gert den Rosmarinstrauß? Als wir diese Frage besprachen, wo es um den interessantesten und sensationell lustigsten Teil des Balles ging, wo viel Humor und Mutterwitz angebracht ist, hegte Bleyer den Wunsch, ich möge die Versteigerung vornehmen. Ich schlug vor, dass am ersten Schwabenball den Strauß Bleyers Tochter Cilly bekommen muss. Ich wollte aber einen Bauernburschen nominieren. Nun stellte sich heraus, dass dieser Volkstumsbrauch in den verbliebenen Siedlungsgebieten unbekannt war. Dazu kam, dass ich mich in der lustigfidelen Rolle des Versteigerers für denkbar ungeeignet hielt. Ich suchte Rothen auf und bat ihn, er möge zu uns kommen, wir haben eine völlig neue Gemeinschaft ins Leben gerufen. Rothen überlegte nicht viel, als ich den Wunsch äußerte, er möge die Rolle des Vortänzers und die Versteigerung des Straußes übernehmen, denn ich fühlte mich ganz und gar ungeeig- net dafür. Rothen sagte zu, denn er verstand sich glänzend darauf, eine Rolle zu besetzen, wo er sich profilieren kann. Eine Bedin- gung machte er: Der Alte – also Bleyer –, der ihn hasste, müsse seine Zustimmung geben. Bei der Familie Bleyer, die Rothen nicht in bester Erinnerung hatte, stieß ich auf Ablehnung. Es entwickelte sich eine lebhafte und ziemlich lange Diskussion, ich musste dabei bleiben, dass ich zu meinem Leidwesen die Fähigkeit nicht besitze, diese Rolle, die mit ganz bestimmten Ritualen verbunden ist, zu übernehmen, und Rothen würde das glänzend verstehen. Zum Schluss blieb die Frage offen und erst nach einigen Tagen, nachdem auch Cilly Bleyer ihre Zustimmung gab, konnte ich Rothen beauftragen, die Rolle zu übernehmen. Vorher be- such te er unseren Vereinsabend und bat um Aufnahme. Die Ritu- ale der Versteigerung beherrschte er hervorragend und brachte viel Spaß und Stimmung in die Gemeinschaft. Auf diese Weise ergab sich für Rothen, in die Suevia aufgenommen zu werden.
Bei meinen Gesprächen mit Bleyer fiel mir, der in Berlin im VDA gesamtdeutsches Denken erlebt hat, auf, wie sehr deutschungarisch Bleyer redet, in dem zutiefst eine schwäbisch – deutsche Gemütslage dominierte. Ich berief mich auf meine Fronterlebnis- se. Ich erlebte gerade beim Militär die quantitative Massivität und selektive Qualität des Slawentums. Ich fürchtete eine slawische Epoche. Ungarn kann das raumfordernde vorwärtsdrängende slawische Element, das bis zum Tekelianum( nach Tökölyi) in Buda- pest, wo die slawischen Hochschüler erfasst und untergebracht sind, reicht, aus eigener Kraft nicht aufhalten. Slawen sind nur schwer zu madjarisieren. Sie haben, soweit sie nicht katholisch sind, im alten Ungarn ihre eigenen pravoslawischen kirchlichen Volksschulen gehabt. Die Slawen abzuwehren braucht Ungarn eine starke Hilfe und diese können nur die Deutschen sein. Und in Deutschland denkt man seit dem Ende des Weltkrieges gesamtdeutsch – es vollzieht sich eine historisch – epochale Wende von einem formalen statisch-etatistischen zu einem gesamtdeutschen Fühlen und Denken.
Aus diesem Prozess dürfen wir uns nicht ausklammern. Tun wir das, dann werden die Magyaren erst richtig in die Lage versetzt, uns in unserer Eigenständigkeit, unserer nationalen Existenz zu vernichten, und es ist unwahrscheinlich, daß das Deutsche Reich das ohne Reaktion hinnehmen wird. Dafür sorgen schon die Deut schen in den Nachfolgestaaten. Die Frage der deutschen Min derheit könnte zu einer essentiellen Frage zwischen Deutsch- land und Ungarn werden. Eine neue geistige Volksgemeinschafts- mentalität hat sich nicht nur bei uns, sondern auch in Deutschland ergeben durch die Begegnung zwischen Deutschen im Reich und Deutschen im Ausland.
