Sonntagsblatt 2/2015 | Page 15

gert den Rosmarinstrauß ? Als wir diese Frage besprachen , wo es um den interessantesten und sensationell lustigsten Teil des Balles ging , wo viel Humor und Mutterwitz angebracht ist , hegte Bleyer den Wunsch , ich möge die Versteigerung vornehmen . Ich schlug vor , dass am ersten Schwabenball den Strauß Bleyers Tochter Cilly bekommen muss . Ich wollte aber einen Bauernburschen nominieren . Nun stellte sich heraus , dass dieser Volkstumsbrauch in den verbliebenen Siedlungsgebieten unbekannt war . Dazu kam , dass ich mich in der lustigfidelen Rolle des Versteigerers für denkbar ungeeignet hielt . Ich suchte Rothen auf und bat ihn , er möge zu uns kommen , wir haben eine völlig neue Gemeinschaft ins Leben gerufen . Rothen überlegte nicht viel , als ich den Wunsch äußerte , er möge die Rolle des Vortänzers und die Versteigerung des Straußes übernehmen , denn ich fühlte mich ganz und gar ungeeig - net dafür . Rothen sagte zu , denn er verstand sich glänzend darauf , eine Rolle zu besetzen , wo er sich profilieren kann . Eine Bedin - gung machte er : Der Alte – also Bleyer –, der ihn hasste , müsse seine Zustimmung geben . Bei der Familie Bleyer , die Rothen nicht in bester Erinnerung hatte , stieß ich auf Ablehnung . Es entwickelte sich eine lebhafte und ziemlich lange Diskussion , ich musste dabei bleiben , dass ich zu meinem Leidwesen die Fähigkeit nicht besitze , diese Rolle , die mit ganz bestimmten Ritualen verbunden ist , zu übernehmen , und Rothen würde das glänzend verstehen . Zum Schluss blieb die Frage offen und erst nach einigen Tagen , nachdem auch Cilly Bleyer ihre Zustimmung gab , konnte ich Rothen beauftragen , die Rolle zu übernehmen . Vorher be - such te er unseren Vereinsabend und bat um Aufnahme . Die Ritu - ale der Versteigerung beherrschte er hervorragend und brachte viel Spaß und Stimmung in die Gemeinschaft . Auf diese Weise ergab sich für Rothen , in die Suevia aufgenommen zu werden .
Bei meinen Gesprächen mit Bleyer fiel mir , der in Berlin im VDA gesamtdeutsches Denken erlebt hat , auf , wie sehr deutschungarisch Bleyer redet , in dem zutiefst eine schwäbisch – deutsche Gemütslage dominierte . Ich berief mich auf meine Fronterlebnis - se . Ich erlebte gerade beim Militär die quantitative Massivität und selektive Qualität des Slawentums . Ich fürchtete eine slawische Epoche . Ungarn kann das raumfordernde vorwärtsdrängende slawische Element , das bis zum Tekelianum ( nach Tökölyi ) in Buda - pest , wo die slawischen Hochschüler erfasst und untergebracht sind , reicht , aus eigener Kraft nicht aufhalten . Slawen sind nur schwer zu madjarisieren . Sie haben , soweit sie nicht katholisch sind , im alten Ungarn ihre eigenen pravoslawischen kirchlichen Volksschulen gehabt . Die Slawen abzuwehren braucht Ungarn eine starke Hilfe und diese können nur die Deutschen sein . Und in Deutschland denkt man seit dem Ende des Weltkrieges gesamtdeutsch – es vollzieht sich eine historisch – epochale Wende von einem formalen statisch-etatistischen zu einem gesamtdeutschen Fühlen und Denken .
Aus diesem Prozess dürfen wir uns nicht ausklammern . Tun wir das , dann werden die Magyaren erst richtig in die Lage versetzt , uns in unserer Eigenständigkeit , unserer nationalen Existenz zu vernichten , und es ist unwahrscheinlich , daß das Deutsche Reich das ohne Reaktion hinnehmen wird . Dafür sorgen schon die Deut schen in den Nachfolgestaaten . Die Frage der deutschen Min derheit könnte zu einer essentiellen Frage zwischen Deutsch - land und Ungarn werden . Eine neue geistige Volksgemeinschafts - mentalität hat sich nicht nur bei uns , sondern auch in Deutschland ergeben durch die Begegnung zwischen Deutschen im Reich und Deutschen im Ausland .
