Gruppen. An die Spitze der Gegner Rothens stellte sich Georg
Goldschmidt, der, wegen Rothens Manipulationen zum Dissi -
denten geworden, zugleich Bleyer ungebührlich angriff, worauf
dieser sich für immer von ihm trennte. Er wollte seinen Namen
nicht mehr hören. Goldschmidt musste ausscheiden. Als Reak -
tion leitete er gegen Bleyer und das Sonntagsblatt eine Gegenak -
tion ein. Er gründete den Pfarrboten, ein deutsch geschriebenes
klerikales, periodisch erscheinendes Blatt, im Rahmen der katho-
lisch-sozialen Einrichtung, zusammen mit Stumpf. Das Blatt fand
keine Resonanz, war kurzlebig, aber es existierte, und Bleyer war
höchst verärgert über Goldschmidt wegen der Tendenz dieses
Blattes. Auch wir verurteilten diesen Schritt und es bildete sich
eine Trennwand zu dieser Gruppe. Auch Basch war verärgert,
aber die Gefährlichkeit der Mentalität Rothens war ihm bewusst
und er hielt Distanz zu ihm. Nennenswerten Schaden brachte die
Abspaltung nicht zustande. Im Sommer 1924 besetzte Bleyer den
Volksbildungsverein mit neuen Sekretären, lauter Suevianer:
Basch, MaxAlbert, Ludwig Leber, Matthias Annabring, und nun
begann eine Ära praktischer Volkstumsarbeit, die den Grund
durchpflügte, zur Entstehung der Volksgemeinschaft beitrug. Den
jährlichen Schwabenball, die Musikwettstreite förderten diese. An
Wochenenden, im Winter auch an Wochentagen, gingen sie mit
dem Projektionsapparat auf dem Rücken hinaus, hielten Vor -
träge, projizierten Lichtbilder, verbreiteten landwirtschaftliches
und Kulturwissen. Die Konflikte waren vorgezeichnet, denn der
Notar oder Stuhlrichter waren immer anwesend. Basch hatte den
Pflug am tiefsten angesetzt und hatte stets seine Dispute mit kriti-
schen Anmerkungen von seitens der aufpassenden Behörde.
Basch und Albert – als landwirtschaftlicher Fachmann – wirkten
im ganzen Siedlungsgebiet, Leber vorwiegend im Ofner Bergland
und Schildgebirge, Annabring war viel mit Innenadministration
im Volksbildungsverein befasst. Faul-Farkas ist wenig in Erschei -
nung getreten. Rothen betreute die Hochschüler auf der Bude.
Für Bleyer bedeutete das die endgültige Erkenntnis: Mit einer
ehrlichen, realistischen Einsicht der ungarischen Regierung, der
Kirchen und der Behörden in der Provinz ist nicht zu rechnen.
Nur eine wirksame Hilfe von Deutschland könnte einen W andel
herbeiführen. Er setzte seine Hoffnung in die Suevianer, von
denen jährlich einige an den Universitäten im Reich ein Jahr lang
studieren konnten.
Ende 1933 starb Bleyer.
Im Oktober 1934 kam ich aus Deutschland mit der Absicht zu -
rück, in dem deutschen Krankenhaus die Arbeit aufzunehmen. In
meiner Facharztausbildung war ich in ständiger Verbindung mit
Bleyer geblieben. Aber 1935 entstand eine unerwartete kritische
Lage. Gustav Gratz, zugleich Vorsitzender des Volksbildungsve -
reins und Vertrauter der Regierung, suspendierte den nach einem
fragwürdigen Prozess verurteilten Basch. Die mit ihm Solidari -
schen sammelten sich in der Volksdeutschen Kameradschaft. Für
den Beginn unserer ärztlichen Tätigkeit in einem sogenannten
deutschen Krankenhaus eine denkbar ungünstige Situation. Statt
Genehmigung waren Boykottierung und behördliche Schikanen
zu erwarten. Auf meinen Vorschlag wurde dann beschlossen, eine
andere Arbeitsteilung vorzunehmen. Unter Leitung von Basch soll
die Tätigkeit in Ungarn intensiviert werden. Ich sollte Flan ken -
schutz und realitätsbezogene Aufklärungsarbeit in Berlin über -
nehmen, da der jetzige geschäftsführende Vorsitzende des Volks -
bildungsvereins, der katholische Pfarrer Pinter sehr oft dorthin
fuhr und behauptete, das nicht tragbare und nicht zu verantwor-
tende Verhalten einiger früherer Sekretäre (Basch usw.) störe das
deutsch–ungarische Verhältnis. Dem sollte ich entgegensetzen,
dass unsere Tätigkeit das außenpolitische Verhältnis zwischen
Deutschland und Ungarn nicht belasten könne. Auf dieser unab -
dingbaren Voraussetzung fußend war meine Aufgabe, in Berlin
Unterstützung, Förderung und Schutz für die Kameradschaft zu
erlangen und Hilfe für die offizielle Neugründung eines Kultur -
vereins, des späteren Volksbundes der Deutschen in Ungarn, zu
erreichen. Es ist mir gelungen, Verständnis dafür zu wecken, dass
nur unsere kulturelle Tätigkeit ehrlich unsere völkische Existenz
sichern könne.
