Sonntagsblatt 2/2015 | Page 17

Gruppen. An die Spitze der Gegner Rothens stellte sich Georg Goldschmidt, der, wegen Rothens Manipulationen zum Dissi - denten geworden, zugleich Bleyer ungebührlich angriff, worauf dieser sich für immer von ihm trennte. Er wollte seinen Namen nicht mehr hören. Goldschmidt musste ausscheiden. Als Reak - tion leitete er gegen Bleyer und das Sonntagsblatt eine Gegenak - tion ein. Er gründete den Pfarrboten, ein deutsch geschriebenes klerikales, periodisch erscheinendes Blatt, im Rahmen der katho- lisch-sozialen Einrichtung, zusammen mit Stumpf. Das Blatt fand keine Resonanz, war kurzlebig, aber es existierte, und Bleyer war höchst verärgert über Goldschmidt wegen der Tendenz dieses Blattes. Auch wir verurteilten diesen Schritt und es bildete sich eine Trennwand zu dieser Gruppe. Auch Basch war verärgert, aber die Gefährlichkeit der Mentalität Rothens war ihm bewusst und er hielt Distanz zu ihm. Nennenswerten Schaden brachte die Abspaltung nicht zustande. Im Sommer 1924 besetzte Bleyer den Volksbildungsverein mit neuen Sekretären, lauter Suevianer: Basch, MaxAlbert, Ludwig Leber, Matthias Annabring, und nun begann eine Ära praktischer Volkstumsarbeit, die den Grund durchpflügte, zur Entstehung der Volksgemeinschaft beitrug. Den jährlichen Schwabenball, die Musikwettstreite förderten diese. An Wochenenden, im Winter auch an Wochentagen, gingen sie mit dem Projektionsapparat auf dem Rücken hinaus, hielten Vor - träge, projizierten Lichtbilder, verbreiteten landwirtschaftliches und Kulturwissen. Die Konflikte waren vorgezeichnet, denn der Notar oder Stuhlrichter waren immer anwesend. Basch hatte den Pflug am tiefsten angesetzt und hatte stets seine Dispute mit kriti- schen Anmerkungen von seitens der aufpassenden Behörde. Basch und Albert – als landwirtschaftlicher Fachmann – wirkten im ganzen Siedlungsgebiet, Leber vorwiegend im Ofner Bergland und Schildgebirge, Annabring war viel mit Innenadministration im Volksbildungsverein befasst. Faul-Farkas ist wenig in Erschei - nung getreten. Rothen betreute die Hochschüler auf der Bude. Für Bleyer bedeutete das die endgültige Erkenntnis: Mit einer ehrlichen, realistischen Einsicht der ungarischen Regierung, der Kirchen und der Behörden in der Provinz ist nicht zu rechnen. Nur eine wirksame Hilfe von Deutschland könnte einen W andel herbeiführen. Er setzte seine Hoffnung in die Suevianer, von denen jährlich einige an den Universitäten im Reich ein Jahr lang studieren konnten. Ende 1933 starb Bleyer. Im Oktober 1934 kam ich aus Deutschland mit der Absicht zu - rück, in dem deutschen Krankenhaus die Arbeit aufzunehmen. In meiner Facharztausbildung war ich in ständiger Verbindung mit Bleyer geblieben. Aber 1935 entstand eine unerwartete kritische Lage. Gustav Gratz, zugleich Vorsitzender des Volksbildungsve - reins und Vertrauter der Regierung, suspendierte den nach einem fragwürdigen Prozess verurteilten Basch. Die mit ihm Solidari - schen sammelten sich in der Volksdeutschen Kameradschaft. Für den Beginn unserer ärztlichen Tätigkeit in einem sogenannten deutschen Krankenhaus eine denkbar ungünstige Situation. Statt Genehmigung waren Boykottierung und behördliche Schikanen zu erwarten. Auf meinen Vorschlag wurde dann beschlossen, eine andere Arbeitsteilung vorzunehmen. Unter Leitung von Basch soll die Tätigkeit in Ungarn intensiviert werden. Ich sollte Flan ken - schutz und realitätsbezogene Aufklärungsarbeit in Berlin über - nehmen, da der jetzige geschäftsführende Vorsitzende des Volks - bildungsvereins, der katholische Pfarrer Pinter sehr oft dorthin fuhr und behauptete, das nicht tragbare und nicht zu verantwor- tende Verhalten einiger früherer Sekretäre (Basch