Bleyer, zusammen. Die Biographin Bleyers, Hedwig Schwind, weist nach, dass beide schon seit längerer Zeit miteinander in Verbindung standen. Der einzige strittige Punkt zwischen ihnen war nur die Stellung der Siebenbürger Sachsen. Denn so vaterlandstreu wie die Schwaben konnten die Siebenbürger Sachsen in dem mehrheitlich von Rumänen( Wallachen) bewohnten Sieben- bürgen nicht sein, das damals bzw. seit etwa 1916 von den künftigen Siegermächten schon Rumänien verschenkt worden war. Das wussten die politischen Führer um Rudolf Brandsch genau. Sie wollten nur solange » treu « bleiben, solange sie » konnten «. Sie betrieben also eine Schaukelpolitik und wollten sich zwischen zwei Stühlen nicht auf den Boden setzen. Alle diese Dinge waren sowohl Bleyer als auch HuB bekannt. Darum lehnte Bleyer ein politisches Zusammengehen mit den Siebenbürger Sachsen um Rudolf Brandsch ab. Die Sachsen sollen sich auf ihr Siebenbürgen zurückziehen, schrieb Bleyer am 7. Dezember 1918 an Huß. Mittlerweile hatte Huß für die kommende Friedenskonferenz eine Denkschrift ausgearbeitet, die Bleyer las, als » schön und großzügig « lobte, jedoch er glaubte nicht, » dass wir Deutschen in Ungarn bei den Friedensverhandlungen irgendwelche Rolle spielen werden «. So war es auch. Es entstanden zwei Volksräte, der Jakob Bleyers und jener Rudolf Brandsch’. Hußversuchte vergeblich, zwischen beiden zu vermitteln, d. h. eine Brücke zuschlagen. Die Uhr war abgelaufen, denn die Aufteilung Ungarns war bereits eine beschlossene Sache. Nach diesem politischen Intermezzo zog sich Huß auf seinen germanistischen Lehrstuhl in Debrezin zu- rück und lebte nur seiner Wissenschaft, vor allem dem Siebenbür- gischen Sprachatlas, der sein Lebenswerk werden sollte. Er las das » Sonntagsblatt « Bleyers und war somit über die Lage des ungarländischen Deutschtums laufend orientiert. Sein Interesse für das ungarländische Deutschtum manifestierte er auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Das war ja auch die Sorge Bleyers, jedoch seine Professur und die Politik banden vollends seine Kräfte. Im Jahre 1927 wollte Huß für Ungarn eine wissenschaftliche Zeitschrift gründen, aber – vielleicht nach vorheriger Absprache mit Bleyer – trat er davon zurück. Statt dessen empfahl er in einer Rezension im » Sonntagsblatt « vom 1. Mai 1927 die Zeitschrift heimattreuer Siebenbürger Sachsen: » Sachs’, halte Wacht!«, die für die Sachsen diesseits und jenseits der Grenzen herausgegeben wurde. Am 3. Juli 1927 rezensierte er ebenda sein Lieblingsgebiet, den » Deutschen Sprachatlas «, mit dem Blick, was wird aus der Erforschung der deutschen Mundarten in Ungarn bzw. im ehemaligen Groß-Ungarn werden? Eine längere Briefkastennotiz, gerichtet an Richard Huß in Debrezin, weist darauf hin, dass er nicht nur das » Sonntagsblatt «, sondern auch das » Neue Politische Volksblatt «, das Kontrablatt des » Sonntagsblattes «, sehr aufmerksam las. Darin fragt die Schriftleitung, also nicht Bleyer, den Pro- fessor, warum er über den politischen Kurs beider Blätter debattieren wolle? Die beiden hätten miteinander nichts zu tun, was ja stimmte. Als dann Jakob Bleyer 1929 sein wissenschaftliches Organ zur Erforschung des Deutschtums in Ungarn, genauer in Altungarn, die » Deutsch-ungarischen Heimatblätter « gründete, finden wir Richard Huß unter den ersten Mitarbeitern. Als diese 1935 eingestellt wurden, gründeten noch im selben Jahr Richard Huß und Franz Anton Basch die » Neuen Heimat- blätter «. Damit band sich Huß an die Volksdeutsche Kamerad- schaft, die zum offiziellen Minderheitenkurs der Regierungen seit Trianon und besonders seit dem Tode Bleyers( 1933) in scharfem Gegensatz stand. Von einer Lösung der sogenannten » deutschen Frage « war weit und breit nichts zu spüren. Da glaubte Richard Huß in seiner ritterlichen Art, in die Bresche springen zu müssen und stellte sich selbst an die Spitze der deutschen Bewegung. Da die » deutsche Frage « im Wesentlichen eine Schulfrage war, verfasste er eine » Denkschrift über die Schulfrage des ungarländischen Deutschtums «, die am 8. April 1936 beim königlich ungarischen Ministerpräsidium eingereicht wurde und die er noch als » stellvertretender Vorsitzender des Ungarländischen Deutschen Volks- bildungsvereins « unterzeichnete. Sie ist recht umfangreich und gereicht ihrem Verfasser zur Ehre.
