Sonntagsblatt 1/2024 | Page 5

nur die Reklame , sondern die Sprache überhaupt ist voller marktwirtschaftlicher Ausdrücke . Immer mehr junge Leute fühlen , dass ihnen etwas fehlt : Kultur , Besinnung , bessere Sprachmöglichkeiten , um sich zu anderen Leute zu verhalten , usw . Die Erzählungen der Bibel aber bieten soviel Schönes und Wichtiges , wie z . B . die Josephsgeschichte . Als wir dort studierten , haben wir in einem Antiquariat ‘ Joseph und seine Brüder ’ von Thomas Mann kaufen können – ein Erlebnis ! Wir meinen : Die Bibel ist ein Goldschatz , den wir kaum schätzen können .
SB : In Deutschland sind religiöse Bindungen am Abnehmen - das gilt wohl auch für die Niederlande , oder ?
EE : Nach der Tschechei sind die Niederlande das Land mit den wenigsten Religionsangehörigen : etwa 40 %. Und es nimmt rasch ab . Als ich 1998 in dieser Gemeinde Pfarrer wurde , gab es 3500 Gemeindemitglieder ; heuer sind etwa 900 geblieben . Aber Hoffnung gibt es immer : Manchmal kommen junge Familien dazu , aber auch Greise . Es gibt hier sehr viele Versorgungsheime und Wohnformen ( Appartments ) für Pensionierte . Pro Jahr kommen eine junge Familie dazu , aber auch etwa 6-8 alte Leute . Es sterben pro Jahr etwa 45 Mitglieder . Die Atmosphäre ist gut , die Kirche schön mit wunderbarer Orgel , und angenehm mit der Heizung und mit den modernsten technischen Möglichkeiten versehen . Wir haben einen Kinderchor ( mit 8 Kindern ), einen Projektchor ( zu Weihnachten und zu Ostern ) mit 25 Mitgliedern . Und wir sind sehr glücklich , dass es bei uns ein Spitzenkammerorchester gibt mit 3 Geigen , Klavier und Cello : Cantico d ’ Archi . Manchmal spielen die mit . Der Vater spielt im Concertgebouworkest in Amsterdam , die Mutter im
Residentieorkest in Den Haag . Über 50 Mitglieder unserer Gemeinde sind aktiv als Ehrenamtliche : So gibt es tatsächlich eine christliche Gemeinschaft , mit dem Leitspruch : Begegnen und verbinden .
SB : Wo wird Evangelischsein in 20-30 Jahren zu finden sein ?
EE : Wir denken , nur noch in sog . Kerngemeinden , falls die Gemeinde sich gesellschaftlich als relevant erweisen wird . Es gibt dort eine ‘ Gemeinde ’, wo der Geist Gottes weht .
SB : Wir feiern Ostern – welche Botschaft hat dieses Hochfest für uns heute ?
EE : Ostern – die große Feier der Auferstehung Christi : Wir nennen es auch die Feier der Gottestreue , denn Ostern zeigt uns , wie Gott uns festhalten kann und will - auch durch den Tod hindurch . Es sagt uns nicht , dass es keinen Tod gibt , sondern dass wir im Tode nicht alleine sind : Einer geht mit uns und nimmt uns bei der Hand und führt uns ins Licht . Mit Weihnachten feierten wir , dass Gott in unsere Welt herabgestiegen ist , um bei uns zu sein : Immanuel . Epiphanien lehrt uns , dass er sich zusammen mit uns ins Wasser des Todes begibt . Ostern zeigt uns , dass der Ewige – was alles auch geschehen mag – immer mit uns geht . Und mit Pfingsten feiern wir sogar , dass er in uns seinen Wohnsitz gefunden hat . Gibt es eine schönere und bestärkendere Feier in unserem Kirchenjahr als die ? Frohe Ostern !
SB : Vielen Dank für das Gespräch ! Das Interview führte Richard Guth .

AKTUELLES

JEDEN MONAT AM ZWEITEN DONNERSTAG

Vortragsreihe in Sanktiwan bei Ofen anlässlich der 300-Jahr-Feier der Ansiedlung / Organisatorin Dr . Maria Mirk im SB-Gespräch
Von Richard Guth
„ Die Vortragsreihe war in der Tat meine Idee , auch die Organisation obliegt mir . Am zweiten Donnerstag jeden Monats halten Experten zu verschiedenen Themenbereichen einen Vortrag . Beim ersten Vortrag im Januar ging es um die Geschichte Sanktiwans vor der Ansiedlung im 18 . Jahrhundert . Den Vortrag hielt der Historiker und Archäologe Dr . Bence Simon , der die Ausgrabungen vor Ort führte . Die Stimmung war wunderbar , die Zuhörerschaft hat mit viel Interesse zugehört . Aufgrund des vollen Raumes haben wir uns entschlossen , die Veranstaltungsreihe in die Aula der Grundschule zu verlegen ”, gewährt Dr . Maria Mirk , Organisatorin der Vortragsreihe im Jubiläumsjahr 2024 , einen Einblick hinter die Kulissen .
SoNNTAGSBLATT
Am 24 . April 1724 unterschrieben deutsche Siedler den Ansiedlungsvertrag mit dem Grundherrn , dem Augustinerorden , also vor 300 Jahren – ein Grund zum Feiern . In diesem besonderen Jahr soll das Gedenken das ganze Kalenderjahr umfassen : Neben der Vortragsreihe sind unter anderem das Aufstellen eines Denkmals , das Einbetonieren einer Zeitkapsel und die Vorführung eines Schauspielstücks über die Ansiedlung geplant .
Die Vortragsreihe selbst findet in ungarischer Sprache statt . Warum eigentlich ?, wollte ich von der Germanistin wissen . „ Viele Vortragende sind der deutschen Sprache nicht mächtig , dabei wollten wir wirkliche Experten des jeweiligen Bereichs wie
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