Sonntagsblatt 1/2024 | Page 19

„ AUF FÜR EINE FRISCHE , LAN- DESWEITE KULTURBEWEGUNG !“

Lehrer , Heimatforscher und Kulturschaffender Dr . Peter Schweininger aus Saar / Szár zu seiner heimatgeschichtlichen Dissertation sowie zu Fragen von Sprache und Identität und den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft
SB : Peter , Du hast im Herbst dein Buch über die Ansiedlungszeit in Saar vorgestellt - wie war die Resonanz ?
PS : Als ich Mitglied im Doktorandenprogramm der Uni ELTE war , erfuhr ich oft die Kritik , warum ich mich eigentlich nur mit einem einzigen Dorf beschäftige . Es gab aber auch manche Professorinnen und Professoren , die mir vertraut haben . Deswegen habe ich ein dreijähriges Stipendium für meine Forschungsarbeit bekommen . Und was ich wollte , konnte ich – mit großer Hilfe meiner Lehrer und dank der riesigen Geduld meiner Familie – umsetzen : eine Ortsmonographie mit ganz neuen wissenschaftlichen Methoden . Ich bin darüber sehr froh und ich bin mit der Resonanz zufrieden : Alle Exemplare der ersten Auflage der „ Schwabenwelten “ wurden verkauft , die Buchvorstellungen waren unglaublich gut besucht . Es ist mir eine große Ehre , ich bin sehr dankbar für das Interesse . Die Historiker haben auch sehr gute Meinungen und Kritiken darüber gesagt und geschrieben . Denn viele Fachleute erkannten , dass es dabei nicht nur um ein kleines Dorf geht , sondern die Geschichte der Saarer Familien können auch Aufschluss über allgemeine mentalitäts- oder gesellschaftsgeschichtliche Tendenzen bei den Ungarndeutschen geben . Ich bin echt froh darüber .
SB : Du beschäftigst dich in deiner Arbeit mit der Geschichte von Saar im 18 ./ 19 . Jahrhundert . Kannst du ein bisschen mehr über das Forschungsprojekt bzw . deine Dissertation erzählen ?
PS : Der Fokus meiner Forschung lag zwölf Jahre lang auf der Bevölkerungsgeschichte meines Heimatsdorfes . Mein wichtigstes Ziel war es zu erkunden , wie die ersten Saarer eigentlich gedacht haben . Es ist eine ziemlich schwierige Aufgabe - sogar fast unmöglich - die Denkweise der Mitglieder einer Gemeinschaft zu erforschen , die vor 200-250 Jahren gelebt haben . Denn es gibt sehr große Quellenlücken in einer Gesellschaft , in der recht wenige die Fähigkeit zum Lesen oder Schreiben beherrschten . Während meiner Forschungstätigkeit war mir jedoch ein Quellentyp von besonderer Hilfe , der im Großen und Ganzen konstant , in ausreichender Zahl zur Verfügung stand : die Matrikeln , also die Geburts- , Heirats- und Todesurkunden . Und dazu kamen die örtlichen Seelenbeschreibungen der Pfarrgemeinde und des Gutes , die ebenfalls eine Stütze für meine Arbeit darstellten . Anhand der auf diese Art und Weise gewonnenen Daten habe ich
SoNNTAGSBLATT eine Datenbank mit mehr als 120.000 Einträgen erstellt . Die Verarbeitung der genannten Quellen gab meiner Forschung eine bevölkerungsgeschichtliche Richtung . So habe ich die Methoden der historischen Demographie angewendet , mit denen es mir gelungen ist , auch einige Elemente des Denkens von den damaligen Saarern zu erfassen . Der Zeitraum der Untersuchung reichte von dem Anfang der Besiedlung bis zur Hörigenbefreiung 1848 .
SB : Du bist Dozent an der Eötvös-Uni in Budapest – was ist dein genauer Forschungsschwerpunkt im Moment ?
PS : Ich unterrichte Lokalgeschichte , Historische Geographie und Geschichtspädagogie an der Uni . Ich versuche meine Forschungen weiterzuführen : Saar zwischen 1848 und 1948 . Es ist aber eine Frage , wie dieses mikrohistorische Thema funktionieren wird . Es ist möglich , dass ich trotz dem Erfolg der „ Schwabenwelten “ andere Forschungsthemen wählen sollte .
SB : Du unterrichtest darüber hinaus an einem Budapester Elitegymnasium - sind ungarndeutsche Themen Teil des Geschichtsunterrichts ?
PS : Man verliert ein paar Worte über die sächsische Population in Ungarn und über die Städte mit deutschem Bürgertum . Darüber hinaus geht es um die Ansiedlung der Schwaben , und es wird wieder weniger über den Hitlerplan mit dem Banat und über die Vertreibung gesagt . Es ist alles . Ich weiß nicht , ob der Nationale Lehrplan oder der Rahmenlehrplan von einer ungarndeutschen Organisation begutachtet und beim Inhalt mitgesprochen wurde . Aber ich glaube , dass zum Beispiel der Zusammenhang zwischen der Vertreibung der Ungarndeutschen und der großen , schnellen und meiner Meinung nach tragischen Umgestaltung der ländlichen Gesellschaft in Ungarn mehr Aufmerksamkeit in den Geschichtebüchern verdienen würde .
SB : Du stammst aus einer Saarer deutschen Familie – erzähle bitte ein wenig über deine Familie und darüber , in welchem Umfeld du aufgewachsen bist . Wo hast du Deutsch gelernt ?
PS : Alle meine Großeltern haben zu Hause schwäbisch und ungarisch gemischt gesprochen , aber meine Eltern sprechen nur noch Ungarisch . Ich bin mit meinen Eltern aufgewachsen , so habe
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