besonderen Probleme behandelt werden. Die Tagung dauerte drei Tage und war am letzten Tag stets mit einem großen gesamtdeutschen folkloristischen Festzug aus allen Ländern Europas verbunden. Stets ein gewaltiger Aufmarsch! Mein Hauptanliegen war: Die schlagende Studentenorganisation in Deutschland dazu zu verpflichten, wenn sie die MEFHOSZ besucht, auch die Suevia zu besuchen. Da sie das nur halbherzig taten, um nicht bei magyarischen Studenten ihren Besuch zu erschweren – sie wiesen auf Trianon hin – erreichten wir manches, aber manches nicht. Aber der VDST interessierte sich besonders für uns. Es kam zu einer Vereinbarung.
An der Tagung nahmen nur die teil, die das Geld dazu hatten. Wir waren acht Bundesbrüder, Basch war auch dabei. Wir wohnten bei Bauern auf dem Heuboden. Der Eindruck der Tagung war gewaltig. Wir alle hatten das Gefühl, nicht schutzlos dazustehen, wir brauchen uns nicht zu bangen. So fuhren wir nach drei Tagen zurück. Ich unterrichtete Bleyer, wo wir waren, was wir ausgehandelt haben, wie der VDST für uns geworben hat und dass wir von fast allen Universitäts- und Hochschulorganisationen in unserem Bestreben auf Hilfe rechnen können, sich insbesondere bei der MEFHOSZ für uns einzusetzen, dass wir die Legalität erhalten. Bleyer hatte zunächst Befürchtungen: ob ich nicht zu weit gegangen wäre? Ob das wohl gut gehen wird? Die Aussprache hielt Stunden an. Im Laufe des Gesprächs beruhigte er sich und meinte, er vertraue mir, dass ich letztlich vorsichtig handle. Er überließ mir nunmehr ganz die Angelegenheit der Hochschülerfrage, de- ren inhaltliches Ziel zukünftige Unterstützung der Ortsgruppen- führungen und offenes Bekennen zum Deutschtum war. Ich betonte, dass wir zurzeit nur studentische Vorarbeit am Lande leisten, aber vorläufig nicht die Absicht haben, in den Dörfern in Erscheinung zu treten. Mit Vorbehalt stimmte er auch meiner Zusammenarbeit mit der deutschen und österreichischen Studen- tenschaft zu sowie mit der MEFHOSZ. Dadurch tragen wir nicht den Stempel einer illegalen Geheimorganisation. Unser Mut, un- se re Initiative machten auf ihn Eindruck. Selbstbewusste deutsche Hochschüler aus Ungarn, das war ja in all seinen Sorgen sein Wunsch, an dessen Erfüllung er kaum geglaubt hatte. Nun steht er nicht vergeblich und ohne Aussieht da, würdige und verlässliche Mitarbeiter und Nachfolger zu haben. Alle, die mitgefahren waren, erhielten das Versprechen, dass sie für ein Jahr Studium an einer deutschen Universität ein Stipendium bekommen. Etwa zehn Tage nach der Tagung bekamen Reitinger und ich eine Vor- ladung von der Polizeihauptmannschaft in Budapest wegen Teil- nahme an einer „ pangermanischen Kundgebung in Kufstein”. Wir wurden zwar verhört, bestraft wurden wir nicht. MEFHOSZ meldeten wir unsere polizeiliche Vorladung, sie versprachen, dort vorzusprechen.
Beim Verhör wollten sie erfahren, welche Gründe wir hatten, diese Veranstaltung zu besuchen. Unsere Antwort war: Die Ver- bindung mit deutschen studentischen Organisationen der Nach- folgestaaten herzustellen, wo antimadjarische Tendenzen und geis tige Strömungen zu erkennen sind wegen der früheren Nationalitätenpolitik Ungarns. Wir bewiesen, dass in Ungarn die deutschen Studenten ebenso ihre Vereinssituation haben wie in den Nachfolgestaaten. Mit Misstrauen hörten sie unsere Aussage an, aber sie war akzeptabel für die ungarische Mentalität. Wir stellten bereits den bremsenden Einfluss der MEFHOSZ fest. Den Bundesbrüdern wurde das Verhör bekannt, es machte nachdenklich, wirkte aber nicht abschreckend. Nach einiger Zeit be- richtete ich dieses Verhör Bleyer. Er nahm meinen Bericht wieder staunend, aber jetzt schon befriedigt und ruhig zur Kenntnis, zumal er erleben mußte, daß wir uns nicht fürchten, komme, was kommen mag! Totschweigen kann man die Suevia nicht, denn sollte man uns verfolgen, würde die Resonanz in der deutschsprachigen Presse in Europa nicht ausbleiben. Man weiß von uns und über uns und das wissen am besten auch die Magyaren und verhalten sich uns gegenüber maßvoll. Bleyer hatte die Befürchtung, es könnte sich eine Anklage wie gegen Steer vor zwei Jahren ergeben. Aber es kam nicht dazu, es kam weder eine Anklage noch Druck von der Hochschule. Mit und neben Bleyer schritt unsere studentische Aktivität souverän voran. Bleyer ließ es gelten. Seine Haltung, sein Wortschatz, sein Vorgehen in manchen Fragen entwickelte sich entschlossener in gesamtdeutscher Richtung, wie wir zu unserer Zufriedenheit feststellten.
