Sonntagsblatt 1/2025 | Page 13

einer Volksgruppe nur noch sehr wenig zu tun hat.
Von außen her betrachtet wird man dies viel klarer sehen, als von innen her, wo man durch seine Aufführung benommen ist. Man meint, durch sie alles getan zu haben, nur weil man über ein Produkt verfügt- über etwas Handhabbares, das man nach außen hin zeigen kann. Oder ganz im Gegenteil: Man soll zum Beispiel bedenken, dass, als Leni Riefenstahl ihren Film über den Stamm der Nuba in Afrika drehte, die Nuba ihr vor allem vorführten, was sie dachten, dass sie sehen will: also Bilder der Vergangenheit, nicht die Tendenz ihrer Gegenwart, die sie von ihrem Urzustand immer mehr entfernt hatte, da sie sich bereits den Verlockungen der Moderne verschrieben hatten. Eine bewusste Irreführung!
Ist man ein Baum, so kommt man ohne seine Wurzeln nicht aus. Sie sind es, die Nährstoffe zum Wachsen und Wasser, um nicht auszutrocknen, aus dem Boden aufnehmen. Eine nicht geringe Anzahl von Menschen ist heute der Meinung, auch ohne Wurzeln auszukommen und möchte sich von ihnen befreien. In diesem Sinne entreißt man sich selber, um sich in Vasen zu pflanzen, deren künstlicher Nährstoff als noch viel Vorteilhafter erscheint, als ein natürliches Leben zu fristen.
Man denkt, dass man ohne das, was einen mit dem Vergangenen verbindet, gut auskommt. Nur merkt man kaum, wie wenig es einen selbst zu kümmern beginnt, ob man außer für sich selbst noch für irgendjemanden eine Zukunft anvisiert. Das ist der Zustand des Egoismus und der Vorteilshascherei- die allgemeine Krankheit moderner Menschen, die meinen, dass es ausreicht, alles unter den eigenen Einflussbereich und in den eigenen Besitz zu bringen. Sonst will man sich an nichts mehr zu binden, höchstens an den Anschein, der bereits zufriedenstellt.
Wir sind Opfer jener Konkurrenz, die ein besonnenes Leben nicht mehr zulässt wie: seine Eigenart zu pflegen und vor allem auch seine Sprache zu behalten. Was Mühe ist, kostet Kraft. Kraft will man aber im Alltag einsetzen, um im global gewordenen Wettkampf zu bestehen. Was man nicht wahrnimmt, ist, dass man an Kraft von Bestand – statt durch chemische Anabolika – alleine durch seine Wurzeln gelangt.
Nun als aufgestellte These meinerseits soll es heißen, dass man als Volksgruppe ohne die nährenden, festhaltenden und in alle Vergangenheit verbindenden Wurzeln seiner Muttersprache nicht auskommt. Falls sie selbst den Alltag nicht als Merkmal und Identifikationsfaktor durchdringt, besteht man nur noch im Maße ihrer Kenntnis als Vertreter einer Volksgruppe- und das nicht nur heute, sondern in einer Zukunft, die man vor Augen hat. Die Wurzeln sind nämlich nicht nur Anker, sondern gerade auch Flügel.

DAS GROSSE SOLD-OUT DES SPRACH- LICHEN ERBES

Von Richard Guth
Wir konnten in letzter Zeit viel über die Schlüsselrolle der Jugend für den Fortbestand der deutschen Gemeinschaft lesen. Auch die LdU startete eine Initiative, um junge Aktive als Ehrenamtliche zu gewinnen, auch wenn die Wahl des vornehmlichen Kommunikationsmediums der Kampagne- sprich der Sprache- durchaus Fragen aufwirft. Der Jugendausschuss des obersten Selbstverwaltungsorgans hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe entwickelt- von der jährlich stattfindenden Jugendkonferenz ganz zu schweigen. Und auch die Aktualisierung unserer Leserlisten hat ergeben, dass die Jugend durchaus bereit ist in den örtlichen Selbstverwaltungen Verantwortung zu übernehmen. Alles gut so!
Dass diese Jugend anders ist als die vorangegangene Generation, ist eine Selbstverständlichkeit: Man denkt vielfach anders, man handelt anders- das Ziel sollte aber das Gleiche sein.
Stellen wir uns eine Jugendorganisation vor, die Jubiläum feiert. Dazu gehören stets- seit Jahrzehnten- geselliges Beisammensein, gute Musik, flotte Tanzschritte und eine gehörige Portion Netzwerkbildung. Alles gut so!
Nun ist es im Laufe der Zeit zur guten Tradition geworden, dass einzelne Gliederungen dieses Jugendverbands die alljährliche Zusammenkunft der Zukunftsvertreter der Gemeinschaft organisieren. Das erfordert mediale Präsenz auf Facebook, Instagram oder TikTok. Man würde von einem deutschen Jugendverband erwarten, dass dieser in erster Linie auf Deutsch kommuniziert. Nicht anders ist es im Kreise der Siebenbürger Madjaren oder der Banater
Schwaben. Angesichts der sprachlichen Situation unserer Volksgruppe ist man aber seit längerem gezwungen, sich( auch) der ungarischen Sprache zu bedienen. Die elegante( aber in der Tat mühselig( er) e) Variante ist dabei die zweisprachige Kommunikation. Beim Facebook-Bewerben dieser Veranstaltung suchte man aber vergebens danach: Die Texte, Ankündigungen und Informationen waren „ akkurat” auf Ungarisch gehalten. Da fiel einem ein Fall von vor einigen Jahren ein, als wir die neue, schicke Internetpräsenz des Landesverbandes beanstandeten – auch diese war rein ungarischsprachig. Daran hat sich seitdem leider nichts geändert. Also kein gutes Vorbild für die Gliederungen!
In diese sprachliche Eintönigkeit schlug ein Begriff ein, wie ein Meteorit: Sold out. Dieser englische Begriff will zum Ausdruck bringen, dass etwas ausverkauft ist. Das klingt hip und strahlt Modernität aus – gemeint ist, dass die Veranstaltung des Landesverbands ausverkauft ist. Nun muss ich mich an dieser Stelle an der eigenen Nase fassen: Es ist schon öfters vorgekommen, dass mir beispielsweise Begriffe wie fresher Style und cleanes Fit über die Lippen gingen, als ich den ansprechenden, geschmackvollen oder wie auch immer gearteten Kleidungsstil von anderen gelobt habe. Auch grüßt man sich wie selbstverständlich mit „ Hi” und verabschiedet sich mit cu( see you)- in etwa „ Wir sehen uns”. Auch das berühmte F-Wort hört man des Öfteren, wenn man sich über etwas ärgert. Englisch ist allgegenwärtig, es prägt uns. Die Jugend, die mit digitalen Endgeräten und einer globalisierten Modewelt aufwächst, ist umso mehr davon betroffen. Englisch ist zum Kommunikationsmittel Nr. 1 geworden, wenn wir mit Instagram-
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