O
Erinnerung an Univ.-Prof. Dr. Richard Huß
– vor 130 Jahren geboren
Ein Sachse als Schwabe
Richard Huß ist trotz seiner sächsischen Abstammung eine nicht
minder tragische Gestalt des ungarländischen Deutschtums zwi-
schen beiden Weltkriegen als Jakob Bleyer. Beide waren Univer -
sitätsprofessoren, hervorragende Vertreter ihrer Wissenschaft, der
Germanistik, speziell in Ungarn. Richard Huß, um elf Jahre jün-
ger als Jakob Bleyer, gehörte jener Generation des Auslands -
deutschtums an, die vom Zweiten Deutschen Reich oder vom
Bismarckschen Kaiserreich nicht weniger begeistert war als die
deutsche Universitätsjugend in Deutschland. Bleyer hatte von die-
ser Begeisterung wenig mitbekommen, denn er ist ja in ungari-
scher Umgebung aufgewachsen. Bei den Siebenbürger Sachsen
wehte ein anderer Wind, der dem am 2. Feber 1885 in Bistritz
(Nordsiebenbürgen) geborenen jungen Huß schon frühzeitig um
die Ohren blies.
So verband Richard Huß von Jugend auf deutsches Mannes -
tum, deutsches Ehrgefühl, Geradigkeit, Ritterlichkeit bis zur letz-
ten Konsequenz. Als Gelehrter gereichte er seinem Fach zur Eh -
re, denn hierin war er vielseitiger als sein Fakultätskollege Jakob
Bleyer. Bleyer musste wohl auch deutsche Sprachgeschichte do -
zieren, aber sein Hauptgebiet war deutsche Literaturge schichte.
Richard Huß hatte an seiner Debreziner Universität beide
Disziplinen wahrzunehmen, jedoch seine Stärke lag mehr auf der
Sprachgeschichte, wozu die Siebenbürger Sachsen von Haus aus
neigten, denn sie interessierte in erster Linie die Herkunft ihrer
Leute auf Grund der Mundartforschung. Mundartforschung und
ein Siebenbürgisch-Sächsischer Sprachatlas war der Traum des
jungen Richard Huß. Zunächst studierte er nach seinem Bio -
graphen Karl Kurt Klein alles, was ihm halbwegs in den Weg kam:
Germanistik,. Romanistik, Französisch, Philosophie, Psychologie,
Geschichte und sogar Theologie, wie das bei den Siebenbürger
Sachsen von Haus aus üblich war. »Sein Wissensdrang schien
unersättlich« (Karl Kurt Klein). Hußstudierte an den Univer -
sitäten Klausenburg/Kolozsvár, Wien und Straßburg. 1907 war er
Gymnasialprofessor und Doktor der Philosophie. Seine Disser -
tation wies ihm seinen künftigen Lebensweg, die Sprachfor -
schung. 1913 wurde er an der Klausenburger Königlich Ungari -
schen Franz-Joseph-Universität Privatdozent und ein Jahr darauf,
1914, war er schon a. o. Professor, 1918 o. ö. Professor der Uni -
ver sität Debrezin.
Da brach der Erste Weltkrieg aus. Huß meldete sich sofort zum
Kriegsdienst und wurde – was noch von niemandem widerlegt
wurde – der erste Kriegsfreiwillige der Monarchie. Darauf war er
zeitlebens stolz. Mit der kleinen und großen Silbernen Tapfer -
keitsmedaille ausgezeichnet, musste er 1916 an seine Universität
in Debrezin zurückkehren. Hier traf ihn der Zusammenbruch im
Herbst 1918. In dieser Zeit der Niederlage konnte der deutschvöl-
kisch eingestellte Professor politisch nicht untätig sein. So trat
Richard Huß in die Politik ein, und diese Wende führte ihn mit
seinem Fakultätskollegen an der Ofenpester Universität, Jakob
(Fortsetzung auf Seite 18)
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