzlichen Dank für die Einladung. Das Thema, das mir die Ka- tholische Akademie gestellt hat, ist sehr umfassend und ich hoffe sehr, dass sie keine vollständige Antwort erwarten. Dennoch: Gerade angesichts der rasanten Umbrüche, die wir heute erleben und die uns teils orientierungslos zurücklassen, erscheint es sinnvoll, wenigstens den Versuch zu unternehmen, unterschiedliche politische und wirtschaftliche Entwicklungen zu- sammen zu denken und sie einer sozialethischen Bewertung zu unterziehen. Diese schließt für Christinnen und Christen immer auch eine theologische Grundperspektive ein. Methodisch folge ich damit den Spuren von Gaudium et spes, das die humanwis- senschaftliche Ebene (skizziert im ersten noch immer lesenswer- ten Teil GS 4-11) mit der ethischen und theologischen Dimension verschränkt mit dem Ziel, die Zeichen der Zeit in einer bestimm- ten Epoche zu deuten, das heißt sie auf ihre humanen Potentiale hin abzuklopfen, was ja immer schon eine theologische Dimen- sion einschließt, da Gott - um es ganz simpel zu sagen – das Gute für die Welt und Menschen in jeder Zeit und an jedem Ort will und wirkt. Ein Mehr an Humanität entspricht damit allemal dem göttlichen Willen. „Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.“ – reimte Heinrich Heine Mitte des 19. Jhdts. Dieser Reim ließe sich heute auf Europa übertragen (damit ist im Fol- genden vor allem die EU gemeint). Vielfältige, sich verdichtende Krisensymptome stellen die Europäische Union mit ihren Insti- tutionen aber darüber hinaus die Strukturen und Menschen des Kontinents vor eine Vielzahl neuer Herausforderungen. Diese sind in unterschiedlichen Regionen und Nationen verschieden und auch unterschiedlich intensiv ausgeprägt. Das Auseinander- driften der nördlichen und südlichen Staaten nach der Finanz- krise von 2008, die immer offenkundiger werdenden politischen Risse zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil der EU, also den alten und den 2004 (respektive 2007) der EU beigetre- tenen zuvor meist kommunistischen Mitgliedsländern, sowie die zunehmende Attraktivität nationalistischer Parteien mit europa- feindlicher Ausrichtung, die eine Schwächung ja Zerschlagung der EU anstreben, wie auch die sich rasch wandelnden geo- politischen Konstellationen können einem tatsächlich den Schlaf rauben. Dies gilt nicht nur für politische Verantwortungsträger, sondern für alle Bürger und Bürgerinnen, die ja in Demokratien Mitverantwortung tragen und – darauf komme ich am Ende zu- rück – stellt auch Christen vor die Frage nach ihrem möglichen Beitrag. Denn: Die politischen, wirtschaftlichen wie kulturellen Folgen einer Desintegration der EU wären zweifellos katastro- phal und sind im Detail gar nicht vorstellbar. Das durchgängig düstere Bild sollte jedoch durch einen Blick an die Peripherien Europas ergänzt werden. Denn dort befinden sich jene Staaten, die sich weiterhin mit allen ihnen zur Verfü- gung stehenden Mitteln um den Beitritt zur EU bemühen, in der Hoffnung dadurch ihre Konflikte entschärfen, den Frieden zu si- chern und am Wohlstand teilhaben zu können. Jeder der einmal in Albanien, in Mazedonien oder gar Moldawien, aber auch in Serbien und der Ukraine war, kann davon berichten. Auch auf den großen Demonstrationen gegen Korruption in den letzten Jahren in Rumänien und Bulgarien sah man überwiegend EU Flaggen. Ihre Teilnehmer hofften auf die Durchsetzung euro- SoNNTAGSBLATT