Dieses Thema ergab sich des öfteren , wenn ich Bleyer Bericht erstattete , wobei ich vorsichtig immer deutlicher darauf hinwies , dass ich bewusst mein Ziel verfolge , deutschstämmige Hochschüler in Trianon-Ungarn zu erfassen , deren deutsches Bewusstsein noch nicht ganz erloschen ist , die es noch als ein ewiges Flämm - chen in sich tragen . Die Katholiken denken und empfinden katholisch , die Evangelischen evangelisch und Deutsche denken und empfinden deutsch und als solche kommen sie ihrer vaterländischen Verpflichtung bedingungslos nach , wenn es um Un - garn geht . Aber eine spezielle deutsch-ungarische Kultur anzustreben , würde niemals die nationale Existenz der Deutschen in Ungarn sichern . Dazu sollen deutsche Schulen und andere Ein - richtungen der Volksgruppe berufen sein . Bleyer hörte mir zu , betonte aber ausdrücklich , einen Kampf , eine kämpferische Auseinandersetzung auf der offenen politischen Arena wolle er nicht . Ich glaubte nunmehr zu wissen , was ich und wie ich mein Ziel erreichen soll . Nach der Gründung der Suevia fuhr ich mit Ägidius Faulstich auf Einladung von Dr . Fritz Klinger , Sprecher der Banater und Batschkaer schwäbischer Hoch schüler , nach Wien , um Adam Müller-Guttenbrunn , dem es gesundheitlich sehr schlecht ging , noch einen letzten Besuch ab - zustatten . Es waren je zwei Studenten aus Rumänien , Jugoslawien und der Slowakei und zum erstemal traten deutsche Hochschüler – Suevianer – als Vertreter aus Trianon-Ungarn in Erscheinung . In einem Stuhl sitzend , schwer atmend , kaum zu einem Gespräch fähig , drückte er jedem die Hand und nickte mit dem Kopf . Als Klinger Faulstich und mich vorstellte , war er sichtlich beeindruckt und bemerkte kurz : „ Dass ich das noch erlebe !” und schaute Faulstich und mir einige Sekunden bedeutungsvoll in die Augen . Im Anschluss an diesen Besuch folgte eine Gesamtbesprechung in Wien . Im Mittelpunkt stand die Erörterung der Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf studentischer Ebene , unsere Existenz bei der studentischen Organisation in Deutschland und Österreich bekannt zu machen . In Wien drängten wir darauf , zum nächsten Mal dahin zu wirken , dass jeder offizielle Studentenbesuch aus Deutschland oder Österreich mit einem kurzen Besuch bei der Suevia verbunden sein möge . Die häufigen Einladungen der MEFHOSZ an die deutsche Studentenschaft mögen mit der Zusage verbunden werden , auch uns , die Suevia , kurz aufzusuchen . Diese Zusage bekamen wir und die Folgen machten sich auch bald bemerkbar : Die Besuche sicherten unsere Legalität , unser Ansehen und unsere Bedeutung . Herr Gulyás als Leiter des Außenamts der MEFHOSZ nahm meine Anmeldung entgegen wortlos . Es war ein schwerer Brocken , den sie schlucken mussten : Er habe bei seinem Besuch in Berlin erfahren müssen , dass eine Suevia in Budapest besteht , die auch bei den Studentenorgani - sationen bekannt und anerkannt ist . Im Sommersemester bat ich einigemal um einen Termin für uns bei Staatssekretär Pataky im Ministerpräsidium , um dort in Anwesenheit von Gulyás unser Gesuch um offizielle Anerkennung der Suevia zu übergeben . Pataky war der für Minderheitenfragen verantwortliche Staats - sekretär . Referent war Birkás , der bereit war , mit uns zu sprechen . Zweimal sprachen wir vor – ich nahm immer Reitinger mit , den Selbstbewusstsein und Mut auszeichnete – ohne Erfolg . Sie haben von unserer Existenz Kenntnis genommen , wir wurden nicht verboten , nicht als illegale Organisation behandelt , sie duldeten uns .
Bei der Suevia meldeten sich immer wieder Studenten zur Aufnahme an . Familie Bleyer machte mit einigen , die zusagten , sonntags auch Ausflüge in die Umgebung . Ein erfreuliches , nicht ängstliches deutsches Gemeinschaftsgefühl entwickelte sich immer stärker , wozu die offizielle deutsche Studentenorganisation an den Universitäten Berlin , Leipzig , München , Heidelberg viel beigetragen hat .
Die schon stattliche Anzahl unserer Korona veranlasste auch einige reichsdeutsche Studentenverbindungen , unter unseren Studenten zu werben . Sie versprachen auch , ihnen zu einem Studienstipendium zu verhelfen . Wir wurden zur Pfingsttagung des VDA in Kufstein 1924 eingeladen . Dort sollten auch unsere
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