Sonntagsblatt 1/2021 | Page 11

EU-Bürger gebessert werden soll . Dass zu den vielen Problemen der EU und in der EU von Corona bis Migration , von Wirtschaft bis pandemiebedingter Staatenabkapselung jetzt auch dazukommt , dass die erfolgreiche Miteinbeziehung der vertragskonform gehandelt habenden EU-Bürger zurückgewiesen wurde … - das ist bei der Tatsache , dass jeder siebente EU-Bürger Angehöriger einer Minderheit ist , demokratiepolitisch doch sehr bedenklich . Man kann derzeit nur hoffen , dass die Staatenlenker der EU nicht zuletzt in Anbetracht des gerade erst vollzogenen Brexit Maßnahmen ergreifen , um hier eine Besserung im Sinne der Vielfalt in Europa zu erzielen .
Zeitgeschehen-Geschichte
Der Leidensweg der deutschen Minderheit in den Jahren 1944 und 1945 – Interview mit Dr . Beate Márkus
Von Dr . Zoltán Oszkár Szőts - erstmalig erschienen am 16 . Dezember 2020 auf dem Geschichtsportal ujkor . hu - Veröffentlichung in deutscher Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Chefredakteur Dr . Zoltán Oszkár Szőts , deutsche Übersetzung : Richard Guth
Dr . Beate Márkus
„ Ende Januar 1945 wurden Zehntausende von Zivilisten – Frauen und Männer – in unbeheizten , verschlossenen Viehwaggons aus dem Karpatenbecken Richtung Osten abtransportiert . Sie wurden aufgrund des Beschlusses Nr . 7161 des sowjetischen Staatlichen Verteidigungskomitees vom 16 . Dezember 1944 in sowjetische Lager befördert , wo sie über Jahre unter elenden Umständen Zwangsarbeit als „ Wiedergutmachung ” verrichten mussten . Ihre Auswahl erfolgte aufgrund ihrer „ deutschen Abstammung .” Mit diesen Sätzen beginnt die Monografie „ Csak egy csepp német vér – A német származású civilek Szovejetunióba deportálása Magyarországról 1944 / 45 ” von Beáta Márkus , die Herbst 2020 erschienen ist und auf einer PhD-Dissertation beruht , vorgelegt an der Andrássy-Universität im Jahr 2019 . Mit der Historikerin , die am Stiftungslehrstuhl für Deutsche Geschichte und Kultur im südöstlichen Mitteleuropa des Historischen Instituts der Philosophischen Fakultät der Universität Fünfkirchen unterrichtet , haben wir über ihre Forschungstätigkeit , Karriere und Pläne und die „ Malenkij Robot ”, gesprochen .
Újkor . hu : Es gibt Menschen , die sich bereits am Gymnasium seelisch auf den Beruf des Historikers vorbereiten , und es gibt welche , die sich erst als junge Erwachsene nach einem Umweg für diese Laufbahn entscheiden . Wie sieht es bei dir aus , welcher Weg führte dich zum Beruf ?

SoNNTAGSBLATT s

Márkus Beáta : Bereits als kleines Mädchen habe ich mich blendend für Geschichte interessiert . Als Grundschülerin habe ich all die Geschichtsbücher meines Bruders durchgelesen . Auch später blieb Geschichte mein Lieblingsfach . Es wäre dennoch ahistorisch , wenn ich behaupten würde , dass ich schon immer Historikerin sein wollte . Es ging sogar so weit , dass ich mich nach dem Abitur erst gar nicht um einen Geschichtsstudienplatz beworben habe , vor allem deshalb , weil mein Umfeld davon abgeraten hatte - unter dem Motto , man könne eh nichts damit anfangen . Anstelle dessen bin ich freie Geisteswissenschaftlerin geworden , was sich in der Zwischenzeit zu einem Berufsfeld mit dem niedrigsten Ansehen entwickelt hat . Für mich war diese Entscheidung aber von Vorteil , weil ich meiner Ansicht nach dadurch über ein breiteres , interdisziplinäres Hintergrundwissen verfüge , als wenn ich eine monodisziplinäre Ausbildung von Bachelor bis zum Doktorat genossen hätte . Daneben habe ich Geschichte als Nebenfach studiert , wobei es sich dann doch herausgestellt hat , was mich am meisten interessiert – so kehrte ich , mit einem kleinen Umweg , zum Historikerberuf zurück .
Bedeutet das in der Praxis , dass du nach dem Bachelorstudium Freie Geisteswissenschaften Geschichte auf Master studiert hast ?
So ist es .
Hattest du deinen Forschungsschwerpunkt bereits vor der Aufnahmeprüfung entdeckt oder hat er sich erst während des Masterstudiums entwickelt ?
In etwa fiel es in diese Zeit , genauer gesagt hat das Thema mich gefunden . 2010 gab es in einem Foyer der Universität eine Ausstellung , nämlich die Wanderausstellung „ Mehr als Lebensgeschichten . Schicksale ” der gegenwärtigen stellvertretenden Leiterin des Janus-Pannonius-Museums , Judit W . Müller , in der es um die Verschleppung der deutschen Minderheit meiner Heimat in die Sowjetunion ging . Ich hatte Zeit und schaute sie mir an . Es gab ein Foto , auf dem drei junge „ schwäbische ” Mädchen die Hand halten , noch zu Hause , mit dem Begleittext , dass das Mädchen links mit 17 Jahren während der Gefangenschaft starb . Das hatte eine große Wirkung auf mich . Ich wusste auch schon zuvor , dass aus meinem Heimatdorf Nadasch / Mecseknádasd 1944 Menschen in die Sowjetunion verschleppt wurden , unter anderen meine Uroma , aber die Dimension eröffnete sich erst in dem Moment für mich . Ich habe verstanden , dass Geschichte kein abstrakter Gegenstand ist - wie ich mir bis dahin gedacht habe - der nur andere betrifft , sondern dass sie uns umgibt , bloß dass wir auf lokaler Ebene davon nichts wissen . 2010 war die „ Malenkij Robot ” gewissermaßen noch ein weißer Fleck in der historischen Forschung , deshalb waren meine Dozenten mehrheitlich dafür , dass ich mich im Rahmen des Masterstudiums damit beschäftige .
Bereits während des Masterstudiums erschien mit dem Titel „ Messze voltam én fogságban , nagy Oroszországban . Magyarországi németek szovjet kényszermunkán 1944 / 1945 – 1949 ” dein erstes Buch , das ein Interviewband ist . Wie gelang es dir , das Material zusammenzutragen ?
2012 entstand der Kontakt zum Nationalitätenverein der Ungarndeutschen in Fünfkirchen / Branau . Man tat seit Jahren viel für die Erforschung unter anderem der „ Malenkij Robot ”, organisierte Forschungsreisen , Veranstaltungen , Gedenkfeiern , veröffentlichte Bücher und ließ Gedenktafeln aufstellen . Noch in diesem Jahr durfte ich mit ihnen zusammen zu einer zweiwöchigen Forschungsreise in den Ural aufbrechen . Dort erwähnte die Vorsitzende Eleonora Matkovits-Kretz , dass man eine Fülle an unveröffentlichtem Material besitze ( handschriftliche Memoiren , Interviews , Tonaufnahmen ), aber dass es keinen gebe , das es redigieren würde und ob es mich interessieren würde . Das war
( Fortsetzung auf Seite 12 )
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