Edit Gebhardt
„ In ein jedes christliches Haus gehört ein christliches Blatt”
Zur Thematisierung des Sonntagsblattes, 1921 – 1924( Vortrag bei der Tagung „ Deutsche in Ungarn”, organisiert vom Stiftungs- lehr stuhl für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleu ro- pa der Universität Pécs und dem Lenau Haus) 2. Fortsetzung und Ende
Das Programm der Selbstäußerung des Sonntagsblattes wurde unter den Schwaben schnell beliebt. „ Jetzt wissen wir, woher wir kommen, wer wir sind und wir sind stolz darauf.” – ist in einem Le- serbrief aus 1921 zu lesen. Anfang 1922 war die Zahl der Abonnen ten etwa 5000, die sich ständig erweiternde Lesergruppe mobilisierte 1924 in mehr als 400 Ortschaften die deutsche Bauern schaft. Nach einem Bericht des Obergespans der Branau hatte das Blatt in allen deutschen Dörfern Leser. Die Zeitung übernahm nicht nur die Rolle des Kulturzentrums bis 1924, es wurde sowohl zu einem Informationszentrum, als auch zur Interessen- und Rechtschutzorganisation.
Die kirchlichen Rezeptionen des Blattes waren auch positiv. Die Zusammensetzung der Redakteure schien Bleyer zu rechtfertigen, da schon am Anfang mehrere Mitglieder des Klerus zum Sonntagsblatt eine Bindung fanden, fast auf allen Ebenen der Hierarchie, aus allen von Deutschen bewohnten rumpfungarischen Regionen. Neben der Priesterschaft waren Prälat Anton Lepold, Titular-Bischof Johann Csiszárik, Pater Elmar Schwartz, Pater Paul Schrotty, Domkapitular Johannes Huber, Dechant- pfarrer Franz Hufnagel regelmäßige Autoren des „ Sonntagsblatts”. Die Dorfpfarrer schrieben auch gerne in das Blatt. Franz Bräutigam, Paul Perényi meldeten sich nicht nur mit Beiträgen, sondern sie waren Bleyers politische Befürworter. Diese Viel- fältigkeit wirkte positiv auf das Image des Blattes, nicht nur die Thematik, sondern auch die Schauplätze der internen Kommu- nikation betrachtet. Erzbischof Johann Csernoch selbst näherte sich versöhnlich zu der Nationalitätenfrage. Für die deutsche Minderheit war von Bedeutung die regelmäßige finanzielle Unter- stützung des Sonntagsblatts von ihm. Er überwies zwischen 1922 und 1926 etwa 310 Tausend Kronen dem Blatt. Unter den Spendern waren aber auch andere Mitglieder der Kirchenhierar- chie. Josef Kuhl Pfarrer von Tevel gab 100 Kronen dem Blatt. Die Leserbeiträge im Jahr 1924 wiesen darauf hin, dass die Beur- teilung der Zeitung in religiösen Kreisen differente Richtung aufnahm. Der Grund dafür war die Anpassung der Kirche zum Bethlen-System. „ Nur auf uns gestellt, können wir unser Interesse nicht verteidigen.” – äußerte sich der Fürstprimas im Dezember 1923. Das Ziel der politischen Elite, eine „ nationale Einheit” zu schaffen, hat den Konflikt des Klerus in der Minderheitenfrage vorprogrammiert. Dieser Antagonismus ist aus dem Jahresbericht der Diözese Fünfkirchen zu lesen. Im Januar 1924 schrieb der Obergespan der Branau, Franz Keresztes-Fischer, an Bischof Ju- lius Zichy Folgendes: „ man darf nicht zulassen, dass ein unter christlich-katholischen Firmen schaffendes Sonntagsblatt den Patriotismus der Bevölkerung zugrundemacht.” Nach dieser Aufforderung stellte der Schulhauptinspektor Stefan Komócsy fest: „ Die voriges Jahr herausgegebenen Exemplare enthalten Artikel mit der Richtung, […] gegen welche die Regierung nicht offen handeln kann, weil der Friedensvertrag das verhindert, aber eben deswegen sollen die unteren Behörden so wirken, dass bei der Erfüllung der For- derung der fremdsprachigen Schulen, die ungarische Sprache keinen Nachteil erleidet und es vielleicht zur […] Germanisierung kommt. […] Das Sonntagsblatt ist ein großer Nachteil für die Magyarisierung.”
