Sonntagsblatt 1/2025 | Page 20

Wir wären auch zu wenige deutschsprachige Studenten gewesen, um eine eigene Gruppe zu bilden. Zu den ungarischen Kollegen hatten wir wie auch die Rumänen ein gutes Verhältnis. Ich kann mich keiner ethischen Spannungen entsinnen. Auch bei den nachherigen Absolvententreffen kamen wir stets alle zusammen.
SB: Die Securitate war auch im Leben der Siebenbürger Sachsen und Landler allgegenwärtig- so jedenfalls die Theorie. Haben Sie davon in irgendeinem Zusammenhang Notiz genommen- als junger Erwachsener?
MB: Dass die Securitate die Menschen überwacht, wusste man. Es hieß, Telefongespräche wurden abgehört – in welchem Umfang, weiß ich nicht. Jedenfalls war Vorsicht geboten in allen Äußerungen, im Privaten und in der Öffentlichkeit sowieso. Privat wurde dennoch über alles geredet, auch über Politik- und das gewöhnlich kritisch. Unter Bekannten konnte man sich erlauben alles zu sagen, wenn auch mit einem gewissen Risiko. Politische Witze waren an der Tagesordnung. Als junger Erwachsener hatte ich das Glück, nicht mehr die Zeit erleben zu müssen, in der Verhaftungen und Strafprozesse wie Ende der 1950er Jahre an der Tagesordnung waren. Man hörte allerdings, dass der eine oder andere von der Securitate unter Druck gesetzt wird, von manchen hieß es auch, sie seien Mitarbeiter dieser Geheimpolizei. Ich selbst wurde als junger Lehrer ein einziges Mal vorgeladen. Wahrscheinlich waren die Antworten auf die mir gestellten Fragen allgemein und nichtssagend genug, so dass man davon absah, mich ein weiteres Mal zu rufen.
SB: Sie haben sich 1989 / 90( und davor) gegen eine Übersiedlung in die Bundesrepublik entschieden- was waren Ihre Beweggründe?
MB: Ganz so fest stand der Entschluss- in Siebenbürgen zu bleiben- nicht. Kurz vor 1989 und kurz danach meinten meine Frau und ich, unser Weg würde uns nach Deutschland führen- so wie die meisten anderen Rumäniendeutschen. Beeilen wollten wir uns aber nicht, wir wollten die Entwicklung zunächst ein Jahr, dann noch ein weiteres Jahr abwarten. Nach zwei Jahren fiel dann die Entscheidung zu bleiben. Es hatten sich neue berufliche Chancen ergeben. Auch hatten wir eingesehen, dass die Gemeinschaftsformen, die hier aufhörten zu existieren, in Deutschland nicht wiederzufinden waren. Ich war übrigens in der Minderheitenorganisation, dem Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien( DFDR), von Anfang an mit dabei. Als Lehrer setzte ich mich vor allem für den Erhalt des deutschsprachigen Unterrichts ein und es wurde immer klarer, dass dieser bestehen bleiben kann. Meine Frau hatte als Germanistin an der Hermannstädter Uni viel Freude an der Arbeit mit den Studenten gefunden. Wir fühlten uns da nützlich und waren eingebunden in eine sich neu formierende Gemeinschaft um das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien und die evangelische Kirche.
SB: Die Wendezeit brachte eine Auflösung der siebenbürgisch-sächsischen und landlerischen Gemeinschaft im herkömmlichen Sinne- wie haben Sie diese Zeit einschneidender Veränderungen erlebt?
