Sonntagsblatt 2/2015 | Page 24

Deutsche Minderheit in Frankreich
Kiew im Zeichen der deutschen Volksgruppen „ Deutsch als Minderheitensprache ”
Von Thomas Hüttner
Auf Einladung des Goethe-Instituts in Kiew fand vom 12 . bis zum 14 . Oktober die Konferenz in der ukrainischen Hauptstadt statt . Die Tagung befasste sich mit der Geschichte und der Erhaltung des Deutschen als Minderheitensprache wie auch mit der wissenschaftlichen Erforschung , den pädagogischen , rechtlichen und soziolinguistischen Aspekten sowie der Präsenz in den Medien .
Die Konferenz wollte die Möglichkeit einer länderübergreifenden Diskussion und Vernetzung schaffen und eine Plattform für fachwissenschaftliche und sprachpolitische Debatten bieten . Pro - minente Gäste und Referenten aus der Ukraine , der BR Deutsch - land , Ungarn , Polen , Serbien , Kroatien und Dänemark diskutierten über viele Fragen .
Prominentester Gast war Herr Hartmut Koschyk , MdB ( CSU ), Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und na - tionale Minderheiten – im Folgenden Auszüge aus seiner Eröff - nungsrede :
Bedingt durch die historische Entwicklung ist die Sprache als identitätsstiftendes Merkmal ethnischer Minderheiten , gerade auch deutscher Minderheiten , bis heute ein elementarer Faktor für deren Identitätswahrung . Die Sprache ist gleichsam die Seele einer ethnischen Kultur . Und ohne die Seele bleibt nur eine leblose Hülle zurück , deren eigentliche Schönheit , Tiefe und Vielfäl - tigkeit sich einem nicht mehr offenbart , die langsam zerfällt und schließlich in Verges senheit gerät .
Für den Fortbestand der eigenen Kultur der deutschen Minder - heiten ist die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache daher unerlässlich . Ich bin der festen Überzeugung , dass das Erlernen der deutschen Sprache bereits in der frühkindlichen Phase verstärkt gefördert werden sollte . Nicht nur , weil in den ersten Lebensjahren das intuitive Erlernen einer Sprache leichter fällt , nein , je früher eine Sprache erlernt wird , desto selbstverständlicher nimmt man diese als Teil seiner eigenen Identität in sich auf .
Gerade bei der jüngsten Generation der Angehörigen der deutschen Minderheiten wächst in den letzten Jahren der Wunsch , die deutsche Sprache ( besser ) zu erlernen . Bei den vom Rat der Deutschen der Ukraine unterstützten Sprachkursen ist die Hälfte aller Teilnehmer unter 30 Jahre alt .
Wir sind hier auf dieser Konferenz zusammengekommen , weil wir die Spracharbeit zugunsten der deutschen Minderheiten verbessern wollen , weil wir sie auch in Zukunft effizient und erfolgreich gestalten wollen und weil wir alle hier der festen Überzeugung sind , dass gute Kenntnis der eigenen Sprache und Identität eine Grundvoraussetzung ist , als selbstbewusste und gleichzeitig tolerante und weltoffene Minderheit von der Mehrheitsbevöl ke - rung anerkannt zu werden .
Vor diesem Hintergrund sehe ich mit großem Interesse den Fachreferaten und Diskussionen entgegen . Aus meiner Sicht zeigt das Zustandekommen dieser Sprachkonferenz trotz der schwierigen politischen Rahmenbedingungen bereits das große Interesse an der Thematik und damit die Bedeutung für die deutschen Minderheiten in der Region .
Aus Serbien nahm Rudolf Weiss , Präsident des Deutschen Volksverbandes , teil und berichtete über die Lage der Deutschen Volksgruppe in Serbien . Weiss konnte auch viele persönliche Ge - spräche mit den Vertretern der anderen deutschen Volks gruppen und mit Hartmut Koschyk führen .
Aus : Der Eckart