Richard Huß wurde zum Wortsprecher der Volksdeutschen Ka- meradschaft, aber je mehr sich zwischen der ungarischen und der Reichsregierung in Bezug auf das ungarländische Deutschtum ein Kuhhandel anbahnte, d. h. einer politischen Lösung zustrebte, umso mehr geriet Huß in den Hintergrund. So war er mit dem Verlauf der Entwicklung keinesfalls zufrieden. Als ich ihn zu Os- tern 1940 gelegentlich einer Forschungsfahrt an die obere Theiß und Nordostungarn auf der Rückfahrt in seinem Debre ziner Domizil besuchte, ließ er seiner Unzufriedenheit über die Lage der Volksgruppe vollen Lauf. Sein Leben und sein wissenschaftliches Werk blieben unvollendet. Am 14. Feber 1941 starb er 56-jährig an Gehirnblutung. Er wurde in seine Heimatstadt Bistritz überführt und dort bestattet. Es war ein zweites Jakob-Bleyer-Schicksal. Seine letzten Lebensjahre waren überschattet von den ständigen Angriffen der nationalistischen Presse, auch von der Studenten- schaft seiner Universität, genauso wie bei Jakob Bleyer.
Unser Landsmann, Dr. Adam Schlitt, war ein Schüler Hussens und hat bei ihm doktoriert. Er ging im Haus Huß wie ein Sohn aus und ein. Also er kannte ihn und lernte ihn aus nächster Nähe kennen. Erfuhr mit ihm im Auto durch unsere Siedlungsgebiete, um Mundartaufnahmen zu machen. Aus Anlass seines 30. Todestages widmete er ihm ein » Erinnerungsblatt «, das im » Archiv der Suevia Pannonica «, Jg. 7,( 1971 / 72), Seite 92 – 98, erschienen ist.
Das » Erinnerungsblatt « ist eigentlich eine eingehende Würdi- gung des Menschen, Professors und Volkstumskämpfers Richard Huß. Dort schreibt Dr. Schutt, dass Richard Huß dem ungarländischen Deutschtum in schwerster Zeit beigestanden, aber ihm bis auf heute den gebührenden Dank noch nicht abgestattet habe. Er habe einiges aus seiner Erinnerung festgehalten und für eine spätere Gesamtwürdigung bereitstellen wollen. Huß sei ein selbstbewusster Sachse gewesen, der sich als Lebensziel die Erforschung seines Stammes zum Ziel gesetzt habe. Ich könnte daraus noch weitere herrliche Sätze zitieren. Denn was Dr. Schlitt da an Daten und Fakten zusammengetragen hat, hätte in die 1944 erschienene Biographie Karl Kurt Kleins hinein- gehört, untermauert von einer reichen Literatur. Es wäre freilich zu wünschen, dass diesem mutigen und aufrechten Mann der volksdeutschen Geschichte durch eine zweite verbesserte und ergänzte Auflage der Klein- schen Lebensbeschreibung ein bleibendes Denkmal gesetzt wird.
Richard Huß war ein ritterlicher Mensch, ein » Gentleman « vom Scheitel bis zur Sohle, ein Mensch, wie ihn der römische Dich ter Horatius geprägt hat: vir- integer vitae et scelerispurus, ein Mann, frei von Sünde und Fehler, würdig, dass wir sein An- denken in Ehren halten.
Dr. Anton Tafferner( in UNSER HAUSKALENDER – LDU, Deutschland 1985)
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KUNO KLEBELSBERG( 1865 – 1932)
– vor 150 Jahren geboren
Die meisten ungarischen Bildungsstätten waren von den Regie rungen vor 1918 in den von mehreren Nationalitäten bewohnten Gebieten Ungarns gegründet worden, da man früh die große Rol le der Schulen
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