Der weitere Weg
Ich hatte meine letzten zwei Prüfungsfächer zu bestehen, die fielen genau wie vorher gut und sehr gut aus. Nach der Promotion ging ich zu Bleyer und berichtete ihm. Bei diesem Gespräch richtete er ganz unerwartet die Frage an mich: „ Sie bleiben doch in der Politik, steigen Sie ein!” Das musste ich ablehnen. Ich wollte als Arzt meinen Beruf ausüben, denn ich habe nicht die innere Struktur eines kämpfenden Politikers, ich bin dafür zu empfindlich. Aber ich wollte mich als Arzt in den Dienst unserer Volks- gruppe stellen, denn mit Dr. Thuma( Bácsalmás) haben wir be- reits einen Plan ausgearbeitet, in Bácsalmás ein deutsches Kran- kenhaus einzurichten mit ausstrahlender Wirkung und Sym- bolcharakter. Allen Warnungen zum Trotz arbeiteten wir daran. Bleyer hat diese Antwort von mir nicht erwartet und bemerkte: „ Mut haben Sie bewiesen, Konzepte, Ideen haben Sie auch, Sorge um das Deutschtum in Ungarn machen Sie sich aber auch.” Da musste ich erwidern: „ Exzellenz, was mir fehlt: Ich bin nicht ehrgeizig und ein Politiker muss ehrgeizig sein. Das haben Sie doch schon durch mein Verhalten beim Bestimmen des Vortänzers gesehen. Ich bin zurückgetreten, weil Rothen es besser kann. Für Rothen wurde es eine grundsätzliche Aufwertung, ihm wurde Absolution erteilt, die alten Sünden vergeben und er wurde Mitglied der Suevia. Ich habe schon beim Militär einen unternehmerischen Geist gezeigt, aber zu meinem größten Nachteil keinen Ehrgeiz. Oft bedaure ich es, aber ändern kann ich mich nicht, kann nicht über meinen Schatten springen. Aber als Arzt, als Chirurg glaube ich der Volksgruppe viel mehr zu nützen. Bun- desbruder Dr. Paul Thuma hat einen reichen deutschen Bauern als Förderer dieses Vorhabens an der Hand, der einflussreich ist in der Provinz, aber auch in Budapest. Das Haus ist bereits ausgesucht, die Pläne, wie es umgebaut und eingerichtet werden soll, liegen fertig vor, und die Genehmigung dazu besorgt unser För- derer. Im übrigen haben wir mit Thuma im Rahmen des Volks- bildungsvereins die jährliche Veranstaltung eines Musikwettstreits abwechselnd in den verschiedenen deutschen Siedlungsgebieten vor, damit im Rahmen dieser Veranstaltung die Menschen aus diesen Gebieten sich zur Bildung eines Ge-meinschaftserlebnisses kennenlernen. Das müsste aber der Volksbildungsverein organisieren. Die Sekretäre können Sie sich aus der Suevia heraussuchen. Bleyer meinte dazu: „ Also, dann sind Sie doch ein Politiker, verhalten Sie sich nicht so bescheiden! Aber ich respektiere Ihr Vorhaben, ja ich begrüße Ihren Vorschlag. Entscheidend ist, dass Sie der Volksgruppe erhalten bleiben.” Das versprach ich Bleyer mit Handschlag.
Im September am Beginn des Wintersemesters übergab ich den Vorsitz der Suevia Franz Rothen, den die versammelte Korona mit Mehrheit gewählt hat. Rothen war glücklich, eine Tätigkeit erhalten zu haben, wo er sich gut profilieren – zu führen verstand er! – und in die Nähe Bleyers rücken konnte. Er leistete auch manches, baute auf Anweisung und mit Bleyer die berühmte Bude der Suevianer auf. In dieser Bude entwickelten sich Freundschaf- ten, Kameradschaften fürs Leben. Aber durch die Personalpolitik Rothens bildete sich auch Sprengstoff. Wieder entstanden
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