Dieses Thema ergab sich des öfteren, wenn ich Bleyer Bericht erstattete, wobei ich vorsichtig immer deutlicher darauf hinwies, dass ich bewusst mein Ziel verfolge, deutschstämmige Hochschüler in Trianon-Ungarn zu erfassen, deren deutsches Bewusstsein noch nicht ganz erloschen ist, die es noch als ein ewiges Flämm- chen in sich tragen. Die Katholiken denken und empfinden katholisch, die Evangelischen evangelisch und Deutsche denken und empfinden deutsch und als solche kommen sie ihrer vaterländischen Verpflichtung bedingungslos nach, wenn es um Un- garn geht. Aber eine spezielle deutsch-ungarische Kultur anzustreben, würde niemals die nationale Existenz der Deutschen in Ungarn sichern. Dazu sollen deutsche Schulen und andere Ein- richtungen der Volksgruppe berufen sein. Bleyer hörte mir zu, betonte aber ausdrücklich, einen Kampf, eine kämpferische Auseinandersetzung auf der offenen politischen Arena wolle er nicht. Ich glaubte nunmehr zu wissen, was ich und wie ich mein Ziel erreichen soll. Nach der Gründung der Suevia fuhr ich mit Ägidius Faulstich auf Einladung von Dr. Fritz Klinger, Sprecher der Banater und Batschkaer schwäbischer Hoch schüler, nach Wien, um Adam Müller-Guttenbrunn, dem es gesundheitlich sehr schlecht ging, noch einen letzten Besuch ab- zustatten. Es waren je zwei Studenten aus Rumänien, Jugoslawien und der Slowakei und zum erstemal traten deutsche Hochschüler – Suevianer – als Vertreter aus Trianon-Ungarn in Erscheinung. In einem Stuhl sitzend, schwer atmend, kaum zu einem Gespräch fähig, drückte er jedem die Hand und nickte mit dem Kopf. Als Klinger Faulstich und mich vorstellte, war er sichtlich beeindruckt und bemerkte kurz: „ Dass ich das noch erlebe!” und schaute Faulstich und mir einige Sekunden bedeutungsvoll in die Augen. Im Anschluss an diesen Besuch folgte eine Gesamtbesprechung in Wien. Im Mittelpunkt stand die Erörterung der Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf studentischer Ebene, unsere Existenz bei der studentischen Organisation in Deutschland und Österreich bekannt zu machen. In Wien drängten wir darauf, zum nächsten Mal dahin zu wirken, dass jeder offizielle Studentenbesuch aus Deutschland oder Österreich mit einem kurzen Besuch bei der Suevia verbunden sein möge. Die häufigen Einladungen der MEFHOSZ an die deutsche Studentenschaft mögen mit der Zusage verbunden werden, auch uns, die Suevia, kurz aufzusuchen. Diese Zusage bekamen wir und die Folgen machten sich auch bald bemerkbar: Die Besuche sicherten unsere Legalität, unser Ansehen und unsere Bedeutung. Herr Gulyás als Leiter des Außenamts der MEFHOSZ nahm meine Anmeldung entgegen wortlos. Es war ein schwerer Brocken, den sie schlucken mussten: Er habe bei seinem Besuch in Berlin erfahren müssen, dass eine Suevia in Budapest besteht, die auch bei den Studentenorgani- sationen bekannt und anerkannt ist. Im Sommersemester bat ich einigemal um einen Termin für uns bei Staatssekretär Pataky im Ministerpräsidium, um dort in Anwesenheit von Gulyás unser Gesuch um offizielle Anerkennung der Suevia zu übergeben. Pataky war der für Minderheitenfragen verantwortliche Staats- sekretär. Referent war Birkás, der bereit war, mit uns zu sprechen. Zweimal sprachen wir vor – ich nahm immer Reitinger mit, den Selbstbewusstsein und Mut auszeichnete – ohne Erfolg. Sie haben von unserer Existenz Kenntnis genommen, wir wurden nicht verboten, nicht als illegale Organisation behandelt, sie duldeten uns.
Bei der Suevia meldeten sich immer wieder Studenten zur Aufnahme an. Familie Bleyer machte mit einigen, die zusagten, sonntags auch Ausflüge in die Umgebung. Ein erfreuliches, nicht ängstliches deutsches Gemeinschaftsgefühl entwickelte sich immer stärker, wozu die offizielle deutsche Studentenorganisation an den Universitäten Berlin, Leipzig, München, Heidelberg viel beigetragen hat.
Die schon stattliche Anzahl unserer Korona veranlasste auch einige reichsdeutsche Studentenverbindungen, unter unseren Studenten zu werben. Sie versprachen auch, ihnen zu einem Studienstipendium zu verhelfen. Wir wurden zur Pfingsttagung des VDA in Kufstein 1924 eingeladen. Dort sollten auch unsere
( Fortsetzung auf Seite 16)
15