Sonntagsblatt 1/2025 | Page 12

ICH SPRECHE UND SCHREI- BE GERNE DEUTSCH
DIE WURZELN, DIE SPRA- CHE UND DIE ZUKUNFT
ICH SPRECHE UND SCHREI- BE GERNE DEUTSCH
Von Richard Guth
Nun soll es ein Anstecker richten. „ Ich spreche gern deutsch”, so der Ideengeber Alfred Manz aus Baaja. Dabei ist die Begründung mehr als plausibel: Sprache sei einer der wichtigsten identitätsstiftenden Faktoren, trotzdem falle es uns Ungarndeutschen schwer, sich in der zwischenmenschlichen Kommunikation dieser verlorenen( Ur-)( Groß-) Muttersprache zu bedienen. Die Initiatoren von der LdU gehen dabei noch weiter: Der Anstecker soll dabei helfen, die Hemmschwelle abzubauen, damit die Sprache nicht nur erlernt, sondern auch gebraucht werde.
Wir von der JBG unterstützen jede Initiative, die jenseits der Kulturpflege die Pflege des sprachlichen Erbes in den Mittelpunkt der Bemühungen stellt. Ja, es ist richtig, auch mir kommt es oft komisch vor, mit schwäbischen Landsleuten in der Sprache der Ahnen zu kommunizieren. Aber dadurch, dass ich mittlerweile mit meinen Kindern zu Hause deutsch spreche( es ist leider keine Mundart mehr, sondern die in der Schule erlernte Literatursprache), fällt mir dies nicht besonders schwer. Gut, wir wohnen in Deutschland- also im muttersprachlichen Milieu-, was ich natürlich nicht verkneifen will. Dennoch denke ich, dass sich deutlich mehr Menschen der deutschen Sprache bedienen könnten, würden sie ihre Komfortzone verlassen.
Und da liegt der Hund begraben- jedenfalls teilweise( dazu gleich mehr). Denn ein ewiges Steckenpferd ist die mediale Präsenz unserer Gemeinschaft, insbesondere bezüglich des Sprachgebrauchs. Seien wir mal ehrlich: Dieses mediale Flagge-Zeigen ist tendenziell ungarisch geprägt. Man könnte sagen, wie selbstverständlich ist die faktische Muttersprache des Großteils der Ungarndeutschen die ungarische Sprache. Da hilft es sicher herzlich wenig, wenn ich bei jeder Merkwürdigkeit an die Vorbildfunktion appelliere. Eine innere Motivation ist unerlässlich.
Nun mag diese Erkenntnis das Projekt Anstecker in Frage stellen – auf den ersten Blick schon, auf den zweiten ist dieser Zusammenhang nicht mehr so eindeutig. Denn es kommt darauf an, ob es diese Initiative schafft, die Massen zu erreichen und zum Mitmachen zu bewegen. Und dazu zählt die Haltung der Jugend: Sie ins Boot zu holen, erfordert, sich digital zu zeigen. Warum sollte es nicht gleich neben dem Offline-Bekenntnis qua Anstecker ein Online- Pendant geben? Eine Art Abzeichen für besonders vorbildliches Verhalten beim Gebrauch der deutschen Sprache!
Diese könnte nicht nur bei Einzelpersonen Halt machen, sondern insbesondere Vereine und Kulturgruppen mit Internetpräsenz umfassen: Damit Erlerntes( oder Erlernbares) nicht nur als Requisite dient.

EINLADUNG

DIE WURZELN, DIE SPRA- CHE UND DIE ZUKUNFT

Von Robert Becker
Gelebtes Nationalitäten-Dasein ist ein uriges Phänomen: eine offen getragene Charakteristik, eine Erscheinung, die man bereit ist zu behalten. Dabei bleibt man nicht ewiggestrig, sondern man geht sehr wohl mit der Zeit, in der man lebt. Nur lehnt man sein Anderssein in seinem gegebenen Mehrheitsmilieu nicht ab, sondern man pflegt es.
Ganze Völker können einem dabei als Vorbild gelten, die es geschafft haben, sich während Jahrtausenden zu überliefern, zu tradieren. Eine Volksgruppe ist ja auch ein Völkchen. Sie möchte in ihrer Eigenart bleiben, wobei das Mehrheitselement sie prägend umgibt. Also entsteht mit der Zeit eine typische Erscheinung, die bereits von der ehemaligen Herkunftsnation abweicht oder durch Merkmale ergänzt wird.
Geht man von der Chemie aus, so kann man sagen, dass durch das Vermischen von Substanzen ein neuer Stoff entsteht, wobei man allerdings auf den Ursprung schließen kann. Der Mensch ist jedenfalls nicht pure Materie, was einen solchen Vergleich schon etwas komplizierter macht. – Andererseits wiederum viel einfacher: Ist man in den Hauptzügen der Mehrheit angepasst, in seiner ganzen Lebensweise, seinen Erscheinungsumständen, aber hat man seine Sprache als Kontinuität seiner Ahnenkette beibehalten, so kann man als Identitätsbeispiel gelten. Als Mensch lebt man nämlich nicht nur im ewigen Jetzt in der Sprache, sondern man führt in ihr jene Tradition fort, die einen mit seinem Ursprung verbindet.
Entlang von gegebenen und aktuellen Interessen im Dienste des Fortschritts legt man viele Erscheinungen und Eigenschaften ab, die eine Volksgruppe von der sie umhüllenden Mehrheit unterscheidet. Das ist ein Kampf zu Zeiten aktueller Mode. Hier gilt es, die wohl größtmögliche Menge von gerade eben ausgestreuten bunten Glasperlen einzusammeln, d. h. die Einnahme von Positionen oder schlicht und einfach finanzielle Bereicherung.
Dieses immer gegenwärtige Schauspiel wird nicht selten zur Ablenkung vom Wesentlichen seiner Zeit inszeniert. Man kann ganz sicher nicht voll isoliert bleiben, obwohl es auch Gegenbeispiele gibt wie die Amischen, die Hutterer oder die Mennoniten-Gemeinden in den USA. Hier wird eine Anpassung nur sehr langsam oder kaum zugelassen. Sie bilden aber auch nicht eine weltliche, sondern eine religiöse Minderheit. Dadurch sind diese Gemeinschaften finanziellen Reizen gegenüber in ihrer Geschlossenheit und in ihrer Entschlossenheit viel mehr resistent: Sie streben nach einem besseren Jenseits,
Wir agieren in Gesellschaften im Alltag. Wir haben es nicht einfach, uns mit einer Tradition vergangener Zeiten zu identifizieren, um uns durch sie an Elemente unserer Identität zu klammern. Dies ist nämlich etwas, das weder zum natürlich umgebenden und ungekünstelt erlebbaren Tagesalltag noch zur Sonntagskultur gehört. Hier sind Tradition und Lebensweise bereits überwunden. Es entsteht vielleicht noch eine Weile eine etwas wehmütige Nostalgie. Sie ist aber kein prägendes und bleibendes Merkmal mehr, da sie kein Mittel für die Zukunft mehr ist, sondern mit der Zeit eine immer weniger authentische Aufführung: eine Bühnenproduktion, die mit dem aktuellen Zustand
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