Sonntagsblatt 1/2024 | Page 26

einen verschlafenen Eindruck , dennoch treffe ich immer wieder auf Menschen , Jung und Alt , die die Veränderungen der letzten Jahrzehnte bestätigen : die Zunahme der Zahl der Mischehen - die Mittsechzigerin meint , dass es in ihrer Kindheit kaum welche gegeben hätte , man habe das Dorf selten verlassen- , den Rückgang des Gebrauchs der kroatischen Sprache und den Zuzug von „ Fremden ”. Im Ortsbild dominieren ungarische Straßenschilder und Aufschriften , selbst die Grabmäler sind ungarisch beschriftet . Ein anderes Bild zeigt das dritte kroatische Dorf , das eigentlich nicht im Pinkatal liegt , aber dennoch dazugezählt wird : Narda / Nahring , mit knapp 500 Einwohnern etwa so groß wie Oberschilding , der Schulort des Pinkatals mit kroatischem und deutschem Nationalitätensprachunterricht ( 5 Stunden plus Volkskundestunde ). Bis auf die Inschriften im Friedhof sind fast alle Aufschriften zweisprachig - kroatisch steht dabei oft an erster Stelle . Was die Veränderungen der letzten Jahrzehnte betrifft , erzählen mir Passanten auch hier von vielen Mischehen , stetigem Zuzug auch dank der Nähe zur Österreich und dem allmählichen Verschwinden der kroatischen Sprache aus dem Alltag durch das Ableben der Alten . „ 50 – 50 ”, das sagt eine madjarische Verkäuferin , als ich sie nach dem Anteil der Kroaten frage . Viele junge Kroaten hätten das Dorf beispielsweise in Richtung Steinamanger verlassen , die Alten seien gestorben , meint eine Frau Anfang 70 . Da kommt mir ein Bekannter der Familie aus Nahring in den Sinn , der in der Komitatshauptstadt ein prosperierendes Autohaus aufgebaut hat . Andere sprechen immer noch von einer kroatischen Dominanz und dem Bemühen der Alteingesessenen , die Sprache an die nachfolgende Generation weiterzugeben . Dabei schreiben sie der Schule eine besondere Bedeutung zu . Noch etwas ist interessant : Fast alle Gesprächspartner identifizieren die Pflege der kulturellen Tradition mit dem Nationalitätendasein . Kirchliches Leben spiele auch noch eine wichtige Rolle , auch wenn Religion im Alltag nicht mehr in dem Maße präsent sei wie noch vor Jahrzehnten . „ Es gibt regelmäßig kroatische Messen , die Lieder sind auf jeden Fall auf Kroatisch . Einmal im Monat kommt ein Pfarrer aus dem Burgenland herüber , der eine kroatische Messe ( wohl mit kroatischer Predigt ) hält ”, davon berichtet , während sie mit dem Enkel spazieren geht , eine Madjarin , die nach Nahring heiratete .
Alle Kirchen machen im Pinkatal einen frisch renovierten Eindruck , so auch die Pfarrkirche von Pernau , in der sich gerade eine Frau befindet und betet . Ich spreche sie mit „ Grüß Gott ” an , sie antwortet ebenso . Als ich sie auf Deutsch anspreche , wirkt sie verlegen . Die Erlösung kommt aber und wir setzen das Gespräch auf Ungarisch fort . Sie ist , wie eigentlich alle , die ich angesprochen habe , sehr freundlich und auskunftsfreudig - eine seltene Erfahrung . Ich erfahre von ihr , dass Pernau nicht mehr so deutsch sei , zumal die Mundart im Alltag von immer weniger Menschen
26 gesprochen werde , weil viele Alte gestorben seien . Auch die Zahl der Gottesdienstbesucher habe abgenommen , sagt sie und zitiert den alten Pfarrer , der gesagt haben soll , dass selbst die Rentnerinnen mit dem Konsum ihrer Fernsehserien unter der Woche bevorzugt ihre Zeit verbrächten . Das Bild wird von einer Madjarin nahe der Kirche differenziert , die sagt , dass die Jüngeren allein schon wegen der Nähe zu Österreich sich veranlasst sähen , die deutsche Sprache zu pflegen - wenigstens als Fremdsprache .
Eine ähnliche Erfahrung teilt mit ihr eine Frau im Rentenalter in Großdorf . Der Ort macht seinem Namen alle Ehre : Die langgezogene Fő utca ( Hauptstraße ) mit ansehnlichen Höfen lässt meinen , es handele sich um ein zahlenmäßig großes Dorf . Dabei gehört es mit 350 Einwohnern zu den mittelgroßen im Pinkatal . Hier fehlen wie in Pernau deutsche Straßenschilder , dafür finden sich viele deutschsprachige Grabmäler im Friedhof . Bis 1929 waren es zwei Gemeinden Ungarisch- und Deutsch-Großdorf . „ Ungarisch “ war im Ortsnamen , obwohl auch diese Gemeinde von Deutschen besiedelt gewesen sei , so die Frau . Sie wohnt unweit der Pinka , die nach zwischenzeitlichen Überlegungen die Grenze zwischen Österreich und Ungarn werden sollte . Wie die bereits zitierte Verkäuferin spricht auch sie von einer geschlossenen Gemeinschaft , was einen begrenzten Zuzug in den Ortskern zur Folge gehabt habe . ( Genauso wie Pernau war Großdorf von der Vertreibung weitgehend verschont geblieben .) Die Frau entpuppt sich dabei als heanzische Muttersprachlerin , was dem einen Sohn , der bis zum Eintritt in den Kindergarten nur diese Sprache gesprochen habe , nach eigenem Bekunden die besten Hochdeutschkenntnisse unter den Kindern beschert habe .
Voller Eindrücke verlasse ich das Tal der Pinka vorbei an Obstplantagen , Auenwäldern und Feldern und stelle dabei fest , dass das Pinkatal mit seinem historischen Erbe und den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft eigentlich überall ist .
SoNNTAGSBLATT