kennen und bekräftigen zu lassen. Die sächsische Bevölkerung,
die in anderen Gebieten Ungarns lebte, strebte danach, dass der
König die in dem großen Freiheitsbrief festgeschriebenen Rech-
te auch auf sie erweitere. So wurde das Andreanum von beinahe
jedem ungarischen König erneuert, so z.B. 1317 von Karl Robert
(1308-1342). Ludwig d. Große (I.) (1342-1382) erweiterte 1366
die im Andreanum festgeschriebenen Freiheiten auf das Nösner-
land (Komitat Bistritz-Naßod), König Sigismund (1387-1437) tat
1422 dasselbe in Bezug auf das Burzenland.
Am 24. November 1271 verlieh König Stephan V. aus der Dy-
nastie der Árpáden (1270-1272) der sächsischen Bevölkerung
in Oberungarn, in der Zips, einen großen Freiheitsbrief. Dieser
Freiheitsbrief sicherte gleiche Rechte wie das Andreanum. Die
sächsische (deutsche) Bevölkerung strebte somit nach allge-
meingültigen Privilegien.
Die erlassenen Freiheitsbriefe sicherten die folgenden Rechte
und Verpflichtungen:
1. die Unabhängigkeit von den Komitatsbehörden,
2. die unmittelbare Verbindung zur königlichen Macht,
3. weitgehend unabhängige Gerichtsbarkeit und Verwaltung,
4. die freie Wahl der Beamten der unteren Stufe aus den eigenen
Reihen,
5. die Wahl der Geistlichen,
6. in der Heeresorganisation: Aufstellung getrennter Truppen,
7. dem König Obdach gewähren,
8. spezifisch geregelte Steuerleistungen und Abgabeverpflich-
tungen.
Innerhalb des Deutschtums im Karpatenbecken bildete sich
keine eigene Adelsschicht heraus, denn dies wurde durch die
mitgebrachten Gewohnheitsrechte und durch die königliche Re-
gelung verhindert - die königlichen Beamten der unteren Stufe
wurden zu frei gewählten Beamten: z.B. der Siebenbürger Sach-
sengraf, zu dessen Ernennung auch die königliche Zustimmung
gebraucht wurde. Ähnliche Aufgaben hatten auch die sächsi-
schen Schultheißen (soltészek), die vom 12. Jahrhundert an die
Ansiedlung der bis dahin unbewohnten Gebiete von Oberungarn
leiteten, danach wurden sie zum Richter der Siedlergemeinden.
Auch die ungarische Benennung „soltész” stammt vom deut-
schen Wort Schultheiß. Zahlreiche frühere hospes-Siedlungen
erhielten von den Königen, von den kirchlichen oder weltlichen
Großgrundbesitzern das „deutsche” (bzw. „sächsische”) Stadt-
recht.
Im Laufe des 14. Jahrhunderts erlebten die Städte eine gewal-
tige wirtschaftliche Entwicklung. Diese Entwicklung betraf in
erster Linie die sächsischen Städte von Siebenbürgen. Neben
Syrmien in Südungarn zählten die Siebenbürger Sachsenstüh-
le zu dieser Zeit zu den höchstentwickelten Gebieten Ungarns.
Dies wird durch die zahlenmäßige Zunahme der Zünfte bewie-
sen. 1376 gab es in vier sächsischen Städten Hermannstadt/
Nagyszeben,Schässburg/Segesvár, Mühlbach/Szászsebes und
Broos/Szászváros schon 19 Zünfte. Diese Entwicklung wird auch
dadurch widergespiegelt, dass König Sigismund 1402 Bartfeld/
Bártfa, Leutschau/Lőcse, Tyrnau/Nagyszombat, Preßburg/Poz-
sony und Ödenburg/Sopron mit dem Stapelrecht ausstattete und
ihren Bürgern das Recht des Freihandels auf dem Gesamtgebiet
Ungarns gewährte. Auf die ununterbrochene Entwicklung der
Städte weist hin, dass König Sigismund im Jahre 1405 mit einem
besonderen Gesetz die Rechte der Städte regelte; in demselben
Jahr wurde auch das deutschsprachige Gesetzbuch der Stadt
Ofen/Buda kompiliert. Das Ofener Gesetzbuch, das keine ein-
heitliche Konzipierung hatte und in mehreren Phasen entstand,
fasste die Elemente der Rechte der westlichen Städte, vor allem
die Elemente des Magdeburger Rechtes, die Privilegien, die Sat-
zungen, die Zunftordnungen und zum Teil das Gewohnheitsrecht
der Stadt Ofen/Buda in ein System zusammen. Dieses Gesetz-
buch wurde dann zu einem landesweit befolgten Modell. Neben
den Städten nahmen auch die Marktflecken eine schwungvolle
Entwicklung.
sonntagsblatt
Dank ihrer Entwicklung bauten die Städte neben der wirtschaft-
lichen Führungsposition auch ihre politische Macht aus und ab
1430 konnten sie auch an den Versammlungen der Stände, an
den späteren Ständetagen teilnehmen. Daher können auch die
Siegel der Städte Pressburg/Pozsony und Ö denburg/Sopron auf
der Urkunde des Ständetages aus dem Jahre 1438 gefunden
werden. Dieser Ständetag wählte Albrecht von Habsburg zum
Nachfolger von König Sigismund.