usw.) störe das deutsch–ungarische Verhältnis. Dem sollte ich entgegensetzen, dass unsere Tätigkeit das außenpolitische Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn nicht belasten könne. Auf dieser unab - dingbaren Voraussetzung fußend war meine Aufgabe, in Berlin Unterstützung, Förderung und Schutz für die Kameradschaft zu erlangen und Hilfe für die offizielle Neugründung eines Kultur - vereins, des späteren Volksbundes der Deutschen in Ungarn, zu erreichen. Es ist mir gelungen, Verständnis dafür zu wecken, dass nur unsere kulturelle Tätigkeit ehrlich unsere völkische Existenz sichern könne. O Erinnerung an Univ.-Prof. Dr. Richard Huß – vor 130 Jahren geboren Ein Sachse als Schwabe Richard Huß ist trotz seiner sächsischen Abstammung eine nicht minder tragische Gestalt des ungarländischen Deutschtums zwi- schen beiden Weltkriegen als Jakob Bleyer. Beide waren Univer - sitätsprofessoren, hervorragende Vertreter ihrer Wissenschaft, der Germanistik, speziell in Ungarn. Richard Huß, um elf Jahre jün- ger als Jakob Bleyer, gehörte jener Generation des Auslands - deutschtums an, die vom Zweiten Deutschen Reich oder vom Bismarckschen Kaiserreich nicht weniger begeistert war als die deutsche Universitätsjugend in Deutschland. Bleyer hatte von die- ser Begeisterung wenig mitbekommen, denn er ist ja in ungari- scher Umgebung aufgewachsen. Bei den Siebenbürger Sachsen wehte ein anderer Wind, der dem am 2. Feber 1885 in Bistritz (Nordsiebenbürgen) geborenen jungen Huß schon frühzeitig um die Ohren blies. So verband Richard Huß von Jugend auf deutsches Mannes - tum, deutsches Ehrgefühl, Geradigkeit, Ritterlichkeit bis zur letz- ten Konsequenz. Als Gelehrter gereichte er seinem Fach zur Eh - re, denn hierin war er vielseitiger als sein Fakultätskollege Jakob Bleyer. Bleyer musste wohl auch deutsche Sprachgeschichte do - zieren, aber sein Hauptgebiet war deutsche Literaturge schichte. Richard Huß hatte an seiner Debreziner Universität beide Disziplinen wahrzunehmen, jedoch seine Stärke lag mehr auf der Sprachgeschichte, wozu die Siebenbürger Sachsen von Haus aus neigten, denn sie interessierte in erster Linie die Herkunft ihrer Leute auf Grund der Mundartforschung. Mundartforschung und ein Siebenbürgisch-Sächsischer Sprachatlas war der Traum des jungen Richard Huß. Zunächst studierte er nach seinem Bio - graphen Karl Kurt Klein alles, was ihm halbwegs in den Weg kam: Germanistik,. Romanistik, Französisch, Philosophie, Psychologie, Geschichte und sogar Theologie, wie das bei den Siebenbürger Sachsen von Haus aus üblich war. »Sein Wissensdrang schien unersättlich« (Karl Kurt Klein). Hußstudierte an den Univer - sitäten Klausenburg/Kolozsvár, Wien und Straßburg. 1907 war er Gymnasialprofessor und Doktor der Philosophie. Seine Disser - tation wies ihm seinen künftigen Lebensweg, die Sprachfor - schung. 1913 wurde er an der Klausenburger Königlich Ungari - schen Franz-Joseph-Universität Privatdozent und ein Jahr darauf, 1914, war er schon a. o. Professor, 1918 o. ö. Professor der Uni - ver sität Debrezin. Da brach der Erste Weltkrieg aus. Huß meldete sich sofort zum Kriegsdienst und wurde – was noch von niemandem widerlegt wurde – der erste Kriegsfreiwillige der Monarchie. Darauf war er zeitlebens stolz. Mit der kleinen und großen Silbernen Tapfer - keitsmedaille ausgezeichnet, musste er 1916 an seine Universität in Debrezin zurückkehren. Hier traf ihn der Zusammenbruch im Herbst 1918. In dieser Zeit der Niederlage konnte der deutschvöl- kisch eingestellte Professor politisch nicht untätig sein. So trat Richard Huß in die Politik ein, und diese Wende führte ihn mit seinem Fakultätskollegen an der Ofenpester Universität, Jakob (Fortsetzung auf Seite 18) 17