MB: Fast alle dörflichen Strukturen der siebenbürgischsächsischen und landlerischen Gemeinschaft haben aufgehört zu existieren. Geblieben ist auf den Dörfern als Institution nur noch die evangelische Kirche, doch in manchen Dörfern gibt es kaum noch jemanden, der die Kirchenschlüssel aufbewahrt. Die wenigen Personen können ein
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Gotteshaus natürlich nicht mehr instandhalten. Ich selbst habe zur Zeit des Umbruchs nicht mehr auf dem Dorf gewohnt, also die Entwicklung auf dem Lande aus einiger Entfernung wahrgenommen. In den Städten gibt es noch mehr deutschsprachiges Leben und oft auch noch Schulen mit deutscher Unterrichtssprache. Da diese in der Regel von mehrheitlich rumänischen Kindern besucht werden, können sie weiter bestehen, falls sich Lehrkräfte dafür finden lassen. Die Aufgaben, die der Minderheit zukommen, sind groß, nicht nur im Schulbereich. Es gilt, ein bedeutendes Kulturerbe zu erhalten, und dafür hoffen wir, mehr und mehr auch auf die Hilfe des rumänischen Staates rechnen zu können. Der Kontakt zu den Organisationen der ausgewanderten Landsleute ist da ebenfalls wichtig, ebenso die Beziehungen der evangelischen Kirche in Rumänien zu jener in Deutschland. Nicht zuletzt kamen der evangelischen Kirche die Unterstützungsprogramme mit EU-Mitteln zugute, so dass unter der Leitung des Landeskonsistoriums eine Reihe von Kirchenburgen restauriert werden konnten.
SB: Auch im Kreis Hermannstadt nahm der Anteil der Deutschen rapide ab- dennoch erzielen die Kandidaten des Forums immer noch beachtliche Erfolge- worauf führen Sie das zurück?
MB: In der Tat hat Hermannstadt seit dem Jahr 2000, also bereits ein Vierteljahrhundert lang, einen Bürgermeister bzw. eine Bürgermeisterin aus den Reihen der deutschen Minderheit. Als Minderheitenverband kann sich das DFDR an den Wahlen so wie die politischen Parteien beteiligen, obwohl es keine Partei ist. Im Hermannstädter Stadtrat hatte das DFDR zeitweilig die absolute Mehrheit inne. Gegenwärtig haben wir zwar weniger als die Hälfte der Sitze, bilden aber immer noch die stärkste Fraktion und das, obwohl die Deutschen etwa 1 Prozent der Stadtbevölkerung ausmachen. Die Erklärung liegt in der Art, wie das DFDR die Stadt verwaltet hat und in der Entwicklung, die seit dem Jahr 2000 stattgefunden hat. Bei der ersten Wahl eines deutschen Bürgermeisters hatte die positive Wahrnehmung der Siebenbürger Sachsen durch die rumänische Mehrheitsbevölkerung gewiss eine Rolle gespielt, seither zählt jedoch das, was von der Stadtverwaltung getan wird.
SB: Sie waren acht Jahre lang Kreisratsvorsitzender des Kreises Hermannstadt- welche Erfahrungen haben Sie als Politiker in dieser Position gesammelt, gerade im Hinblick auf die imposante Entwicklung des Kreises im Vergleich zu anderen siebenbürgischen / rumänischen Kreisen?
MB: Vorsitzender des Kreisrats war ich von 2004 bis 2012. In der ersten Zeit musste ich viel lernen, hatte aber auch bald die Genugtuung, Ergebnisse der Arbeit dieser Institution zu sehen. Das größte und wichtigste Projekt des Kreises war in jener Zeit die Modernisierung des Flughafens, das der Kreis gemeinsam mit der Stadt durchgeführt hat. Klaus Johannis war zu jener Zeit Bürgermeister von Hermannstadt. Aber auch in den ländlichen Gebieten konnte einiges erreicht werden, so der Ausbau der Straßeninfrastruktur und der Aufbau eines Systems für Müllmanagement. Der bedeutendste Posten im Budget war immer jener für den Sozialbereich. Hermannstadt kam zugute, dass es 2007 europäische Kulturhauptstadt war. Das brachte einen nachhaltigen Entwicklungsschub nicht nur im Bereich des Tourismus. Als Kreisratsvorsitzender habe ich mit den Vertretern verschiedener Parteien zusammengearbeitet und war stets bestrebt, ein äquidistantes( gleich weit entferntes, Red.) Verhältnis zu ihnen zu bewahren.