Deutsche Minderheit in Frankreich

In der FUEV vertreten seit 1957 .
Die deutschsprachige Minderheit in Frankreich befindet sich überwiegend im Elsass , im äußersten Osten Frankreichs und er - streckt sich von der Südpfalz bis nach Basel . Seit dem Frühmittelalter sind im Elsass deutsche Dialekte be - heimatet . Die Existenz einer zugehörigen deutschen Standard - sprache hing von politischen Gegebenheiten ab . Das Französische gewann vor allem zwischen dem 16 . und 20 . Jahrhundert an Ge - wicht . Das hängt vor allem mit der politischen Geschichte zusammen , aber auch partiell mit dem Ansehen , den das Französische vor allem in der frühen Neuzeit europaweit in Adel und gehobenem Bürgertum genoss . Nach der Eroberung durch französische Truppen 1639 – 1681 , kam das Französische beispielsweise mit den königlichen Ver - waltungsbeamten , sowie Einwanderern und Händlern aus Zent - ral frankreich ins Elsass . Die überwiegenden Bevölkerungskreise verwendeten weiterhin Deutsch bzw . ihren jeweiligen deutschen oder romanischen Dialekt . Nach der Französischen Revolution änderte sich die Sprachpolitik des französischen Staates , der nun für Frankreich sprachliche Einheit propagierte .
Darüber hinaus fand Französisch vor allem in denjenigen Bevölkerungskreisen Eingang , die mit den Ideen der Revolution sympathisierten . Deutsch bzw . die deutschen Dialekte waren nun Teil einer Entwicklung zu partieller Zweisprachigkeit . Zu Reichslandzeiten ( 1871 – 1918 ) wurde die „ Sprachenfrage ” in einem Gesetz vom März 1872 zunächst so geregelt , dass als Amts - sprache grundsätzlich Deutsch bestimmt wurde . In den Landes - teilen mit überwiegend französischsprachiger Bevölkerung sollte den öffentlichen Bekanntmachungen und Erlassen jedoch eine französische Übersetzung beigefügt werden .
Die französische Sprachpolitik zwischen 1918 und 1940 war ziemlich restriktiv . In Schulen und Verwaltungen wurde ausschließlich Französisch zugelassen , zeitweise wurde bei Verstoß , verboten Deutsch bzw . Dialekt zu sprechen . Die Sprachpolitik der deutschen Nationalsozialisten ( 1940 – 1945 ) war rücksichtslos an deren Ideologie angepasst . Sogar Vornamen wurden umgewandelt .
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die französische Sprachpolitik der Vorkriegszeit verstärkt fort . Seitdem ist Fran - zösisch alleinige Amts- und Verkehrssprache . Ausnahmen hiervon macht die Mehrheit der älteren Generation , die teilweise noch auf Deutsch bzw . im deutschen Dialekt kommuniziert . Die jüngeren Generationen , insbesondere in den größeren Städten sprechen fast ohne Ausnahmen lediglich Französisch .
In der politischen Debatte um den Erhalt des Deutschen bzw . deutscher Dialekte („ Elsässisch ”), ist eine eindeutige Präferenz zugunsten der Dialekte und gegen das Standarddeutsche gesetzt worden . Man orientiert sich also weniger an Modellen wie der Schweiz , wo Mundart und zugehörige Standardsprache nebeneinander existieren ( Diglossie ), sondern mehr an Modellen wie in Luxemburg , wo der Dialekt gegenüber der zugehörigen Stan dard - sprache höher bewertet wird und sogar zur Schriftsprache ausgebaut wird . So hat man sich beispielsweise in Straßburg im Zusam - menhang mit der Dokumentation der ehemaligen deutschen Straßennamen auf Straßenschildern nicht für Standarddeutsch , sondern für die Straßburger Mundart entschieden .
Das Problem bei der Höherbewertung der Dialekte gegenüber der deutschen Standardsprache ist , dass auch im Elsass Mund - arten regional und sozial starke Unterschiede aufweisen . Durch die starken Assimilationstendenzen ist es heute fast so weit , dass Personen unter 30 Jahren kein Deutsch mehr sprechen . Dies liegt
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