Sonntagsblatt 1/2025 | Page 7

sucht man diesen zu begegnen?
NS: Zuallererst bräuchten wir eine Revitalisierung der deutschen Sprache. Es sollte mehr Zusammenarbeit zwischen den deutschen Siedlungen geben, anstatt der derzeit zersplitterten Arbeit, bei der jeder nur für sich selbst sorgt. Kulturelle und wirtschaftliche Partnerschaften mit Gleichgesinnten aus dem deutschsprachigen Raum. Finanzierungsmöglichkeiten für kulturelle Projekte. Eine Revitalisierung der deutschsprachigen Presse( Zeitungen, Zeitschriften, Radio, TV, YouTube-Kanäle usw.). Das Interesse junger Menschen muss geweckt werden, denn ohne sie hat die Kultur keine Zukunft. Wanderkulturprogramme( Musik, Theater, Vorträge, Kochkurse, Tanzgruppen usw.), um Kontakte zu knüpfen und Begegnungen zwischen den Gemeinden zu fördern. Ein deutsches Austauschprogramm: Mehr Deutsche sollten die deutschsprachigen Siedlungen in Brasilien besuchen, und mehr Deutschstämmige sollten die Möglichkeit haben, nach Deutschland zu reisen. Eine architektonische Revitalisierung der deutschen Städte wäre ebenfalls notwendig. In Bezug auf den Tourismus: wirtschaftlich äußerst interessant, aber inwieweit wird eine authentische Kultur vermittelt, und inwieweit etwas Künstliches für Touristen, die keine Kriterien dafür haben? Auch das Geschichtsbewusstsein und das Zugehörigkeitsgefühl müssen wieder gestärkt werden: Der Deutsch-Brasilianer ist keine arme Seele ohne Selbstwertgefühl – er hat Städte gegründet und maßgeblich zum Aufbau seiner neuen Heimat beigetragen.
SB: Wo sehen Sie die brasiliendeutsche Gemeinschaft in 50 oder gar 200 Jahren?
NS: Gute Frage. Hoffentlich haben wir in 50 oder 200 Jahren eine echte deutsch-brasilianische Identität als Ganzes und nicht mehr so zersplittert wie heute. Das ist natürlich eine Herausforderung, denn Brasilien ist fast so groß wie Europa. Wenn wir mehr kooperieren und alle zusammenbringen würden, wären wir viel stärker.
Siedlungen einfach leben wollen – ohne Touristen, ohne Stress, mit kleinen Familienbetrieben weit entfernt von den Großstädten, wo alte Bräuche und Traditionen weiterhin gepflegt werden können. Hoffentlich wird wieder so gebaut wie damals – keine künstlichen Imitationen deutscher Architektur für Touristen, sondern echte, nachhaltige Strukturen. Deutsch sollte wieder in mehr öffentlichen Schulen unterrichtet werden. Vielleicht bringt eine neue Wende in Europa auch das Interesse am Deutschtum im Ausland zurück – und natürlich auch in Brasilien. Der Deutschbrasilianer in Deutschland oder im deutschsprachigen Raum sollte unsere Brücke zwischen zwei Kulturen sein. Jede Siedlung sollte eine Art deutsche Botschaft in Brasilien werden.
Der Deutschbrasilianer wird sich nicht mehr für seinen Akzent schämen, sondern stolz darauf sein, dass er Teil dieses Landes ist. Die meisten haben gar nicht die Absicht, nach Deutschland auszuwandern – sie wollen hier bleiben, in dem Land, das sie mit aufgebaut haben. Doch genau das sollte unser Weg sein: zwei Herzen, zwei Kulturen, zwei Sprachen – Vergangenheit und Gegenwart, die die Zukunft der Deutschbrasilianer formen.
Ich bin immer für das Positive, egal wie problematisch die Lage erscheinen mag. In diesem langen Prozess der Auswanderung haben viele ihr Leben verloren. Die Sprache wurde verboten, viele wurden verfolgt, die Bedingungen waren hart, es herrschte große Armut – und dennoch haben sie Städte gegründet und weitergelebt. Wenn wir dieser Geschichte würdig sein wollen, müssen wir weitermachen. Wenn all das in uns stirbt, verschwinden wir – und genau das dürfen wir nicht zulassen.
Der gute Hans Milch sagte einst: „ Dürfen wir noch hoffen? Oh ja. Wer ist denn die Hoffnung? Du! Wo ist denn die Großmacht? Du!”.
SB: Herr Schner, vielen Dank für das Gespräch!
Das wirtschaftliche Wachstum der deutschen Siedlungen sollte unser Freund und nicht der Feind unserer Kultur sein. Dennoch ist es völlig in Ordnung, wenn manche
Mit Newton Schner sprach Richard Guth.

EIN EINZIGARTIGER PODCAST STARTET

– UMFASSEND ÜBER DIE UNGARNDEUTSCHEN

Quelle: LdU-Presse
Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen startet mit einer völlig neuen Initiative: Am 6. Februar 2025 ging die erste Podcast-Reihe der Organisation, Fokus: Ungarndeutsch, an den Start! Die Sendung behandelt die wichtigsten politischen, kulturellen, bildungs- und jugendbezogenen Themen der ungarndeutschen Gemeinschaft in einer bisher beispiellosen Tiefe und Gründlichkeit.
Der Podcast erscheint monatlich auf dem YouTube-Kanal der LdU sowie auf den beliebtesten Podcast-Plattformen wie Spotify und Apple Podcasts. Die erste Episode befasst sich mit der Bedeutung nationalitätenpolitischer Strukturen. In der über einstündigen Sendung diskutierte Dr. Judit Klein, Journalistin und Kulturexpertin sowie Abteilungsleiterin am Budapester Goethe-Institut, mit Dr. Jenő Kaltenbach, dem ehemaligen Minderheitenombudsmann, Dr. Elisabeth Sándor-Szalay, stellvertretender Ombudsfrau für Nationalitäten, und Ibolya Hock-Englender, der Vorsitzen-
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