In der Entwicklung der ungarländischen Städte bedeuteten die
Angriffe der Türken, die am Ende des 14. Jahrhunderts began-
nen und vom 15. Jahrhundert an immer häufiger wurden, einen
Bruch. Die Streifzüge der Türken bedrohten vor allem Südun-
garn und Siebenbürgen, und so fielen die sächsischen Städte
in Siebenbürgen den Verwüstungen der Türken zum Opfer. All
dies veranlasste die Siebenbürger Sachsen zur Organisation
ihrer Selbstverteidigung und zu einem in Europa einzigartigen
Unternehmen, nämlich dazu, Kirchen mit einer guten strategi-
schen Lage zu Wehrkirchen und zu Festungen auszubauen. Das
Resultat dieser Tätigkeit war ein Festungsgürtel, der am Ende
des 15. Jahrhunderts mehr als 300 Wehrkirchen einschloss. Von
diesen Festungen erhielten sich bis heute immerhin noch 150.
Die Städte und damit auch die Sachsen stießen in der Person
des Königs Matthias auf einen Befürworter mit großer Macht. Als
Ergebnis der Politik des Königs Matthias wurde die zweihundert
Jahre alte Bestrebung des Siebenbürger Deutschtums im Jahre
1486 erfüllt: Der König erweiterte die im Andreanum festgelegten
Privilegien generell auf die sächsische Bevölkerung Siebenbür-
gens. So verwirklichte sich endlich die siebenbürgische sächsi-
sche Nation, die sächsische Universität (Universitas Saxonum
Transsylvaniae). Die im 16. Jahrhundert einsetzende Reforma-
tion veränderte grundsätzlich die religiöse und demzufolge auch
die politische Einstellung der Bevölkerung in den Städten. Im 16.
und im 17. Jahrhundert verbreitete sich das evangelische Be-
kenntnis unter den Deutschen und nahm ein solches Ausmaß
an, dass diese Richtung des Protestantismus im Ungarn der Re-
formation auch „deutsches Bekenntnis” genannt wurde. Mit der
rapiden Verbreitung des Protestantismus wurde die reformierte
Konfession unter der ungarischen Bevölkerung das stärkste Be-
kenntnis und wurde als „ungarischer Glaube” bezeichnet.
Die Herrschaft der Türken, die große Teile Ungarns besetzten,
und die mit dieser Herrschaft eng verbundenen Heimsuchungen
bedeuteten für die Menschen dieses Zeitalters neben der kon-
fessionellen Spaltung die größte Belastung. In Europa war die
Richtung der türkischen Eroberung Ungarn, und außer Ungarn
das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Die Streitkräfte
des mittelalterlichen ungarischen Staates erlitten am 29. August
1526 in der Schlacht bei Mohatsch/Mohács eine vernichtende
Niederlage. Dem in der Schlacht gefallenen ungarischen König
Ludwig II. Jagello folgten zwei Monarchen, Johann von Zápo-
lya (1526-1540) und Ferdinand von Habsburg I. (1526-1564) auf
den Thron; durch dieses Ereignis verband sich das Schicksal
Ungarns für mehrere Jahrhunderte mit dem Habsburger-Reich.
Das geteilte Land fiel durch die Eroberung von Ofen/Buda am
29. August 1541 der Macht der Türken als reife Frucht in den
Schoß. Dies bedeutete die Spaltung des Landes in drei Teile.
Das königliche Ungarn war von der Dynastie der Habsburger
beherrscht, der innere Teil des Landes war von den Türken be-
setzt, die östlichen Regionen, das siebenbürgische Fürstentum,
das die Türken als Lehen hatten, wurde von ungarischen Fürsten
regiert. Dieser gegebene politische Rahmen bestimmte für 150
Jahre die politische, wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaft-
liche Entwicklung des Karpatenbeckens.
In dem ab 1541 dreigeteilten Land war man sogleich darum
bemüht, dass die von den Türken nicht besetzten Teile - West-
ungarn und Siebenbürgen - weiterhin eine organische Einheit bil-
den sollten. Die Siebenbürger Sachsen traten dafür ein, Sieben-
bürgen mit dem königlichen Ungarn, also mit den Habsburgern,
zu verbinden.
(Fortsetzung auf Seite 4)
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