Freude war es zum Markt zu gehen : Dort gab es das viele Gemüse in allen Farben und Gerüchen aus Privatgärten der Umgebung der Stadt ; da traf man die Dorfleute in ihren Trachten mit ihrem kleinen Privathandel . Mit Karren und Pferden wurde alles transportiert .
Wir haben dann auch viele verschiedene Kirchen und Synagogen besucht , um das alles kennen zu lernen : Baptisten- , Adventisten- , Evangeliengemeinden , rumänisch-orthodoxe , katholische , unitarische und reformierte Kirchen und auch zwei Synagogen . Im Gemeindehaus einer Synagoge – es war im März – sahen wir im Fenster ‘ Hollandia ’ - Matzen ( aus der Niederlande ) aufgestapelt für das Passah-Fest ….. Bei einer anderen Synagoge haben wir das Purimfest mitfeiern können .
Von unserem Stipendium konnten wir uns jeden Tag einen guten Kaffee kaufen . Neben dem Haupteingang der Theologie gab es eine kleine Kaffeebar ‘ Oriënt ’ - mit sehr gutem Kaffee . Ob in der Universitätsbuchhandlung oder irgendwo anders gab es keine theologischen Bücher , aber doch gute ungarische Literatur . Nur im Antiquariat fanden wir manchmal noch etwas Interessantes . Der Bruder eines Freundes war Künstler ; er studierte noch und hat uns die Kunstakademie in Klausenburg gezeigt – eine andere Welt , wo man aufatmen konnte . Damals war das im Geburtshaus des Königs Matthias . In der Nähe gab es auch eine ‘ Consignatie ’, ein Geschäft , wo man gebrauchte Sachen kaufen konnte ; das war deshalb interessant , weil wir dort gute , altmodische kleine Artikel fanden . Historische Museen wurden von den Studenten kaum besucht , weil die alle rumänisch geprägt waren , mit z . B . Theorien über die Daker in Transsylvanien .
In Klausenburg haben viele junge ungarische ( madjarische , Red .) Frauen vom Dorf Szék ( rum . Sic ) als Dienstmädchen – Angestellte - im Haushalt gearbeitet ; am Donnerstag , nachmittags , waren sie frei und trafen sich dann in Tracht in einem kleinen Park im Zentrum bei einer kleinen Brücke . Und was denken Sie ? Die ungarischsprachigen Studenten und Soldaten wussten das und kamen dann auch dahin , und so traf man sich ! Manchmal haben Studiengenossen uns im Friedhof Hasengarten ( Hajongard / Házsongárd ) herumgeführt ; der ist weltberühmt bei den Ungarn in Rumänien , weil dort nicht nur viele Verwandte , sondern auch viele Prominente beerdigt worden sind : Wissenschaftler , politische Führer , adlige Familien , usw . Speziell war es mitzuerleben , wie man an Allerseelen dort unzählig viele Kerzen angezündet hat , um der Verstorbenen zu gedenken . Wunderschön , wie der ganze Friedhof am Berghang abends dann beleuchtet wurde !
SB : Sie haben mir erzählt , dass Sie fließend Ungarisch sprechen - haben Sie die Sprache in Klausenburg erlernt ?
SoNNTAGSBLATT
EE : Ja , das stimmt . Wir lebten zusammen mit den Studenten und Professoren im Predigerseminar im Zentrum der Stadt ; im Konvikt haben wir jeden Tag zusammen gegessen und haben jeden Tag die ungarischen Theologiestunden mitgehört . Vorher hatten wir ein bisschen Ungarisch gelernt mit dem “ Lehrbuch der Ungarischen Sprache ’. An Weihnachten 1973 haben wir beide zum ersten Mal in unserem Leben (!) das Wort Gottes verkündet , und zwar im Dorf Etéd ( rum . Atid ).
SB : Der Grund , warum wir dieses Interview führen , sind zwei Bilder ( siehe Beitragsbild auf Seite 2 und Bild oben in der Mitte ), die Mitte der 1970er Jahre in Schaal / Șoala ( Kreis Hermannstadt ) entstanden sind . Auf den Aufnahmen sind Sachsen in Tracht beim Kirchgang zu sehen - wie authentisch war das damals ?
EE : In den sächsischen Städten und Dörfern Siebenbürgens gab ’ s damals noch ziemlich viel Tracht , vor allem bei Feierlichkeiten und am Sonntag . Das kommunistische Rumänien war ja eine statische Gesellschaft … Um die eigene Identität als Sachsen beizubehalten , hat man die Tracht gepflegt . In der Woche bei der Arbeit war das oft unpraktisch oder sogar unmöglich , wie in einer Fabrik z . B ., aber zur Kirche kam man in Tracht . Wir waren in Tartlau / Prejmer , Kronstadt , Botsch / Batoş , Schaal / Șoala , Schaas / Șaeș , Hermannstadt , Michelsberg / Cisnadioara , Groß-Alisch / Seleuș , Bistritz , Marpod , Moritzdorf / Moruț , Schässburg , Mediasch und mehreren andere Orten , wo Deutsche lebten oder heute noch leben .
SB : Sie hatten als Studenten und später auch Kontakt zu siebenbürgisch-sächsischen Pfarrern : Welche Rolle spielten die Ev . Landeskirche A . B . und die Pfarrer in den 70ern und 80ern im Leben der Sachsen ?
EE : Als wir in Klausenburg studierten , sind wir zweimal im Januar ( mit dem Zug ) zur Evangelischen Theologie in Hermannstadt gefahren , um uns ein bisschen auf Deutsch zu erholen und um die Evangelische Kirche , Professoren und Studenten kennen zu lernen . Im Januar gab es auch sog . ‘ Stille Tage ’ im Evangelischen Erholungsheim im wunderschönen Michelsberg am Silberbach ( rum . Cisnădioara ) sowie Ausflüge ins Silberbachtal und gemeinsames Singen in der alten Abteikirche ( ältestes sakrales Bauwerk der Siebenbürger Sachsen !). Und tagsüber oder am Abend die Gespräche mit den Professoren und den Studenten : Professoren waren damals u . a . Hermann Binder , Hans Klein , Christoph Klein und Hermann Pitters , Studenten z . B . Günther Auner , Hans Daubner , Robert Schumann , Michael Gross und Berthold Köber .
Bischof war damals Dr . Albert Klein , der die Aufgabe hatte in diesen schwierigen Zeiten die Kirche zu
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