Vortrag mit der Wiederbelebung von Ofen und Pest als deutschsprachige und katholische Städte im Zeitraum von 1686 bis 1800 . König Leopold Habsburg I . von Ungarn war die Gegenreformation eine Herzensangelegenheit . Er wollte die Vorrangstellung der katholischen Kirche in den von den Osmanen zurückeroberten Gebieten sichern und hielt es für eine Prestigefrage , dass Buda und Pest ein Gegengewicht zu den protestantischen Städten der Ungarischen Tiefebene bilden . Dies sei ihm restlos gelungen , so die Referentin , nicht nur durch die Umwandlung der Moscheen in christliche Kirchen , sondern auch durch die Errichtung neuer barocker Kirchen in den Zwillingsstädten , in Buda vor allem durch die Jesuiten , in Pest durch die Paulaner . Anzahl , Größe und künstlerische Ausgestaltung der Gebäude , Säulen , Statuen , Kapellen und Kruzifixe hätten den Primat der römisch-katholischen Religion getreu widergespiegelt . Auch aus den Gottesdiensten , den jährlichen Feierlichkeiten , Prozessionen und Stadtfesten war nicht nur die Dominanz der katholischen Staatsreligion im Habsburgerreich über Orthodoxie , Protestantismus und Judentum , sondern auch die Hierarchie zwischen den verschiedenen Nationalitäten und die Vorrangstellung der deutschen Sprache ablesbar . In der ersten Hälfte des 18 . Jahrhunderts wurden das städtische Leben , die Kultur und die bürgerliche Identität noch weitgehend von Kirche und Religion bestimmt . Budas Stadtväter wollten die Bevölkerung durch amtliche Anordnung zu einem gottgefälligen , tugendhaften Leben führen . Durch die im Geiste des Rationalismus ab 1773 vorgenommenen Maßnahmen Kaiser Josephs II . – wie etwa die Auflösung der Orden und Wallfahrtsorte oder die Abschaffung der großen Prozessionen und öffentlichen Bittgänge – brach die beherrschende Rolle der katholischen Religion im städtischen Alltag Budas und Pests zusammen . Zu Beginn des 19 . Jahrhunderts lebten ihre Feiern in bescheidenerer Form wieder auf .
Dr . Karl-Peter Krauss hat als Historiker und Heimatforscher im Fachbereich „ Demographie / Sozialgeographie “ am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde ( IdGL ) in Tübingen Abhandlungen und Quelleneditionen zu den Lebenswelten deutscher Migranten im Königreich Ungarn im 18 . und 19 . Jahrhundert herausgegeben . Sein Vortrag modellierte auf der Quellengrundlage von Ehegerichtsakten die damals verbindlichen Normen anhand ihrer Verletzungen heraus . Solche Akten können einen wichtigen Beitrag zur Sozial- , Alltags- und Kirchengeschichte leisten , zumal der Ehe als konstitutives gesellschaftliches Element eine bedeutende Rolle zukam . Krauss zog Akten aus den Diözesen Kalocsa , Pécs und Csanád sowie von Herrenstühlen der für die Protestanten zuständigen Komitatsgerichtsbarkeit im Komitat Batschka heran . Dabei handelt es sich z . B . um Fälle wie den des Tscheber Grundherren Leopold von Márrfy - der mit der Frau seines Verwalters ein „ schandhaftes “ Leben führte - um voreheliche Schwängerung oder um Zerwürfnisse , Gewaltexzesse und sexuelle Verfehlungen in Ehen , die in aller Regel arrangiert waren . Krauss ging von der Hypothese aus , dass die Migration einen Bruch markierte und ein Adaptionsprozess an die veränderte Normenlage nötig wurde : Es gab das andersartige Heiratsverhalten in Ungarn oder - bedingt durch die hohe Sterblichkeit - viele Eheschließungen unter Verwitweten , mehrere Ehepartner oder komplexe Patchworkfamilien . Hinweise auf Transformationsprozesse geben Kanonische Visitationen , die anfangs häufig das barbarische Verhalten der Bewohner brandmarkten . Nach einer oder zwei Generationen gelangte man bei diesen Visitationen aber - mit dem sich etablierenden Einfluss des öffentlichen Raums und seines Wertesystems - zu wohlwollenden Einschätzungen . Dabei habe , so Krauss , sowohl die Disziplinierung durch das soziale Umfeld als auch durch das von den Untertanen selbst gehegte Bedürfnis nach Normen Wirkung gezeigt . Die Alltagspraxis habe sich von einer Konflikt- zu einer Konsensgemeinschaft entwickelt .
Dr . Katalin Simon vom Stadtarchiv Budapest konnte zwar nicht präsent sein , reichte aber ihren Vortrag nachträglich ein . Sein Thema : „ Das religiöse Leben der Schwaben in Ofen und Altofen in der zweiten Hälfte des 18 . Jahrhunderts im Spiegel des baulichen Erbes , der Kunst und der materiellen Kultur “. Mit den deutschen Siedlern sei im 18 . Jahrhundert in Ofen und Altofen die Verehrung von bis dahin weniger bekannten Heiligen in den Vordergrund gerückt , von denen viele wegen ihrer Fürbitten gegen die Pest und andere Krankheiten besonders wichtig wurden . Nach großen Pestepidemien wurden in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Dreifaltigkeitssäulen errichtet , deren Hauptfiguren neben der Dreifaltigkeit und der Immaculata die hl . Rosalia , der hl . Rochus und der hl . Sebastian sind . Wichtig sei auch die Verehrung der Vierzehn Nothelfer , des hl . Florian und des hl . Johannes von Nepomuk gewesen . Aufgrund der Bedeutung des Weinbaus war die Verehrung des hl . Donat am rechten Donauufer herausragend . Seine Kapelle stand in den Weinbergen von Ofen und Altofen , er war auch der Schutzpatron von Ofen . In den Traditionen der verschiedenen Wallfahrtsorte – etwa Mariazell und Maria Eichen – zeige sich eine tiefe Marienverehrung . Die Nachlassinventare aus der zweiten Hälfte des 18 . Jahrhunderts zeugen von der wachsenden Bedeutung religiöser Reliquien . Auch ärmere Häuser wurden mit möglichst vielen Andachtsbildern geschmückt , so dass „ Herrgottswinkel “ entstanden . Neben Papier- waren auch Glasbilder beliebt ebenso wie gestickte Gnadenbilder oder Leinwandbilder . Besonders beliebt war die Darstellung des Christkinds , daneben auch der Jungfrau Maria , des hl . Georg , des hl . Florians , des hl . Antonius sowie der hl . Drei Könige . Das Kruzifix hatte einen Ehrenplatz an der Wand . In wohlhabenden Haushalten gab es auch Hausaltäre , Loretto-Kapellen , Jesusfiguren , Gebets- und Mirakulumbücher sowie die Darstellung des Kalvarienbergs mit Wachsfiguren in Truhen .
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