schule und keine deutsche Lehrerbildungsanstalt gebe. Ob er sich
damals noch daran erinnerte, dass er selbst solche Schulen an -
fangs abgelehnt hatte?
Der tragische Kampf Bleyers um die gesetzlich verbrieften
Rechte der Ungarndeutschen geht aus den Zeugnissen hervor, die
ich in meiner »Geschichte der Ungarndeutschen in Dokumenten
1930–1950« (Schorndorf 1959) veröffentlichte. Die Madjaren
waren nicht bereit, der deutschen Volksgruppe jene minimalsten
Rechte zuzubilligen, die ihren Fortbestand gesichert hätten.
Betrübt stellte Bleyer in einem Brief an Gustav Gratz 1932 fest:
»Der von mir seit 15 Jahren befolgte Weg hat sich als eine Sack gasse
erwiesen.« Es bestünden nur noch zwei Wege für die Volksgruppe:
entweder sich den ungarischen Assimilationsbestre bungen zu
fügen oder ans große Deutschtum zu appellieren; von Bedeutung
könne bloß eine Diskussion zwischen Berlin und Budapest sein.
Nach der großen Enttäuschung mit dem Madja rentum musste er
auch eine gewaltige Enttäuschung durch die Reichsregierung erle-
ben, als diese ihm am 11. August 1933, also kurz nach dem Besuch
des Ministerpräsidenten Gömbös bei Hitler, über die Deutsche
Gesandtschaft in Budapest mitteilen ließ, sie sei zur Zeit nicht in
der Lage, irgendeinen Druck auf die ungarische Regierung auszu-
üben; deshalb sei es unerwünscht, dass das ungarländische
Deutschtum in schroffen Gegensatz zur Regierung des Landes
und dessen öffentlicher Meinung gerate; Bleyer möge es sich bei
seiner weiteren Tätigkeit vor Augen halten.
Diese Mitteilung muss für ihn niederschmetternd gewesen sein
und trug sicherlich dazu bei, dass seine Kräfte nun schnell versieg-
ten. Der Tod, der ihn am 5. Dezember 1933 hinraffte, ersparte
ihm zu erleben, wie die Reichsregierung vor den entschiedenen
Forderungen Budapests bis 1938 schrittweise zurückwich, wie
seine Schöpfung, der Volksbildungsverein, in die Hand der Regie -
rung geriet und zum Werkzeug »schmerzloser Madjarisierung«
gemacht wurde und wie schließlich das historische Madjarentum,
nämlich die »rassenreinste« Kleinlandwirtepartei und die
Nationale Bauernpartei unter Assistenz der Kommunisten, zahl-
reiche ungarländische Deutsche nach dem zweiten Weltkrieg ver-
trieb.
Auf politischem Gebiet konnte Bleyer das Erstrebte nicht errei-
chen, denn der madjarische Rassenstaatsgedanke war mächtiger
als seine unermüdliche Tatkraft. Seine konstruktiven Vorschläge -
ich denke an die Ideen seiner letzten Lebensjahre wären geeignet
gewesen, ein friedliches Zusammenleben der Völker des Kar -
patenraumes zu sichern, aber es kam alles anders. Er starb auch
vor Vollendung seiner wissenschaftlichen Leistung. Seine wich-
tigste Erkenntnis war wohl, dass die deutsche Philosophie, Li -
teratur- und Geistesforschung »mit ungarischer Zielsetzung« erst
durch eine ungarische Geisteswissenschaft, die aus deutschem
Boden hervorwächst, vollendet werden kann. In diesem Punkte
führte ich sein Vorhaben weiter, wobei es mir nicht so sehr auf die
Tatsache der geistigen Beeinflussung, sondern vielmehr auf deren
Sinn und Grenzen als Hauptproblem ankam. Mit der Kunstbe -
trachtung Bleyers habe ich mich an die Arbeit herangemacht. Er
hatte zwar die Berechtigung einer ästhetischen Kritik nicht ge -
leugnet, richtete aber in erster Linie seine Forschung auf das his-
torisch–politisch Folgenschwere in den Dichtungen, diesen ein-
deutigsten Offenbarungen der Volksseele. Er brachte den Schü -
lern bei, es gebe im geistigen Leben keine vereinzelten, allein auf
sich gestellten Tatsachen, alles hänge mit allem zusammen, der
Forscher stoße überall auf Grenzfragen; daher die zahlreichen
Gesichtspunkte, die bei der Untersuchung der Hintergründe des
Schicksals der Ungarndeutschen zu beachten seien.