Mit dieser Signatur machte sich Komócsy einen begrenzten Spielraum. Dies zeigten die weiteren Äußerungen. Die Bezirks- versammlung aus Bonyhád gab eine Stellungnahme gegen das Sonntagsblatt ab, damit „ das Blatt völlig beseitigt werde”. Der Pfarrer von Szálka lies wegen ihren aufreizenden Artikel kein einziges Exemplar der Zeitung ins Dorf. Der Priester aus Kakasd bat den Regierungsbeamten zum Handeln, um das Blatt einzustellen oder es auf einen inhaltlichen Richtungslinien-wechsel zu zwingen. In Pári hat der katholische Bauernverein auf die Zurede des Pfarrers die Zeitung abgesagt. Einen offensiven Ton besitzt auch der Bericht des Dekans vom Bezirk Mágocs: „ Unverzeihlich ist, dass die Zuständigen diese pangermanische Gruppe nicht längst verboten hat.” Der Pfarrer von Villány schrieb Folgendes: „ Das » Sonntagsblatt « […] fordert übertrieben die Verwendung der Mi- nisterverordnung über den Minderheitenschutz in der Praxis und weckt die schlummernden Instinkte in den Deutschen, so was kann schädliche Wirkungen haben.” Es gab Pfarrer die die Situa- tion der Kirche verzweifelt betrachteten: „[…] ich bin selbst einer von denen, die alles ergreifen, dass das „ Sonntagsblatt” in jedes Haus abonniert wird. […] Wenn die Festlegung gegen das Sonntagsblatt von irgendwo außen kommt, tut es uns, denen Gott die deutsche Sprache als Muttersprache gab, weh, dass wir damit schuldigt sind, gegen die Staatsideologie zu sein, denn wir sind stolz darauf, dass niemand sagen kann, er sei ein besserer Patriot.” – schrieb Michael Ambach von Dunakömlôd. Einige Pfarrer ließen sich nicht beeinflussen. „ Das Sonntagsblatt ist mit keiner anderen katholischen Zeitung zu ersetzen, deswegen warnte ich nur die Mitarbeiter des Blattes, das die Zeitung in falsche Richtung geht.” – bemerkte der Pfarrer Georg Bandl von Nagymányok. Im Jahr 1925 abonnierten mehr als die Hälfte der deutschstämmigen Dorfpfarrer selbst das Blatt, was eine weitere Unterstützung des Blattes bezeichnete. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Bleyer versuchte mit scharfem Realitätsgespür die Geistlichkeit für das in dem Jahr 1921 gegründete katholische Sonntagsblatt zu gewinnen. Er schuf eine Zeitung, die die Bedürfnisse des Ungarndeutschtums mit Erfolg traf. Die Diskussionen über die gemeinsamen Themen entwickelten von 1921 bis 1924 ein Zusammengehörigkeitsgefühl des Deutschtums. Eben deswegen geriet die Kirche in eine widersprüchliche Situation, da die politische Elite ihre Abhängigkeit vom System ausnutzend nach der Vernichtung des Blattes strebte. Obwohl die Einstellungen des Klerus eine differenzierte Rich- tung einnahm, existierte aber das Sonntagsblatt weiterhin.
❖ Gedanken zum politischen Vermächtnis J. Bleyers
von Georg Krix –( Fortsetzung und Ende)
Wie bereits im vorigen Teil dieses Aufsatzes erwähnt, Jakob Bleyer irrte sich bei der Einschätzung des „ historischen Madjarentums”. Er war der Meinung, mit Nachgiebigkeit könnte auch die ungarische Regierung zum Nachgeben bewogen werden. Er ging Kompromisse ein in der Hoffnung, dadurch mehr Zugeständnisse für die Volksgruppe zu erreichen. Anstatt einer Besserung hat sich die Lage von Jahr zu Jahr verschlechtert.
Über das Erwachen, das ‚ sich selbst finden’ Jakob Bleyers können wir aus der Feder Johann Weidleins in Südostdeutsche Vier- teljahresblätter 1974. Jg. 1. folgende Feststellungen lesen:
„… Bleyer beklagte erst in seiner letzten großen Parlamentsrede 1933, dass der Volksbildungsverein sich die Leitung nicht wählen dürfe, dass es im ganzen Land keine einzige deutsche Bürger-
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