wahrgenommen. So betreute meine Frau die Aussiedler in Nieder-Roden im kirchlichen Auftrag zehn Jahre lang in allen Lebenslagen. Nach Schließung des Übergangswohnheimes leitete meine Frau bis ins Jahr 2020 auch eine Gymnastikgruppe für ältere Aussiedlerfrauen und einheimische Frauen. Mit vielen dieser Frauen besteht noch heute ein enger Kontakt.
SB: Seit der Pensionierung engagieren Sie sich im NABU und als Ortshistoriker- es sind ja grundverschiedene Bereiche, dennoch zeugen sie von zivilgesellschaftlichem Engagement- welche Rolle spielen diese Bemühungen heute, in einer immer komplexeren Welt?
JL: Nach dem Ende meiner beruflichen Laufbahn hatte ich zum ersten Mal genügend Zeit, mich mit den Fragen zu beschäftigen, die mich schon immer besonders interessierten. Deshalb hatte ich die Idee, mich intensiver mit dem Natur- und Umweltschutz auseinanderzusetzen- und dem damit in Zusammenhang stehenden Klimawandel. Um mir ein besseres Faktenwissen für diese Zusammenhänge zu erarbeiten und diese in meiner nun aktiven Mitarbeit im NABU-Vorstand Rodgau interessierten Bürgern weiterzuvermitteln, hatte ich die Idee, Ökologie zu studieren. Da es diesen Studiengang damals aber weder an der TH Darmstadt noch an der Universität in Frankfurt gab, entschloss ich mich, in Frankfurt Geographie mit den Prüfungs-Nebenfächern Biologie und Bodenkunde zu studieren, und im Jahr 2004 schloss ich dieses Studium nach zwölf Semestern mit der Diplomprüfung ab.
Für die Zulassung zur Diplomprüfung musste ich beim Prüfungsamt der Universität Frankfurt als Nachweis meiner Fähigkeit zu selbstständiger kartografischer Arbeit eine Diplomkarte mit selbstgewähltem Thema einreichen. Als Thema wählte ich „ Die Siedlungsentwicklung Nieder- Rodens von 1945 – 2002“.
Als der damalige Vorsitzende des Arbeitskreises für Heimatkunde Nieder-Roden davon erfuhr, fragte er mich, ob ich auf dieser Grundlage eine Ausstellung über die Siedlungsentwicklung Nieder-Rodens seit 1945 erarbeiten könnte. Nach Abschluss meiner Diplomprüfung im Sommer 2004 stellte ich auf 24 Schautafeln durch Prospektmaterial, Bild- und Zeitungsdokumente sowie Texthinweise die Inhalte dieser abstrakten Diplomkarte anschaulich dar. Die Sonderausstellung des Arbeitskreises im wurde Oktober 2004 im Sozialzentrum Nieder-Roden gezeigt. Da ich bei dem sehr guten Besuch dieser Ausstellung und auch danach immer wieder gefragt wurde, ob es kein Material zum Mitnehmen gebe, entschloss ich mich, ein Buch mit dem Titel „ Fünf Dörfer – eine Stadt: Rodgau“ über die Siedlungsentwicklung der fünf ehemals selbstständigen Dörfer im Rodgau zu schreiben. Dieses Buch wurde im Jahr 2011 herausgegeben.
Im NABU Rodgau arbeitete ich seit dem Jahr 2000 aktiv im Vorstand mit und war von 2009 bis zu meinem 80. Geburtstag im Jahr 2019 Erster Vorsitzender. In dieser Zeit habe ich zahlreiche Führungen geleitet- vor allem in der Rodgauer Gemarkung. Immer wieder habe ich versucht, den Teilnehmern möglichst viele wichtige Informationen zum Verständnis der oft komplexen ökologischen Zusammenhänge in der Natur zu vermitteln und auch Freude dabei zu empfinden. In diesem Sinne habe ich auch versucht, die Festschrift zum 60-järigen NABU-Jubiläum im Jahr 2018 mit dem Titel „ Schönheiten der Natur in Rodgau“ zu gestalten.
SB: Sie haben von den 85 Jahren 78 in der Bundesrepublik verbracht- als was sehen Sie sich? Burjader, Deutscher aus Ungarn, Bundesdeutscher oder Europäer?
JL: Ich sehe mich als einen europäischen Bundesdeutschen.
SB: Herr Lach, vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führte Richard Guth.
FEUILLETON
EINE UNGARNDEUTSCHE FAMILIENSTORY
Ein Bild und die Geschichte dahinter
Von Richard Guth
Die Erinnerungen an die Geschichte scheinen verblasst zu sein – es war auf alle Fälle 1957, ein Jahr nach der Revolution, als der junge Mann am linken Rand, damals 29 Jahre jung, den Vorsitzenden des Deutschen Verbands Dr. Friedrich Wild auf einer schwäbischen Hochzeit in Pari, Komitat Tolnau, vertrat. Gastgeber war nach Erinnerungen des heute 96-jährigen Zeitzeugen die Familie Pelcz. Dem Gast sind die über hundert Torten gut in Erinnerung geblieben- dabei musste jeder geladene Gast eine Torte mitbringen. Aber auch Hotter und Weinberge, die ihm von der Familie gezeigt wurden, sind noch 67 Jahre danach präsent. Der Mann auf dem Bild im Ballonmantel ist Georg Krix, langjähriger Vorsitzender der Jakob Bleyer Gemeinschaft und
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Schriftleiter des Sonntagsblattes.
„ Dieses Foto ist einige Jahre vor dem Besuch von Herrn Krix entstanden. Aus der Familie Pelcz kenne ich alle persönlich. Sie haben in einem kleinen Tolnauer Dorf namens Pari gelebt. Mein Urgroßvater, Georg Pelcz, ist 1902 geboren. Er war der Rademacher im Ort und fertigte Räder für Kutschen an. Er heiratete Theresia Rozenberger, meine Uroma, die fünf Jahre jünger als er war. Sie bekamen zwei Söhne: Georg, Jahrgang 1924, und Stephan, Jg. 1926. Beide wurden im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Georg gelangte in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kehrte nie heim. Jahre danach erfuhren wir, dass er 1946 im Kriegs-