Meines Erachtens wird Bleyers wissenschaftliches Werk weiter-
wirken; seine politischen Ideen aber gehören der Vergangenheit
an, denn ohne nationale Selbstverwaltung nicht nur auf kulturel-
lem Gebiet und bei Fortdauer der Vorherrschaft irgendeines
Volkes kann es zu keinem friedlichen Zusammenleben der Völ -
kerschaften im Karpatenraum kommen.
An der Suprematie des Madjarentums hat Bleyer selbst 1933
noch festgehalten. Sein heroischer Kampf in den letzten Lebens -
jahren erfüllt uns dennoch bis heute mit Bewunderung, zumal er
ihn gegen das Madjarentum führen musste, dem er als ungarischer
Patriot aus tiefster Seele zugetan war.”
O
In geordneten Bahnen?
LdU verabschiedet neue Kriterienliste, die die Übernahme
von Bildungseinrichtungen regeln soll
Von Richard Guth
November letzten Jahres verabschiedete die Vollversammlung der
Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) eine neue
Kriterienliste, die bei der Übernahme von Bildungseinrichtungen
durch örtliche Nationalitätenselbstverwaltungen (NSVW) gelten
soll, zumal die Übertragung der Trägerschaft laut Gesetz einer
Zustimmung seitens der LdU bedarf. Demnach stimmt fortan die
Landesselbstverwaltung beim Vorhandensein aller folgender
Kriterien einer Übernahme zu:
• im Ort vertritt eine gewählte örtliche Nationalitäten selbst -
verwaltung seit mindestens zwei Wahlperioden die Interessen
der deutschen Minderheit
• im Ort gibt es einen eingetragenen Verein, der im Interesse
der deutschen Minderheit seine Tätigkeit ausführt
• vorhandene personelle Voraussetzungen: Lehrpersonal ver-
fügt über Qualifikationen im Bereich „Nationalitätenpäda -
gogik”
• Bericht über die letzten drei Jahre hinsichtlich des Minder -
heitenunterrichts
• Pädagogisches Programm, das auch Zukunftspläne enthält
• Haushaltsplan mit Prognose (auf Grundlage der Entwicklung
der Schülerzahlen in den kommenden drei Jahren)
• Absichtserklärung der kommunalen Selbstverwaltung, dass
diese im Falle von Finanzierungsschwierigkeiten die Trägerin
Deutsche NSVW finanziell unterstützt und dass diese darüber
hinaus bei Bedarf auch bei der Finanzbuchhaltung und bei
Verwaltungsaufgaben helfend einspringt.
Nun stellt sich die Frage, was die LdU bewogen hat, diese Krite -
rienliste zu erarbeiten und zu verabschieden. Hierzu äußerte sich
Ibolya Hock-Englender, stellvertrende LdU-Vorsitzende und
Bildungsexpertin: „Nachdem voriges Jahr mehrere Bildungsein -
richtungen von lokalen Selbstverwaltungen übernommen worden
sind, hat man scho n erahnen können, dass 2016 auch mehrere
Übernahmen erfolgen werden bzw. wir (die LdU) haben auch
zahlreiche Übernahmeabsichten wahrgenommen. Mit den deut-
schen Selbstverwaltungen, die ab September 2015 zum Bildungs -
träger geworden sind, standen wir den ganzen Herbst in Kontakt
und haben dadurch von ihren Anfangsschwierigkeiten gewusst.
Die Kriterienliste entstand also zum Teil aus der Überlegung
heraus, dass wir die Entsprechung dem gesetzlichen Hintergrund
schon im Voraus sichern, nicht dass die Einrichtungen später bei
einer Untersuchung der Regierungsbehörde Probleme bekom-
men. Andererseits möchte die LdU ihre Zusage solchen Bil -
dungseinrichtungen geben, die nachweislich schon seit längerem
eine gute Nationalitätenausbildung den Kindern und Schülern
sichern; auch die übernehmenden deutschen Selbstverwaltungen
sollten schon auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik Erfah -
rungen haben und wir wollten einer gewissen Kontinuität des
(Fortsetzung auf Seite 8)
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